Düsseldorf

Natürlich müssen wir, allein wegen des Überraschungseffekts, mit etwas Positivem beginnen. Mit Gründen, warum Düsseldorf eigentlich super ist. Alles andere wäre ja auch wirklich zu einfach.
Düsseldorf ist zum Beispiel, das wissen wir aus sicherer Quelle, die Stadt der Kreativen. »Fast jeder kennt in Düsseldorf einen, der gerade an etwas ganz Besonderem arbeitet«, hieß es einmal in der Zeitschrift Park Avenue, als diese einen großen Trendbericht aus Düsseldorf brachte.

Und auch: »Täglich treffen Mobilfunker auf Werbetexter, Medienheinis auf angehende Modedesigner, und Softwareentwickler tauschen sich mit erfindungsreichen Gastronomen aus.« Und das mit System: »Düsseldorf ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie sich Synergien in Lebenskraft umwandeln lassen.«Sorry, aber es hilft nichts. Es klingt wie ein Witz. Es ist ein Witz. Niemand kann dabei ernst bleiben. Weiß der Himmel, warum, aber Düsseldorf ist ein Stadt gewordener Kalauer. Fast jeder außerhalb Düsseldorfs kennt einen, der gerade laut über Düsseldorf lacht. Denn das Bild, das sich von dieser Stadt in unseren Köpfen verfestigt hat, sieht doch so aus: Täglich treffen hier Verona und ihr Gatte Franjo Pooth, den sie nicht umsonst den »König von Düsseldorf« nennen, auf die Direktoren der lokalen Stadtsparkasse, trinken Schampus und vereinbaren faule Millionenkredite. Täglich grüßte hier der »Malerfürst« Jörg Immendorff aus der Präsidentensuite des »Steigenberger Parkhotels«, wo er lebende Tableaus aus Kokain und nackten Prostituierten arrangierte. Und täglich schleusen erfindungsreiche Gastronomen grölende Menschenmassen durch ein Labyrinth namens »Altstadt«, wo Düsseldorf ein sehr schönes Beispiel dafür bietet, wie sich Altbier erst in Fröhlichkeit und dann in Urin umwandeln lässt.

Und die Düsseldorfer selbst tun immer wieder alles, um diesem Bild zu entsprechen. Campino zum Beispiel. Der durfte im neuesten Film von Wim Wenders mitspielen, der seine Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Cannes hatte. Wenders, ein großer Sohn Düsseldorfs wie Heinrich Heine oder Gustaf Gründgens, bekennt sich darin erstmals zu seiner Heimatstadt. Es hätte ein Neuanfang werden sollen – für Campino, für Wenders, für Düsseldorf. Was aber macht Campino kurz davor? Er gibt folgende Pressemitteilung heraus: »Aus Wut über das Ausscheiden seines Lieblingsvereins Liverpool FC in der Champions League hat sich der Sänger der Toten Hosen vor ein paar Tagen den Fuß gebrochen. Ein gezielter harter Kick mit dem Vollspann gegen eine öffentliche Mülltonne sollte der Enttäuschung über das Scheitern seines Teams Ausdruck verleihen. Campino muss im Nachhinein einsehen, dass er sich diesen Tritt besser erspart hätte: Schmerzen, Fußbruch und Gips für die nächsten Wochen! Kurzfristige Aufregung im Hosen-Camp.«

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(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum bringt diese Stadt die angeberischsten und zugleich dämlichsten Seiten ihrer Bewohner hervor?)

Kurzfristige Aufregung im Hosen-Camp! Das sind so Nachrichten, wie sie wirklich nur aus Düsseldorf kommen können. Wenn genügend Altbier in Urin verwandelt und anschließend den Rhein hinuntergeflossen ist. Tu Idiotisches und rede darüber.

Irgendwie bringt diese Stadt, man kann es nicht anders sagen, die angeberischsten und zugleich dämlichsten Seiten ihrer Bewohner hervor. Der Düsseldorf-Bewohner Andreas Gursky zum Beispiel, den alle gern als Gegenbeispiel anführen, einer der renommiertesten und teuersten Fotokünstler der Welt, macht im Grund wahnsinnige Angeberfotos von erschreckender Leere. Was so zwar noch keineswegs Konsens ist, was die Geschichte aber noch zeigen wird.

Überhaupt ist die Geschichte in Sachen Düsseldorf der einzig unbestechliche Schiedsrichter. Wer nämlich aus Düsseldorf kommt oder sich auf Düsseldorf einlässt und es trotzdem schafft, dieser Stadt dauerhaft zu widerstehen und keine Witzfigur zu werden – der ist dann wirklich gegen alles gefeit. Der hat seinen Platz im Olymp dann sicher. Wie Joseph Beuys, wie Bernd und Hilla Becher, wie die Jungs von Kraftwerk. Düsseldorf ist nichts anderes als der ultimative Persönlichkeitstest.

Foto: dpa