Kinderlos glücklich

Unser Autor liebt seine Freiheit. Aber allmählich fragt er sich, ob das größte Abenteuer nicht noch wartet.

Ich bin 35 Jahre alt und habe keine Kinder. Leider ist das kompliziert. Denn: Ich bin oft froh darüber, keine Familie zu haben – aber ich wäre gern Vater. Die Kinderwünsche kommen immer häufiger, wie so ein Ziehen in der Magengegend: kribbelige Ahnungen einer Zukunft, die neu und mysteriös darauf wartet, gelebt zu werden.

Derweil findet diese Zukunft um mich herum längst statt: Sie krabbelt, hüpft, schaukelt und teilt mit mir ihre Reiswaffeln, wenn ich dafür einen Bagger male. Meine Freunde haben sich irgendwann bei einem kreisenden Fruchtbarkeitstanz auf den Moment eingeschworen, an dem sie alle gleichzeitig Kinder bekommen würden – ich hatte da wohl gerade etwas anderes vor. Verabredungen rutschten aus den Nächten in den Tag, man trifft sich jetzt nicht mehr in Clubs, sondern in Kindercafés.

Aber verstehen Sie mich nicht falsch! Ich genieße es, Kindern dabei zuzusehen, wie sie die Welt erkunden (Ha! Wenn ich den Löffel werfe, geht Papa den holen) und sich selbst (Ah! Stehen! Auch geil!) und dabei wahnsinnig viel Quatsch erzählen (eine Leidenschaft, die ich mit ihnen teile). Ich bin auch ein super Babysitter: hochmotiviert, eins a im Burgenbauen und eher enttäuscht als erleichtert, wenn die Kinder um acht ins Bett sollen. Ja, ich kann es nicht abwarten, bis sich dieser sanfte Wahnsinn auch über mein Leben legt.

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Doch das ist eben nur die eine Wahrheit. Die andere ist: Wenn ich an meinem Geburtstag irgendwo in Polen mit nackten Druffis auf einem Floß zu Techno tanze, denke ich: Juhu! Schön, dass das geht! Wenn ich mal wieder bis nachts um zwei Uhr arbeite, ist das vielleicht dämlich, aber nicht weiter schlimm. Es geht ja nur auf meine Kosten und nicht auf die meiner Familie. Und wenn ich mir überlege, dass es schön wäre, in New York zu leben, ziehe ich eben nach New York. Es sind diese kleinen und großen Freiheiten, die ich als kinderloser Mensch genieße und von denen ich weiß, dass ich sie sehr vermissen würde. Das, was mit Kindern wegfällt – oder schwieriger wird –, kennt man genau, während das Schöne, das man sich mit Kindern in sein Leben holt, abstrakt bleibt, bis es so weit ist. Nur, wann ist der richtige Moment dafür?

Vor vielen Jahren hatte ich eine Freundin, die war toll und bereit für ein Kind, glaube ich. Ich verhielt mich aber selbst noch wie eins. Dann war ich vielleicht reif genug, hatte aber nur Fernbeziehungen, die für Kinder zu fern waren. Und eine Nahbeziehung, die war dafür zu nah. Jedenfalls habe ich mir das selbst gern so erzählt. Ob all das in Wahrheit eher die Angst davor war, sich endlich mal festzulegen? Das letzte Aufbäumen vor dem drohenden Erwachsenwerden?

Je länger ich mir den wunderbaren Irrsinn um mich herum anschaue, desto eher begreife ich, dass dieses Erwachsenwerden vielleicht gar nicht das Problem ist am Kinderkriegen, sondern das Tolle daran. Vater werden, the final frontier: Statt zwischen möglichen Lebensentwürfen, Lebenspartnern und Lebensorten umherzuschwirren, setzt man tatsächlich alles auf eine Karte. Meine Mutter war 17, als sie mit mir schwanger wurde. Sie war mitten in der Ausbildung, hatte kein Geld, keine Wohnung und keine Ahnung, wie das alles gehen sollte. Aber sie hatte den Mut, mich in ihr Leben zu lassen.

Foto: iStock / TW-Creative