Modisches Statement mit 70

Egal, auf welchem roten Teppich Susan Sarandon auftritt, es ist immer eine große Show – mitsamt Sonnenbrille, Maxidekolletée und Beinschlitz. Kritik kontert sie auf die bestmögliche Art.

Es ist fast schon so etwas wie eine Tradition. Mit schöner Zuverlässigkeit stiehlt Susan Sarandon, im nächsten Monat 71 Jahre alt, bei den jährlichen Highlights des Filmindustrie-Eventkalenders allen jüngeren Kollegen die Show – selbst, wenn sie auf dem roten Teppich eigentlich mal nur eine Nebenrolle spielen sollte.

Die Premiere von »The Leisure Seeker« während der Filmfestspiele von Venedig am vergangenen Sonntag war wieder so ein Anlass: Sarandon, die im Film nicht einmal mitspielt (Helen Mirren hat die weibliche Hauptrolle), versprühte Old-school-Hollywood-Glamour im bodenlangen schwarzen Abendkleid mit herzförmigem Riesenausschnitt, extrahohem Beinschlitz und großer Sonnenbrille – ihre Begleiter, ihre beiden Söhne Miles Robbins und Jack Henry Robbins, wirkten daneben eher wie verschüchterte Konfirmanden.

In Cannes wandte sie ihr Red-Carpet-Erfolgsrezept (tiefer Ausschnitt, hoher Schlitz und Sonnenbrille zu sonstiger Bedecktheit) zuletzt in Grün an, ein Jahr zuvor in Dunkelblau und mit Sakkoknöpfung.

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Als sie Anfang 2016 in einer weiteren ihrer tiefausgeschnittenen Lieblingskombis (Hosenanzug auf BH) die Screen Actors Guild Awards in Los Angeles besuchte, fing sie sich die Kritik des britischen Reporters und ehemaligen CNN-Moderators Piers Morgan ein, der auf Twitter ihr Outfit als »furchtbar unangemessen« bezeichnete und fragte, ob Sarandon so auch auf eine Beerdigung gehen würde.

Sarandon reagierte humorvoll und twitterte als Antwort ein Foto aus der Rocky Horror Picture Show von 1975, das sie in Unterwäsche und im Hintergrund ihren zu Stein gewordenen Filmpartner zeigt. Und auch ihre Fans fingen daraufhin an, Morgan mit Fotos ihrer eigenen Dekolletés zu überfluten.

Hätte das selbe Outfit bei einer 40 Jahre jüngeren Kollegin ebenso viel Aufmerksamkeit geerntet? Wohl nicht. Susan Sarandon kleidet sich schon immer gern sexy und betont ihren Ausschnitt - warum sollte sie daran im Alter etwas ändern? Natürlich gibt es Anlässe, zu denen man zwischen Unterwäsche und Sakko lieber noch eine Schicht einfügt, bei solch glamourösen Abendevents wie den SAG Awards sollte es aber jeder Frau gestattet sein, über ihr Dekolleté selbst zu entscheiden – und zwar in jedem Alter.

Das hat »Surandon« verinnerlicht. Was sie so strahlen lässt, ist nicht unbedingt ihr tolles Dekolleté selbst, sondern die Selbstsicherheit, mit der sie es trägt: Ein gesundes Körperbewusstsein im fortgeschrittenen Alter als Gegenentwurf zu aufgezwungener Jugend und aggressiv wirkender Freizügigkeit.

In England hat sich gerade die Autorin Bibi Lynch der adäquaten Bezeichnung dieser Spezies angenommen – also Frauen wie Sarandon, Demi Moore, Sharon Stone oder auch Brigitte Marcon, die  trotz voranschreitenden Alters noch gern Haut zeigen und offen zu ihrer Sexualität stehen. Um den negativen Anstrich, den Begriffe wie das ursprünglich durch den Teenie-Film »American Pie« verbreitete »MILF« (steht für »Mom I'd Like to Fuck«) oder »Cougar« mit sich bringen, zu bekämpfen, kreierte sie den neuen Sammelbegriff »WHIP« - stehend für »Women who are Hot, Intelligent and in their Prime«. Wir finden, es braucht gar keine so sperrigen Begriffe für einen einfachen Sachverhalt. Susan Sarandon ist einfach eine tolle, höchstattraktive Frau. Oder sagen wir mal eine »heiße Alte«.

Wird getragen von: Jessica Rabbit, »Stiffler's Mum«, Marylin Monroe und anderen Filmdiven
Wird getragen mit: Selbstbewusstsein und ordentlich Magic Tape
Das würde Frank Sinatra sagen: That lady is a vamp.

Foto: Filippo Monteforte/AFP