Wolken, die nach Lorbeer schmecken

Die zweitkleinste Kanareninsel kann man auf dem Wanderweg GR 132 einmal komplett umwandern. Man muss nur ständig stoppen, weil die Insel so großartige Ausblicke bietet.

Hinter jedem Berg könnte wieder der Blick aufs Meer warten, hier auf dem Weg zwischen Arure und Las Hayas.

In vier Tagen eine Insel umrunden. Ich finde, das klingt nach einem tollen Urlaubsplan. So erfüllend. Fast schon metaphysisch. Einmal rum. Mit eigenen Beinen ergangen. Da hat man was geschafft, und das kann man dann auch genau benennen.

Der Rundwanderweg, der GR 132, gibt genau das vor. Auf knapp 140 Kilometern führt er auf vielen verschiedenen Höhen einmal um die Insel und oft auch in Täler, die man mit dem gemeinen Kleinwagen nicht erreichen kann. Er führt runter ans Meer, wo schwarzer feiner Sand liegt und das Wasser glasklar in Buchten glitzert, dann etwas höher, wo Palmen wachsen, Kakteen und Bananen, wo jeder Strauch bunt blüht, und schließlich ganz hoch, fast an die Grenze des Nationalparks.

Am ersten Tag, auf diesem dunklen Vulkanboden, die Sonne im Nacken, mit dem warmen Wind, der salzig riecht vom Meer, süß, wenn man sich einer Bananenplantage nähert, und nach Knoblauch, Koriander und Benzin in den Dörfern, kommt mir diese romantische Idee der Umrundung irgendwie ein klein bisschen sperrig vor. Kennen Sie diese Menschen, die im Urlaub Aktivitäten abhaken oder auf einer riesigen Weltkarte mit einem kleinen Fähnchen gar alle Orte, an denen sie schon waren? Ich fühle mich ein bisschen so. Denn man sieht so viel auf diesem Weg, riecht so viel und hat sich dennoch vorgenommen, an allem vorbeizugehen. Und in meinem Fall auch noch besonders zügig.

Meistgelesen diese Woche:

Denn die Steigerung der Abhaker-Wanderer sind ja die, die sich vornehmen, ihre Wanderung in besonders wenig Zeit abzuhaken. Zu denen gehöre ich. Apropos: Kennen Sie diese Menschen, die immer meinen, sie wären schlauer als andere und für sie würden andere Parameter gelten, die es ihnen möglich machen, am Tag Dutzende Kilometer und dazu diverse Höhenmeter abzulaufen und dabei die Natur zu genießen?

Es dauert also zwei Tage und passiert auf einem Bergkamm zwischen Arure und Taguluche, mit Blick in zwei Schluchten, die eine wolkenverhangen, die andere klar, am Ende beider das Meer im Nachmittagslicht, bis ich bemerke, wie unheimlich schön diese Insel ist.

Unterwegs treffe ich andere Wanderer, die auf einen kleinen Makel des Rundwanderwegs aufmerksam machen. Er umgeht den Nationalpark, der dschungelartig dicht und feucht ist, weil hier all die Wolken abregnen, die über die Insel hinwegziehen wollten. Am dritten Tag verlasse ich also die Route und wandere rauf in den Nationalpark Garajonay. Die Wolken hier oben schmecken nach Lorbeer und Eukalyptus. Ist total toll, macht aber natürlich nicht satt. Also weiter nach Las Hayas zu Efigenia, der Wirtin eines Kultrestaurants. Wer mit ansehen möchte, wie eine zappelige Horde passionierter Wandervögel stolz mit einer hochgeschlossen gekleideten Uroma für ein Foto posiert, der sollte definitiv hier vorbeiwandern. Das Essen - es gibt ein einziges Menü, zehn Euro, macht satt - ist auch ein guter Grund.

Am vierten Tag wandere ich im Osten weiter, über Las Rosas nach Agulo zu einem Schwimmbecken, das die Flut mit Meerwasser füllt.

Und dann habe ich meinen Urlaub verlängert und bin noch zwei Tage geblieben. Was auf dieser Insel völlig normal ist. Die Menschen teilen sich hier im Grunde in drei Lager. Jene, die hier schon immer leben, jene, die inzwischen hier leben, und jene, die planen, zeitnah hierhin auszuwandern.

Wenn auf Mallorca jene Auswanderer zu leben scheinen, die sich darüber definieren, dass sie aus Deutschland wegmussten, leben auf La Gomera jene, die nach Gomera hinmussten. Also weniger Weggeher, mehr Ankommer. Und das merkt man. Ich jedenfalls habe auf meiner digitalen Weltkarte mit den kleinen Fähnchen darin auf die Insel jetzt mal noch keins gepinnt. Nicht, weil ich meine Route nicht in der Zeit geschafft habe. Sondern weil sie für mich noch nicht abgehakt ist.

SCHLAFEN
im Ibo Alfaro in Hermigua (ab 65 Euro die Nacht) oder im Parador de La Gomera in San Sebastián (ab 165 Euro die Nacht).

ESSEN
Traditionell bei Efigenia in Las Hayas oder in der Hängematte im Macondo, Valle Gran Rey, mit schönstem Sonnenuntergangsblick, oder mit frisch gezapftem Dorada und Bundesligakonferenz auf dem Großbildschirm im Cacatua in Vueltas.

ANSONSTEN
Wandern, wohin es einen zieht: Auf dem GR 132 um die Insel herum, auf dem GR 131 einmal quer drüber oder eine Kombination. Alle Infos hier und hier.

Foto: Jakob Feigl