Mister Farewell

Leonard Cohen hat uns die schönsten Zeilen über Verlust und Abschied geschenkt: Es waren seine Lebensthemen. Hier sind 11 seiner Lieder über das Abschiednehmen, die bleiben werden.

1. One of Us Cannot be Wrong, 1967

Wenn die Welt sich eines Tages nur mehr an ein einziges Leonard-Cohen-Stück erinnern sollte - es bleibt zu hoffen, dass es dieses sein wird. Die Zahl an Themen, die Cohen hier verhandelt, wäre eher für ein großes Essay geeignet gewesen. Und die traurige Liebesgeschichte, die er hier erzählt, trüge einen ganzen Roman. Einer seiner beiden Bücher (»Das Lieblingsspiel«) erinnert denn auch entfernt an diesen Song, bei dem es um eine lebenslange Suche geht - und darum, dass einen das, was man finden will, letztlich umbringen wird.

Meistgelesen diese Woche:

Zentrale Zeilen:
You stand there so nice, in your blizzard of ice,
Oh please let me come into the storm.

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2. Famous Blue Raincoat, 1971

Es ist vier Uhr morgens. Cohen schreibt in diesem Song von 1971 einen Abschiedsbrief an ein namenloses Gegenüber. Es könnte ein alter Freund sein, ein alter Feind, jedenfalls ein Ex-Geliebter seiner jetzigen Geliebten, Jane. Der Brief ist geprägt von Versöhnung und tiefer Trauer. Famous Blue Raincoat ist bis heute einer seiner bekanntesten und auch kyptischsten Songs. Cohen sagte einmal, er habe den Song niemals fertig schreiben können. Aber so, wie er sei, sei er zumindest »gut genug«. Dieses Stück hat Ähnlichkeiten mit seinem zweiten Buch »Beautiful Losers«.

Zentrale Zeilen:
And what can I tell you my brother, my killer
What can I possibly say?
I guess that I miss you, I guess I forgive you
I'm glad you stood in my way.

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3. If I didn't have your love, 2016

Das gesamte letzte Album You want it darker,  erst vor wenigen Wochen erschienen, klingt nach Abschied (hier die Rezension des Albums von unserem Autor) , nach allerletzten Zeilen. In keinem Song ist das so stark zu spüren wie in diesem. Es ist ein Liebeslied, das eigentlich nur sein Letztes sein kann: Er nimmt darin nicht Abschied von einer oder von allen Frauen seines Lebens, sondern von der Liebe selbst.

Zentrale Zeilen:
The stars were all unpinned
And a cold and bitter wind
Swallowed up the world
Without a trace

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4. Ballad of the Absent Mare, 1979

Ein Cowboy sucht nach seinem Pferd. Was klingen könnte wie eine heiteres Kinderlied, ist bei Cohen nichts weniger als die größte denkbare Tragödie. Beinahe untypisch für Cohen: Sie finden einander wieder. Das Stück ist zu Unrecht unbekannt geblieben, es zählt textlich zu seinen Anspruchsvollsten.

Zentrale Zeilen:
And there is no space
But there's left and right
And there is no time
But there's day and night


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5. Tower of Song, 1988

Ein Song über das Älterwerden, die damit einhergehende Einsamkeit - weil die alten Freunde langsam weniger werden. Ein bitteres Lied darüber, dass man manchmal einfach nicht mehr zurück kann, so gern man auch würde: Die Brücken sind verbrannt, der Fluss zu breit um ihn  zu durchschwimmen. Und irgendwann wird über uns alle das große Urteil gesprochen.

Zentrale Zeilen:
And all the bridges are burnin' that we might've crossed
I feel so close to everything that we lost
We'll never have to lose it again.

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6. So long, Marianne, 1967

Vor wenigen Monaten hat Cohen tatsächlich Abschied genommen von seiner Muse Marianne Ihlen, fast 50 Jahre nach dem Song »So long, Marianne«. Die Frau, die ihn in seinen Liedern viel länger begleitete als ihre Beziehung währte (für sie schrieb er auch »Bird on The Wire« und »Tonight will be fine«), starb wenige Monate vor Cohen. Er schrieb ihr kurz vor ihrem Tod in einem Brief: »Ich werde dir bald folgen«.

Zentrale Zeilen:
I forget to pray for the angels
and then the angels forget to pray for us.

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7. Closing Time, 1992

Einer der Höhepunkte aus Cohens Spätwerk ist das Album »The Future« von 1992. Es ist fast durchgängig düster, doch ausgerechnet der deutlichste Abschieds-Song hat eine fast beschwingliche Note. Eine Party ist vorbei, die Menschen tanzen noch ausgelassen, die Frauen reißen sich die Kleider vom Leib, doch es ist bald vorbei: Sperrstunde.

Zentrale Zeilen:
It looks like freedom but it feels like death
It's something in between, I guess

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8. Dance me to the End of Love

Cohen hat viele Liebeslieder geschrieben im Lauf seiner Karriere - selten handelten sie von glücklicher, erfüllter Liebe, oft vom Unerfüllten und Erträumten. Doch so eindringlich wie in diesem Stück aus seiner mittleren Schaffensphase (1984 - also noch vor seinem Aufenthalt im Kloster) hat er das Scheitern an der Liebe davor und danach nicht besungen. Von dem Stück gibt es einen Videoclip mit dem jungen (und zum Teil nackten) Quentin Tarantino:

http://www.imdb.com/video/withoutabox/vi71436057

Zentrale Zeilen:
Let me see your beauty when the witnesses are gone
Let me feel you moving like they do in Babylon

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9. Hey, That's No Way To Say Goodbye, 1967

Es ist das erste ganz konventionelle Trennungslied, das Cohen veröffentlicht hat - und dadurch ist es bis heute ein Klassiker. Es klingt weich, es klingt versöhnlich, es scheint nichts Dunkles darin verborgen. Und vielleicht lässt es einen genau deshalb besonders traurig zurück.

Zentrale Zeilen:
I'm not looking for another as I wander in my time,
walk me to the corner, our steps will always rhyme

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10. Dress Rehearsal Rag, 1971

Ein Kritiker hat vor Jahrzehnten geschreiben, Cohen sollte seinen Alben gleich Rasierklingen beilegen - so deprimierend und düster, wie sie seien. Er bezog sich damit auf Songs wie diesen. Dunkler wird es nicht mehr, dunkler kann es nicht mehr werden. Ein Mann blickt auf sein Leben, das in Trümmern liegt. Auf seine dürftige Umgebung, die ihn anekelt.  Auf sein Leben, das hinter ihm liegt. Er hat keine Perspektive, keine Zukunft. Man hört Cohen zu, die Zeilen fangen einen regelrecht ein und irgendwann im Laufe des Stücks bemerkt man fassunglsos: Hier wird sich gleich jemand das Leben nehmen.

Zentrale Zeilen
That's a hard one to remember,
yes it makes you clench your fist.
And then the veins stand out like highways,
all along your wrist.
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11. I tried to leave you, 1974

In den vergangenen Jahren hat Cohein bei seinen langen, umjubelten Konzerten stets mit diesem Lied die Bühne zur allerletzten Zugabe betreten. Es steht außer Konkurrenz, weil es streng genommen kein Abschied ist: Der Erzähler möchte gehen, er möchte Schluss machen, doch er ist dazu nicht imstande. Wenn Cohen bei seinen Konzerten immer und immer wieder die dritte Zugabe so beginnt, möchte er sagen: »Ich kann euch eh nicht verlassen.« Daran wollen wir uns noch lange erinnern.

Zentrale Zeilen:
And here's a man still working for your smile.



Fotos: Dominique Issermann/Sony Music; dpa