Die clevere Tampon-Analyse-Maschine

Aus Ärger über ihre Ärztin hat die Biologin Ridhi Tariyal eine Methode entwickelt, mit der Frauen ganz leicht ihre Fruchtbarkeit testen können. Dafür nutzt sie, was sonst in den Müll wandert.


Das Problem:
Drei Viertel aller Hygiene-Produkte für Frauen werden von Männern entworfen.
Die Lösung? Eine Methode, die in Tampons enthaltenen Informationen für Frauen nutzbar zu machen.

Manchmal werden die besten Erfindungen aus Wut gemacht. Die Ingenieurin und Biologin Ridhi Tariyal, 37, war jedenfalls wütend, als sie mit Anfang Dreißig von ihrer Frauenärztin wissen wollte, wann denn biologisch gesehen für sie der beste Zeitpunkt sei, ein Kind zu kriegen, und die Frauenärztin sie mit dem Spruch abspeiste, das könne man nicht konkret wissen. Als Einserstudentin, die nicht nur Ingenieurswesen in Harvard, sondern auch Mikrobiologie am MIT in Boston studiert hatte, fiel es Tariyal nicht schwer herauszufinden, dass das nicht stimmte: Es gibt durchaus ein Hormon, das ein guter Indikator dafür ist, wann sich das »Fruchtbarkeitsfenster« einer Frau schließt, und zwar das Anti-Müller-Hormon. Tariyal ging also mit dieser Erkenntnis zu ihrer Ärztin zurück, aber die weigerte sich trotzdem, Tariyals Fruchtbarkeit zu testen. Das mache sie nur, wenn Frauen mindestens ein Jahr lang vergeblich versucht hätten, schwanger zu werden.

»Das macht keinen Sinn«, sagt die in Indien geborene Tariyal, die seit ihrem sechsten Lebensjahr in Amerika lebt. »Früher wurden Frauen im Durchschnitt mit 20 schwanger, heute mit 27 oder später. Es gibt Tausende Frauen wie mich, die erstmal ihr Studium fertig machen und ihre erste Firma aufbauen wollen, bevor sie schwanger werden, aber den Zeitpunkt nicht verpassen wollen.«

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Tariyal hatte zu diesem Zeitpunkt schon für's MIT Affen im Kongo und das Lassa-Fieber in Sierra Leone erforscht. Nun beschloss sie, ihr persönliches Anliegen zu ihrem Forschungsprojekt zu machen: ihre eigene Fruchtbarkeit zu messen, und zwar zuhause, ohne arrogante Ärzte. »Für diese Tests braucht man Blut und zwar ziemlich viel und regelmäßig«, sagt Tariyal. Was ergibt Frau + Blut + regelmäßig? Genau: Menstruation. »Jeden Monat spülen wir all diese Information das Klo hinunter oder werfen sie in den Müll«, sagt Tariyal, die angetreten ist, das zu ändern.

Ihre erste Idee, Chips zur Diagnostik in Tampons einzubauen, verwarf sie schnell wieder: »Das finden alle Frauen gruselig.« Die nächste Idee brachte dann den Durchbruch: Gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner, dem Biologen Stephen Gire, entwickelte Tariyal eine Methode, das Blut aus Tampons zu extrahieren und in medizinische Proben zu verwandeln. In ihrem Labor im kalifornischen Oakland führt sie vor, wie einfach das funktioniert: Ihre patentierte Maschine, die kleiner ist als eine handelsübliche Espresso-Maschine, erledigt das geräuschlos in Sekunden.

Frauen behandeln ihre Tampons wie sonst auch, aber statt sie in den Müll zu werfen, stecken sie ihn in eine von Tariyal entworfene quadratische Schachtel und schicken sie mit der normalen Post an Tariyals Firma NextGen Jane. »Unsere Prämisse ist: Wir machen es Frauen so einfach und leicht wie möglich, über ihren eigenen Körper Bescheid zu wissen.« Tariyal ist besonders stolz darauf, dass ihre patentierte Methode keine Kühlbox braucht. »Frauen wollen nicht extra zum Supermarkt gehen und Trockeneis kaufen.«

Er schaut zu, sie macht die Arbeit: Ridhi Tariyal und Stephen Gire.

Einfacher kann man eine Blutprobe kaum abgeben, ganz ohne Nadel. Warum ist auf diese Idee noch nie zuvor jemand gekommen? Vielleicht ganz einfach, weil die meisten Erfinder - immer noch - Männer sind. Drei Viertel aller Hygiene-Produkte für Frauen werden von Männern entworfen.

Und nicht nur das: Eine aktuelle Studie vom Babson College zeigt, dass mehr als 90 Prozent der Investoren Männer sind. Tariyal kann einige sehr amüsante Geschichten darüber erzählen, wie anstrengend es ist, männlichen Investoren eine Tampon-Maschine zu verkaufen. »Einer sagte, das helfe ja nur der Hälfte der Bevölkerung.« Ein anderer fragte, ob man die Tests nicht so ausweiten könnte, dass Männer ihre Geschlechtspartnerinnen auf Krankheiten überprüfen könnten. Ein dritter schlug vor, ob sie stattdessen eine Methode finden könnte, bei Männern Testosteron zu messen. Schließlich gab Harvard der quirligen Unternehmerin Starthilfe, auch die erste klinische Studie und sogar die Patentanwälte hat die Uni bezhalt.

Inzwischen hat Tariyal die Tests noch ausgeweitet. Denn natürlich weiß sie, dass Fruchtbarkeit mehr ist als ein Hormonstatus. »In den Proben finden sich auch Gebärmutterzellen. Wir können auf Papillomaviren testen, verformte Zellen, die auf Gebärmutterhalskrebs hinweisen, Endometriose oder Geschlechtskrankheiten wie Chlamydien.« All diesen Krankheiten ist gemeinsam, dass sie oft sehr spät entdeckt werden, vor allem die hormonabhängige Endometriose. Tariyals nächste Versuchsrunde konzentriert sich deshalb genau darauf. Rund zehn Prozent aller Frauen weltweit haben Endometriose und damit oft schmerzhafte Wucherungen im Unterleib, die oft sehr spät entdeckt werden. »Bis dahin hat es vielleicht die Chance, einer Frau, Kinder zu bekommen, längst zerstört. Wir brauchen ein Frühwarnsystem, das es Frauen erlaubt, ihren Gesundheitsstatus unkompliziert zu testen.« Sie glaubt, dass sie es gefunden hat.

Tariyal hat die Frage, mit der alles begann, inzwischen für sich entschieden: Sie überprüft ihre Fruchtbarkeit mit ihren selbst entwickelten Tests regelmäßig und hat gerade ihre Eizellen einfrieren lassen - damit sie Zeit hat, erst ihre Erfindung zur Marktreife zu bringen und dann ihr Baby zu bekommen.

Fotos: Elisabeth Fall