»Wir haben zweieiige Zwillinge der Vorlage geboren«

Das gab's noch nie: Vor ein paar Wochen stellten elf Londoner Fotografen im SZ-Magazin-Modeheft ihre Lieblingsorte vor. Zwei Touristinnen haben die Bilder jetzt an den Originalschauplätzen nachgestellt – sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich.

»Wir sind beide 20, kommen aus verschiedenen Ecken Deutschlands und haben uns beim Work & Travel in Kanada kennengelernt. Der Grund unserer Londonreise war der Besuch meines Freundes Chris, den ich ebenfalls bei jenem Auslandsaufenthalt in Kanada getroffen habe. Als ich rund einen Monat vor unserer Reise die London-Ausgabe des SZ-Magazins durchblätterte, machten mich die Fotos neugierig und ich wollte die ausgewählten Plätze auf eigene Faust besichtigen. Die Fotos nachzustellen, war nur eine Schnapsidee, an der Janice und ich dann schnell Gefallen fanden. Je nach Vorlage haben wir entschieden, wer besser vor und hinter die Linse der Kamera passte.

Wir wollten erreichen, dass man die Ähnlichkeit zwischen der Vorlage und unserer Version so gut wie möglich erkennen kann – anhand des Bildausschnitts, von Position, Haltung und Gesichtsausdruck der abgebildeten Personen und anhand der Farb- und Helligkeitsabstufungen. Trotzdem ging es uns nicht darum, das Originalfoto zu kopieren – das war ohnehin nicht möglich, da uns natürlich nicht die gleichen Requisiten und Models zur Verfügung standen. So haben wir jedes Foto mit dem aufgenommen, was wir eben gerade dabei hatten. Und damit sozusagen einen zweieiigen Zwilling der Vorlage geboren.«

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»Unser erstes Foto zeigt Chris und Janice vor Juergen Tellers Lieblings-Cornershop in der Portobello Road. Chris nimmt Tellers Position ein, der sich in der SZ- Vorlage selbst an dieser Stelle hatte ablichten lassen. Als Pendant zum T-Shirt mit der Aufschrift I am an EU immigrant« hält Chris' in unserer Version meinen Reiseführer. Dieser soll, wie das T-Shirt, als Symbol für das »Ausländer-Sein« dienen. Zwar wurde Chris in London geboren, jedoch konnten wir ihm teilweise mehr über London erzählen, als er uns. Ein Tourist hat eben eine ganz andere Sicht auf eine Stadt als ein Einheimischer, der dort von Kindesbeinen an gelebt hat. Eine Mütze wiederum hatten wir nicht dabei, dafür aber ein Bandana, das Janice normalerweise als Verzierung an ihrem Rucksack trägt. Passend zum Nachnamen Tellers steht Shaun in der Vorlage auf einem Stapel Teller – bei uns steht Janice auf einem »stool«, das reimt sich auf den Namen des Cornershop-Besitzers Abdul. Diesem hatten wir erklärt, was wir vor seinem Laden machen wollten. Als wir ihn fragten, ob er uns eine Kiste oder ähnliches leihen könnte, gab er uns ohne Umschweife diesen Holzhocker. Es war gerade so, als hätten wir ihn nach einer Packung Kaugummis gefragt. Er schien überhaupt nicht verwundert über unsere eigentümliche Idee, bestand aber darauf, dass wir ihn auch fotografierten.

»Auf diesem Bild ist Judith zu sehen. Wie Anton Corbjin empfanden auch wir diesen Bahnübergang an der Three Colts Corner, den zahllose Graffitis zieren, als besonderen Ort: Während wir mit der Kamera herumexperimentierten, kamen die verschiedensten Menschen diesen Weg entlang: ein Geschäftsmann im Anzug, der gerade seine Hemden aus der Reinigung geholt hatte, ein junger Mann in Schuluniform, vielleicht auf dem Weg zum College oder zurück nach Hause, außerdem drei etwas heruntergekommen aussehende, zwielichtige Gestalten.«

»Auch auf diesem Foto auf der Waterloo Bridge ist Judith zu sehen – als Goldie, der Tochter der Fotografin Mel Bles, mit einer Wasserflasche anstelle des Blumenstraußes. Natürlich wäre es keine Schwierigkeit gewesen, irgendwo ein paar Blumen aufzutreiben – aber wir wollten eben nur Dinge als Requisiten zu verwenden, die wir auf Erkundungstour in einer Großstadt dabei hatten.«

»In der Kirche Notre Dame de France mitten in Chinatown haben wir Janice fotografiert. Dabei die richtige Perspektive zu finden, gestaltete sich als schwierig. Das lag wohl daran, dass man die Kirchenbänke verschieben kann. Was man auf unserem Foto nicht sieht: Hinter Janice auf der Bank lag ein schlafender Obdachloser. Außer ihm waren fünf weitere Menschen in der Kirche, um sich auszuruhen, genau wie Brett Lloyd es beschrieben hatte. Daher wollten wir beim Fotografieren so wenig Unruhe wie möglich verursachen und verrückten die Bänke nicht.«

»Am Geffrye Museum sind wir eher zufällig vorbeigelaufen. Das Zimmer, in dem das Foto von Jason Evans entstanden ist, haben wir auch wiedergefunden, jedoch versperrte uns eine Absperrung den Zutritt. Daher sind in unserer Version des Fotos keine Personen zu sehen.«