Glühbirne

Wer sich für romantisch hält, sollte seinen Partner zum Glühbirnen-Dinner einladen – solange es noch geht.

Dies wird das Ende einer langen Freundschaft. Wir werden wehmütig
auseinandergehen, die Glühbirne und ich. Nicht sofort natürlich. Im Augenblick darf sie noch für mich leuchten. Ein mattes Vierzig-Watt-Exemplar erhellt meinen Schreibtisch so warm und vertraut, wie das eben nur ein glühender Wolframfaden kann, eingehüllt in eine schöne runde Glaskuppel. So sehr wie das Licht mag ich ihre Wärme, die sanft zu mir herüberstrahlt, die mich mit der Kälte meines Flachbildschirms versöhnt und mir signalisiert, dass da noch ein anderer Körper neben mir arbeitet, sich verausgabt, sanft seinem Ende entgegenbrennt. Und irgendwann macht es plopp, es bleibt dunkel, dann hole ich ein frisches und unverbrauchtes Exemplar aus der Elektrokiste und denke kurz daran, wie lang meine eigene Brenndauer, toi toi toi!, noch vom großen Plopp entfernt ist.

Damit wird nun irgendwann Schluss sein. Ich kann zwar noch eine Menge Glühbirnen vorsorglich in meine Elektrokiste packen, ich kann absurde Preise bieten, wenn die letzten ihrer Art schließlich auf Ebay versteigert werden, aber bald, in nicht allzu ferner Zukunft, wird es keine Glühbirnen auf diesem Planeten mehr geben. Weil keine Firma sie mehr herstellen darf, weil Politiker und Volksvertreter und überhaupt die Kräfte der Vernunft, also im Grunde wir alle, das so wollen. Australien, Neuseeland und Kalifornien gehen mit dem großen Glühbirnen-Verbot schon voran, im nächsten Juli will die Europäische Gemeinschaft folgen, und der Effekt wird gewaltig sein. Allein für Europa rechnen die Experten mit Einsparungen von fünf bis acht Milliarden Euro: weil die neuen Energiesparlampen so viel weniger Energie verbrauchen und weil sie so viel seltener plopp machen. Allein in Deutschland sollen so 7,5 Milliarden Kilowattstunden Strom gespart werden, was 4,5 Millionen Tonnen weniger CO2-Ausstoß pro Jahr bedeutet ­ und vielleicht ein paar Jahre Aufschub vor dem endgültigen Plopp der Erde.

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Oh nein, dachte ich im ersten Moment, als diese Nachricht kam. Könnten sie mir nicht wenigstens die Glühbirne auf meinem Schreibtisch lassen? Ich habe doch zum Beispiel nie ein Auto besessen, Autofahren in Deutschland war mir immer zu nervenaufreibend und testosteronüberladen und ploppgefährdet, in meiner persönlichen CO2-Bilanz hätte ich noch etliche Jahre, gefühlt sogar lebenslänglich, Glühlampenfreiheit gut. Aber es ist schon klar, so funktioniert das nicht.

Niemand, den ich kenne, mag Energiesparlampen. Egal, was sie in der Werbung von verbesserter Leuchtqualität, wärmeren Farbtemperaturen und natürlichem Wohlgefühl erzählen, irgendetwas stimmt nicht mit diesem Licht. Sie sparen Energie ­ aber das ist nur meine persönliche, unwissenschaftliche Meinung ­, indem sie Lebenskraft aus ihrer Umgebung aufsaugen und alles um sie herum ein wenig fahler, öder und trostloser aussehen lassen. Oder vielleicht will ich einfach nur, dass meine Lichtquelle nach dem Prinzip einer kleinen Sonne funktioniert und nicht mit Atomstößen in Gasröhren, die Lichtquanten erzeugen und dabei einen fiesen Leuchtstoff aktivieren.

Aber ich sehe ein, dass die anrührend kurzlebige, sorglos verschwenderische Glühbirne, die nur etwa fünf Prozent ihrer aufgenommenen Energie in Licht umwandelt, ohne ein Verbot wohl nie verschwinden würde. Appelle allein an den Geldbeutel und ans Umweltbewusstsein der Verbraucher helfen auf Dauer nicht, weil jeder der Meinung ist, die winzige Ausnahme, die er selber macht, diese kleine glühende Extravaganz ­ sie werde beim großen Lauf der Dinge schon nicht so ins Gewicht fallen. Im Einzelfall stimmt das ja auch, im Menschheitskollektiv aber eben nicht mehr. Und deshalb ist dieser traurige, vernünftige, unausweichliche Glühbirnenabschied, der nun auf uns zukommt, nur der Vorbote einer neuen Zeit. Mehr und mehr Freiheiten, Wahlmöglichkeiten, persönliche Vorlieben werden auf der Strecke bleiben.

Wir werden sie gemeinsam verabschieden, mit Wehmut im Herzen. Und das einfach nur, um alle zusammen ­ alle sechskommasieben, -kommaacht, -kommaneun Milliarden ­ noch ein paar Generationen lang durchzukommen.