»Es gibt keine richtige oder falsche Ästhetik«

Jeff Koons will mit seiner Kunst so viele Menschen wie möglich ansprechen - und verlangt zugleich astronomische Preise dafür. Ein Gespräch über seine pornografische Kunst und die bewusstseinserweiternde Wirkung von Weißbier.

    Verkaufsgenie: der Künstler Jeff Koons

    Kein lebender Künstler verkauft sein Schaffen so teuer wie Jeff Koons. »Balloon Dog (Orange)« erzielte 2013 bei einer Auktion 58,4 Millionen Dollar. Ein Pudel aus poliertem Edelstahl – dass die Meinungen darüber auseinandergehen, was von einem Künstler und seinem Werk zu halten sei, ist nichts Erstaunliches. Allerdings gehen sie im Fall von Jeff Koons besonders weit auseinander. Die einen finden ihn großartig und zahlen vielleicht auch 58,4 Millionen Dollar für einen Pudel, die anderen sehen das einzig Großartige an Koons in seiner Fähigkeit, sich zu vermarkten.

    Das Thema Geschmack spielt dann auch im Interview, das unser Autor Sven Michaelsen mit Koons geführt hat, eine große Rolle, ebenso das Thema Geld. In seiner Kunst gebe es keine Bildungshürden, sagt Koons, er wolle so viele Menschen wie möglich ansprechen: »Das Gegenteil von mir wäre ein Künstler, dessen Werke so hermetisch sind, dass sie die Menschen einschüchtern und sich klein fühlen lassen. Jeder soll mitreden. Es gibt keine richtige oder falsche Ästhetik.« Ein Künstler, der mit seinem Werk lediglich auf die Provokation aus sei, werde früher oder später scheitern. Was die immensen Preise für seine Werke betrifft, meint Koons, dass derlei Rekorde nichts über den Wert eines Werkes aussagen, aber eben für Aufmerksamkeit sorgen würden – und da er sich an das Gefühl erinnere, zahlungsunfähig zu sein, habe er sich beim Versuch, seine Kunst so teuer wie möglich zu verkaufen, »nie in den Fuß geschossen«.

    Aufmerksamkeit hat Koons auch dadurch gewonnen, dass er sein Intimleben mit seinen Werken verquickte. »Made in Heaven« zeigte ihn beim Oral- und Analverkehr mit seiner damaligen Ehefrau Ilona Staller, einer Pornodarstellerin aus Italien. Er hat die Werke auch seinen sechs Kindern aus jetziger Ehe gezeigt – aber die, sagt er, »sind den Anblick dieser Arbeiten gewohnt und gehen an ihnen vorbei, ohne viel nachzudenken«. An das Ziel von »Made in Heaven«, nämlich Scham und sexuelle Schuldgefühle zu überwinden, glaube er noch heute.

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    Außerdem spricht Jeff Koons in unserem Interview von einer 21 Meter langen Skulptur, an der er seit vielen Jahren arbeitet, über kindliches Staunen als eine höhere Form des Verstehens – und über ein typisch bayerisches Getränk, das ihm ein »romantisches und bewusstseinserweiterndes Erlebnis« verschaffe.

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    Jeff Koons über das Klischee der gequälten Künstlerseele, sein Talent als Verkäufer und seine glücklichen Jahre in München.

    Foto: afp