Folge 22: Tobi needs a break

Auf der Internetseite "Facebook" kann man nachlesen, in welcher Stimmung Freunde und Bekannte gerade sind. Wie praktisch? Nein, wie deprimierend.

„Im Nebel“ ist ein abgedroschenes Gedicht von Hermann Hesse und seine ersten beiden Strophen gehen so:

„Seltsam, im Nebel zu wandern!/ Einsam ist jeder Busch und Stein,/ kein Baum sieht den andern,/ jeder ist allein. „Voll von Freunden war mir die Welt,/ als noch mein Leben licht war;/ nun, da der Nebel fällt, ist keiner mehr sichtbar.“

Immer wenn ich auf mein Facebook-Profil gehe, muss ich an dieses Gedicht denken. Warum? Immer wenn ich auf mein Facebook-Profil gehe, bin ich allein, sonst würde ich ja nicht auf mein Facebook-Profil gehen, und immer wenn ich da bin, erfahre ich so wenig über meine Freunde, dass ich mir vorkomme, als würde ich im Nebel stehen, vor mir lauter Bäume, aber genau sehe ich sie nicht und sie sehen sich untereinander auch nicht. Schuld ist die sogenannte „What are you doing right now“-Funktion, durch die jeder, der gerade auf Facebook ist, der Welt mitteilen kann, was er gerade so tut oder denkt oder fühlt:

Meistgelesen diese Woche:

Ich habe die Zeile noch nie ausgefüllt, weil sie mir so unsinnig und eitel vorkommt, im Grunde, weil sie mich traurig macht: Immer kommen mir meine Freunde vor wie Büsche und Steine im Nebel, die keiner sieht, oder zumindest fast keiner. Da strengen sie sich an, überlegen sich lustige, geistreiche, kreative, geheimnisvolle Zeilen, und keinen interessiert es. Im Gegenteil: Wenn ich diese Zeilen lese, wird mir erst bewusst, dass ich allein bin, dass es irgendwie alle sind, die gerade auf dieser Seite durch die Gegend klicken. Erst durch die Anwesenheit meiner Freunde im Netz merke ich, dass sie eigentlich abwesend sind.
Alle rennen sie durchs Internet und schreien Botschaften, wild durcheinander, und keiner hört zu und alle Botschaften, alle Parolen, all diese klugen, sensiblen Gedanken verhallen irgendwo zwischen den vielen Baumstämmen. Hier eine Liste der aktuellsten Eintragungen vom 30.12., dem vorletzten Tag dieses ereignisreichen Jahres 2008:

- Violet fährt nach Paris
- Eva misses David badly
- Alex hört sehr laut Jarvis Cocker
- Nora wurde von Scott genötigt, mit der S-Bahn nach Potsdam
zu fahren. What a nice experience
- Julia W. is off
- Julia F. bleibt
- Phillip besucht Oma
- Michèle is back in town
- Robby will immer noch einen MacBook white, 2,0GHz 2GB
Ram und 80GB Platte, 1J Restgarantie verkaufen...
- David geht zum Einwohnermeldeamt und wird wieder Wiener
- Eckhart needs a holiday
- Mia’s iPhone ist von den Toten auferstanden, obwohl nicht
Ostern ist
- Michael is looking forward to the annual civil war in Kreuzberg – bang!!!
- Monika can only express puzzlement that borders on alarm.
- Isabell started relaxing again cause she got used to it.
- Victoria is confused
- Arild gleder seg til å feire nyttårsaften i Hemsedal

Wissen Sie, was ich meine?