König Aluhut

Xavier Naidoo hat einen Preis gewonnen, über den er sich nicht freuen wird. Der Award zeichnet nämlich Verschwörungstheoretiker aus. Eine Würdigung.

Obwohl er (wie alle anderen Gewinner in diesem Wettbewerb auch) schon als Sieger feststeht, ist es unwahrscheinlich, dass Xavier Naidoo am letzten Oktoberabend 2015 in Berlin auf der Bühne stehen wird, um seinen Preis entgegenzunehmen. Von Mannheim auf den Prenzlauer Berg, dieser Weg ist zweifelsfrei ein weiter - aber an der Anreise dürfte Naidoos Teilnahme kaum scheitern. Schon eher an der Art, auf die diese Preisverleihung durchgeführt wird: Erst bekommen die Sieger ihre Trophäen die Hand gedrückt, dann werden sie jeder um eine zehnminütige Performance gebeten, die dann von einem Expertengremium zerpflückt werden darf. Kritische Töne haben bei Awards auf der Bühne normalerweise nichts verloren, dort erklingt nur die Lobfanfare der Laudatio.

Mehr noch als diese seltsame Dramaturgie dürfte den Deutschsoulsänger Naidoo aber der Preis an sich stören: Nachdem er 2014 schon in Österreich mit dem »Goldenen Brett (vor dem Kopf)« ausgezeichnet wurde – nein, damit waren nicht seine gelbgetönten Sonnenbrillen gemeint – ekommt er nun den »Goldenen Aluhut« verliehen: für die schönste Verschwörungstheorie 2015.

Herr Naidoo ist sich nämlich ziemlich sicher, dass das Land in dem er lebt, nicht wirklich souverän ist. Sondern immer noch von Besatzungsmächten regiert wird – also heimlich, versteht sich, klandestin. Diese Thesen, ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Freiheit für Deutschland" sowie Auftritte auf seltsamen Veranstaltungen brachte ihm bei dem Aluhut-Preis die Nominierung in der Kategorie Rechtsesoterik/Reichsbürger/Deutschland GmbH ein. Wie auch in den anderen Kategorien durften dann Internetuser abstimmen, welcher Nominierter gewinnen soll – außer Naidoo werden so am 30.10. im Pfefferberg ausgezeichnet: die Aufklärungs-Kampagne Impfen - nein danke!. Aktivisten, die zu beweisen versuchen, dass Düsenflugzeuge im Auftrag unserer (souveränen?) Regierung am Himmel Chemikalien versprühen, um das Klima zu manipulieren.

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Außerdem der Kopp-Verlag, in der Kategorie Blogs und Medien. Zu Recht: Eine Veröffentlichung in diesem Haus ist für Verschwörungstheoretiker in etwa das, was eine im Suhrkamp-Verlag für die meisten anderen Theoretiker ist – ein feuchter Traum, auf den man fast ein ganzes Denkerleben lang zurückblicken kann.

An solche Verschwörungstheorien zu glauben, ist bequem, vielleicht tun es deshalb so viele. Wenn man »weiß«, dass die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs Deutschland zerstören und den Genpool seines Volkes verwässern wollen, muss man sich nicht mehr mit der Frage auseinandersetzen, wie die Integration von Flüchtlingen gelingen kann. Wer sich sicher ist, dass die Pharmaindustrie mit ihren Impfstoffen nur kassieren will, obwohl Mutter Natur doch alles im Griff hat, der blendet einfach all die Kranken aus, die Mutter Natur leider viel zu sehr im Griff hat. Und wer Beweise hat, dass die Physikerin Merkel quasi selbstpersönlich Chemie in unseren Himmel spritzt, der wäre doch plemplem, wenn er sich noch um klimafreundliches Verhalten bemühen würde.

So richtig bequem, dass muss man an dieser Stelle aber auch sagen, sind Witze auf Kosten dieser armen Wirrköpfe. Endlich lässt es sich mal über jemanden lästern, der zweifelsfrei noch mehr Stuss von sich gibt, als man selbst. Alle schütteln lachend den Kopf – ja, gibt's denn solche Trottel wirklich? – und falls ein Anhänger einer solchen Theorie sich verteidigen möchte, wird alles, was er sagt, zur nächsten Pointe.

Dass Herr Naidoo und die anderen Preisträger der Verleihung wohl fernbleiben, wundert da nicht. Das Veralbern der Aluhüte ist für die ahnungslose Masse eine ziemlich sichere Kiste. Also zumindest so lange, bis sich herausstellt, dass die Erde doch keine Scheibe ist. Dass es bei der unheimlichen Mordserie doch nicht um Döner ging, dass die Amerikaner wirklich alles anzapfen, abgreifen und abspeichern, was nicht bei drei offline ist.

Aber das sind Einzelfälle. Die meisten Verschwörungstheorien sind genau so ein Quatsch wie Naidoos Geraune über die dunklen Mächte im deutschen Untergrund. Obwohl: Steckt da wirklich nicht mehr dahinter, dass gerade jetzt gerade jener Mann diffamiert wird, der 2006 unser schönes porentief reines Sommermärchen besang? Zufall? Sicher...

Foto: dpa