Kinderglück im Bällebad

Laut einer neuen Studie ist Schweden das kinderfreundlichste Land der Welt. Unsere Autorin, erfahrene Schweden-Reisende, fragt sich, ob das stimmt.

Schweden, schrieb die Kinderbuchautorin Favell Lee Mortimer, ist eines der scheußlichsten Länder der Welt. Es ist kalt, die Leute essen fünfmal am Tag rohen Lachs, dreimal trinken sie Schnaps, sie klauen den Reisenden ihre Koffer und wenn nicht, dann nur aus Angst vor den schwedischen Gardinen. Sie singen alberne Lieder, sind jedoch höflich. Das wusste Ms Mortimer aus Edinburgh schon vor 150 Jahren – und auch, dass alberne Hit-Listen bei den Menschen super ankommen, so fiel sie über »Die scheußlichsten Länder der Welt« her. Obwohl sie ihr verkniffenes Oberstübchen in Edinburgh nie verließ.

Das mit Schweden ist natürlich Schwachsinn. Schweden ist nämlich das schönste Kinderland der Welt. Das weiß jeder, dank IKEA und von Astrid Lindgren. Und es hat jetzt auch eine weltweite Umfrage bestätigt. Die gleiche, die kürzlich herausfand, dass Deutschland das beste Land der Welt ist, Brasilien das abenteuerlichste und Amerika am geeignetsten für Menschen, die gern viel Macht haben (vor Russland und China). Schweden, sagt die Studie, ist das beste Land, um Kinder aufzuziehen (Deutschland ist nicht mal unter den Top Ten).

Schon vor einer Weile sind wir mal hingefahren, um das zu überprüfen. Natürlich hielt auch ich Schweden familientechnisch für den Hit. Da haben sie kein dämliches Ehegatten-Splitting, sondern besteuern Eltern individuell und gleichberechtigt. Da haben sie schon seit Jahrzehnten Elternzeit und Kitas für alle, sie achten ihre Erzieherinnen und sogar Manager halten nachmittags keine Meetings ab, weil sie da mit ihren Kindern durchs Bällebad von Småland tollen.

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Kinder scheinen für Schweden etwas Selbstverständliches zu sein. Nicht wie bei uns. Bei uns gibt es auf der einen Seite Eltern, die laden, wenn sie kleine Kinder haben, zu »Partys« ein, wo sich dann alle zu den Kleinen auf den Boden setzen und solche, die größere oder gar keine Kinder und Zucker in den Kuchen gemischt haben, wie Verräter beäugen. Auf der anderen Seite der Kampfzone gibt es Leute, die Frauen, die es wagen, Kinderwägen durch die Öffentlichkeit zu schieben, beschimpfen, als wären sie Mutterverdienstkreuzmöchtegernanwärterinnen.

Im Großen und Ganzen kann ich bestätigen: In Schweden darf ein Kind Mensch sein, die Mutter mehr als nur fürs Kind zuständig und der Vater mit ihr gleichberechtigt. Die Eltern da wirken nicht so, als haderten sie mit ihrem Eltern-Schicksal, sondern fröhlich und gelassen und trotzdem erwachsen. Das klingt sehr allgemein und unkonkret, aber das haben Klischees nun mal so an sich, und auch aus Schweden kann ich vermelden: Es ist was dran und Bullerbü gibt es wirklich. Nur dass es nicht Bullerbü, sondern Sevedstorp heißt. Es liegt echt in Småland und sieht genau so aus wie im Bilderbuch, mit Mittel-, Nord- und Südhof.

Es gibt in Schweden aber auch ein Ding, an dem sich für mich die schwedische Kinderliebe konkretisiert hat. Das ist der Tritthocker. An fast jedem Tresen eines Lokals, eines Hotels, einer Skipass-Abfertigung, einer Eisbar oder eines Camping-Büros steht ein Tritthocker. Damit Kinder mit den Erwachsenen auf Augenhöhe sind. Bevor ich nach Schweden kam, hielt ich BILLY für sein erfolgreichstes Exportgut. Seither stehen wir auf BEKVÄM.

Ich kann nachvollziehen, warum es Menschen nach Schweden zieht. Vor allem jene, die aus den aktuell allerscheußlichsten Ländern der Welt kommen. Eben aber hört man, dass die Schweden viele Gäste aus diesen scheußlichen Ländern nicht mehr haben wollen, den Familiennachzug einschränken, die Schranken fallen lassen und ihre Gardinen öfter mal zuziehen wollen. Damit runieren sie sich ihren schönen Ruf. Ich würd mal sagen, das ist üble Nachrede. Hat bestimmt die böse Ms Mortimer aus Schottland in die Welt gesetzt.

Foto: katarinagondova/fotolia.de