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Unter den Euro-Rettungsschirm wird gekrochen, geschlüpft, er wird auf- und zugespannt und nach Herzenslust erweitert – Wortspiele noch und nöcher! Wo kommen wir denn da hin?

Bei tagesschau.de fiel mir eine ältere Meldung auf. Es kam der schöne Satz vor: »In Höchstgeschwindigkeit ist Irland am Ende unter den Rettungsschirm für angeschlagene Euro-Staaten geschlüpft.«

Seltsam: Verband ich nicht mit dem Euro-Rettungsschirm immer unwillkürlich die Vorstellung eines Fallschirms, an dem hängend der Euro gemächlich zu Boden segelt, vorm freien Sturz gerettet? Wie aber soll man unter einen solchen Fallschirm »schlüpfen« können, noch dazu in »Höchstgeschwindigkeit«? Ist es also überhaupt sinnvoll, beim Rettungs- an einen Fallschirm zu denken? Ein solcher Schirm bremst den Fall nur, er verhindert ihn nicht: Am Boden wäre der Euro hinterher in jedem Fall, und genau das möchte man ja nicht.

Was aber ist der Rettungsschirm dann? Es fallen einem gegen Ende des Sommers jene Schirmverleiher ein, die an den Stränden des Südens ihre Schirme vermieten, in Kombination mit bequemen Liegen. Das aber kann nicht der Sinn eines Rettungsschirmes sein, dass die unter ihn Geschlüpften sich dann weich betten.

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Also: Der Rettungsschirm ist ein Regenschirm, das geht aus vielen Formulierungen hervor. Überall heißt es, der Rettungsschirm werde aufgespannt, eingerichtet, aufgestellt, er stehe. Wobei ich gerade lese, dass Irland damals gar nicht unter den R. »geschlüpft« sei, sondern – so meldete die Internetseite des Österreichischen Rundfunks – »gekrochen«, was nur bedeuten kann, dass Irland entweder schon sehr müde oder sehr demütig war oder dass der Rettungsschirm ausgesprochen niedrig ist.

Deshalb erscheint sinnvoll, dass die FAZ meldet: »Barroso will größeren Euro-Rettungsschirm«. Der Rettungsschirm solle erweitert werden, ja, ausgedehnt, flexibilisiert, sogar gestärkt. Mitten im heftig prasselnden Niederschlag wird am Rettungsschirm genäht! Und die Financial Times Deutschland lässt wissen, er werde »aufgestockt«.

Laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung hat sich Irland übrigens unter den Rettungsschirm »begeben«. Oder war es so, wie das Manager-Magazin mitteilte: »Europa spannt Rettungsschirm für Irland auf«? Dann wäre zuerst Irland dagestanden, und man hätte über ihm diesen Schirm errichtet. Der Schirm wäre quasi über Irland geschlüpft.

Warum lassen sich solche Vorgänge nicht eindeutig klären? Das ist fast ein Jahr her … Und was der Rettungsschirm alles kann! Und was nicht! »Der neue Rettungsschirm ist ein Fass ohne Boden«, schrieb die Welt. Er sei »ein wichtiges Sicherheitsnetz«, heißt es auf der Internetseite einer Bank, eine »Keimzelle« (wo stand das gleich wieder?), ja, er befinde sich, las ich im Tagesanzeiger, »unter Dach und Fach«. Mal unter uns: Wozu braucht man unter Dach und Fach einen Rettungsschirm? Er soll »nicht wachsen«, teilte N24 mit, der Fernsehsender, das ist wiederum gut so, unter Dach und unter Fach. Er habe »die letzten noch verbliebenen Implementierungs-Hürden genommen«, das hat ein Liechtensteiner Finanzunternehmen in seinen Mitteilungen geschrieben. Auch kann man Hilferufe an den Rettungsschirm richten, schreibt die Wiener Zeitung, ja, »über kurz oder lang ist ein Hilferuf an den Rettungsschirm wohl unvermeidbar«.

Ja! Hilfe! Mayday an alle! Spannt jetzt einen Rettungsschirm über der deutschen Sprache auf! Vergebt kostenlose Sprachkredite! Kauft falsche Sprachbilder auf! Errichtet den Sprach-Rettungsschirm, lasst ihn stehen, erweitert ihn! Dehnt ihn aus, flexibilisiert und stärkt ihn! Und lasst uns alle drunterschlüpfen. Kriechen. Uns in Höchstgeschwindigkeit darunterbegeben. Es ist dringend. Man wird hier vom Metaphernhagel sonst erschlagen und hängt dann als Leichnam über Implementierungs-Hürden.

Im Informationsdienst einer Bank habe ich etwas über die Erwartungen an die Zeit nach 2013 gelesen, »wenn der Rettungsschirm wieder zugespannt werden soll«.

Zuspannen? Wahrscheinlich meinen sie »schließen«. Ich kann es kaum erwarten.

Illustration: Dirk Schmidt