T - Tratschen

Nur dank Umfragen in Zeitschriften erfährt man als Mann von den Liebesaktivitäten anderer Männern. Getratscht wird nämlich nicht.

68 Prozent aller deutschen Männer sind mit der Intensität ihres Orgasmus zufrieden, und 41 Prozent dieser Männer benutzen Sexspielzeuge. Ich weiß das nicht etwa, weil mir meine Kumpels regelmäßig darüber berichten und ich anhand ihrer Erzählungen Hochrechnungen angestellt habe. Nein, diese Fakten über die Vorlieben und Gewohnheiten meiner männlichen Mitbürger kenne ich nur dank der Kondomhersteller und Zeitschriften, die immer wieder Umfragen zu den Liebesaktivitäten in deutschen Schlafzimmern veranstalten. Der mündliche Austausch mit meinen Freunden, die Face-to-Face-mit-Bier-Kommunikation, informiert über diese Dinge absolut unzulänglich.

Natürlich tratschen wir Männer über Sex. Wir denken ja schließlich an nichts anderes. Das Problem ist das Niveau. Es scheint fast so, als wären wir bei Interview-erfahrenen Politikern in die Schule gegangen: Wir sprechen zwar, lassen aber die Dinge, die von tieferem Interesse sind, außen vor. Ob es gut war mit der? Ja, Mann, der Hammer! Was genau gut war, mit welcher Berührung an welcher Stelle zu welchem Zeitpunkt sie welchen Effekt bei uns hervorgerufen hat, danach fragen wir nicht und darüber tratschen wir auch nicht. Das hieße ja, Vorlieben zu offenbaren; Vorlieben, die der andere noch dazu vielleicht nicht teilen könnte. Im Prinzip also: Schwächen einzugestehen. Und das ist, wenn es um Sex geht, nun mal nicht des Mannes Spezialgebiet. Frauen können das. Sie tratschen über Sex, und das durchaus en detail. Die Fernsehserie Sex and the City hat dieser Form der Unterhaltung zu Weltruhm verholfen. Mehr noch: Sie suggeriert, dass die moderne und selbstbewusste Frau mit ihren Freundinnen immer und ganz offen darüber diskutiert, warum ihr Lover nicht so kann oder will wie sie. Man kann zwar davon ausgehen, dass die Gespräche normaler Frauen nicht an die Detailfreude einer Samantha Jones heranreichen. Deutliche Hinweise auf die weibliche Tratsch-Überlegenheit existieren trotzdem – von Gesprächsfetzen an der Bar oder auf der Straße bis zu wissenschaftlichen Untersuchungen über Stammtischthemen.

Es schwingt ein bisschen Neid mit bei dieser Feststellung. Offen tratschen, seine Neugier befriedigen, das ist spannend und bestimmt auch bereichernd. Gleichzeitig birgt diese Offenheit der Frauen auch eine beängstigende Komponente. Was, wenn die doch alle so oft und so viel reden wie die Bradshaws in the City? Kennen vielleicht alle Freundinnen meiner bisherigen Liebschaften die Details meiner Boxershorts? Sitzen sie mir beim nächsten gemeinsamen Essen gegenüber und wissen schon darüber Bescheid, wie der Sex mit mir so ist?

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Dann doch lieber die andere Variante: Details nur an Kondomhersteller.