Angriff der Terror-Gämsen

In einer Berghütte auf 2366 Metern bewachen 16 Polizisten den G7-Gipfel - von oben. Nur vor wem? Unser Autor hat die Antwort.

Dass Tourismusregionen nicht der schlechteste Ort sind, um politische Großereignisse wie einen G7-Gipfel abzuhalten, liegt auf der Hand. Hier stehen Herbergen zur Verfügung, die den Weltenlenkern und ihren Mitarbeitern würdig sind, wie etwa das »Schloss Elmau Luxury Spa and Cultural Hideaway«, Doppelzimmer ab ca. 608 Euro die Nacht. Und gleichzeitig ist gesichert, dass auch die darbende Hotellerie der unteren Klassen ein wenig profitiert, denn die Mövenpick-Steuer von Guido Wiehießernochmal und seiner Partei hat es alleine auch nicht richten können.

Aber so ein G7-Gipfel sorgt für volle Häuser. Neben Merkel, Obama, Hollande, Cameron und eben nicht Putin reisen einige Journalisten, Analysten und Lobbyisten an, um das Geschehen zu beobachten. Dazu noch 24.500 Polizisten, 100 Richter und 15 Staatsanwälte. Sie alle müssen irgendwo schlafen, müssen irgendwo essen und irgendwo trinken. Sie alle schreiben, falls das Gipfelbeobachten zwischenzeitlich ein bisschen langweilig werden sollte, vielleicht auch eine Postkarte nach Hause. Und kaufen bei der Gelegenheit einen lustigen Filzhut und eine Flasche Obstler, wenn sie schon mal im Souvenirladen sind.

Letztere 24.500 Polizisten, 100 Richter und 15 Staatsanwälte kommen aber eigentlich weniger, um den Gipfel zu beobachten. Eher, um ein Auge (oder besser gesagt: 49.230 Augen) auf die Aktivisten zu haben, die etwas gegen diese famose Förderungsmaßnahme für die Tourismusregion Werdenfelser Land haben. Das destruktive Dagegensein der Demonstranten zeigt sich schon in dem perfiden Plan, sich nicht brav in all den netten Pensionen, Familienhotels und Gasthäusern einzumieten, in denen das Frühstück in der Zirbelstube serviert wird. Anstatt abends müde vom vielen Demonstrieren in gestärkte Bettwäsche zu sinken und morgens zur Stärkung eine Kaisersemmel vom Frühstücksbuffet zu verdrücken (die Schälchen von den abgepackten Butterportionen und die Schalen vom Frühstücksei bitte in die Tischmülleimer!), werden diese Demonstranten doch einfach auf einer Wiese campen. Die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen wollte das verbieten, offiziell wegen Hochwassergefahr, inoffiziell vielleicht, weil so die Krauthammer-Hanni ihren alten Schuppen zum ersten Mal seit Olympia '36 wieder voll belegt haben wird, und das trotz des Schimmels in der Sauna. Doch gerade noch rechtzeitig hob ein Münchner Gericht das Verbot auf.

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Soweit, so durchschaubar - und die Bayerischen Sicherheitsbehörden scheinen wirklich an alle Gastgeber der Region zu denken. Auch der Deutsche Alpenverein bekommt sein Stück von der Gipfel-Jause ab: Für die Zeit des G7-Gipfels werden 16 Beamte auf der »Meilerhütte« Quartier nehmen und dort im Wettersteingebirge auf 2366 Metern Deutschlands höchstgelegene Polizeiwache betreiben (und wohl auch die mit der schönsten Aussicht). Auf der Hütte gibt es Mehrbettzimmer für insgesamt 11 Personen, ansonsten nur Matratzenlager, für die Beamten ist nur zu hoffen, dass sie keine Schnarcher in der Gruppe haben.

Nur: Wirklich Sinn ergibt diese Fördermaßnahme nicht. 19 Euro kostet das Mehrbettzimmer für Nichtmitglieder auf der Hütte, falls unter den weiteren fünf Beamten, die wohl im Matratzenlager unterkommen müssen, Alpenvereinsmitglieder sein sollten, sind sogar nur sieben Euro fällig. Angesichts der 360 Millionen Euro, die der Steuerzahlerbund an Kosten für den Gipfel veranschlagt (und selbst angesichts der 130 Millionen, mit denen die Bayerische Staatsregierung dagegen hält), sind diese Übernachtungskosten noch nicht einmal Peanuts. Und auf solche Krümel kann sicher auch der Alpenverein verzichten.

Es muss der Polizei also wirklich daran gelegen sein, hier in der Höhe einen Gipfelsturm zu verhindern. Nur von wem? Von der Gebirgsjäger-Division »Al-Almani« des Islamischen Staats? Von Selbstmord-Gämsen vom Al-Quaida-Ortsverein Garmisch? Wohl eher unwahrscheinlich. Und auch wenn Hubert Steiger, Leiter der Bundespolizeidirektion München, Demonstranten fürchtet, »die sehr geländegängig sind«, kann man sich kaum vorstellen, dass der schwarze Block in ausgelatschten Chucks und Doc Martens vom österreichischen Leutasch aus erst viereinhalb Stunden hinauf zur Hütte latscht. Und sich dann, nach einer Buttermilch vielleicht, weil das Dosenbier schon lange alle ist, weitere zweieinhalb Stunden zum Schloss Elmau durchschlagen könnte.

Die wahre Bedrohung, es kann nicht anders sein, hat schütteres, blondes Haar. Trägt Cargohose in Flecktarn, kein T-Shirt, aber eine Goldkette über der gestählten Brust. Dass Wladimir, das Outdoor-Tier, den G7-Gipfel in bewährter bildstarker Manier zu einem G8-Gipfel zu machen versucht, werden 16 Polizisten zu verhindern wissen. Berg - ähäm, nun ja - Heil.

Foto: Reuters