»Prince ist kein seltsamer Typ«

Die Soulsängerin Nikka Costa im Interview über ihren Patenonkel Frank Sinatra, Songs über den Irakkrieg und die vielen Vorurteile, die über Prince kursieren.

Foto: Concord Records


Nikka Costa, Sie waren ein echtes Wunderkind und haben schon 1981, mit acht, Ihre erste Platte aufgenommen. Wie kam es dazu?
Mein Vater war Musiker. Bei einem Auftritt in Italien hat er mich auf die Bühne geholt, um ein Lied zu singen. So hat sich das ergeben.

Seien Sie doch nicht so bescheiden: Ihr Vater Don Costa war ein ziemlich berühmter Musiker! Man kennt ihn vor allem wegen seiner langjährigen Zusammenarbeit mit Frank Sinatra. Hat er nicht sogar »My Way« arrangiert?
Hm, da müsste ich nachgucken. Aber er hat auf jeden Fall »New York, New York« arrangiert, »Strangers In The Night« und viele andere Hits von Sinatra.

Waren Sie als kleines Mädchen im Studio mit dabei?
Na klar. Ich bin zwischen den Notenständern rumgerannt oder habe Hausaufgaben gemacht, während mein Vater Aufnahmen geleitet hat. Es waren auch ständig Musiker bei uns zu Hause. Ich weiß noch, wie ich einmal im Bett lag und aufgewacht bin, weil unten jemand ziemlich laut Klavier gespielt hat. Ich bin runtergegangen und da saß ein Typ am Klavier, der knallrote Stretchhosen und ein Micky-Maus-T-Shirt trug; außerdem hatte er einen riesigem Afro! Ich habe gesagt, er solle leiser spielen, weil ich nicht schlafen könne. Das war Sly Stone.

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Auch Leute wie Quincy Jones, Sammy Davis Jr. und natürlich Sinatra habe ich oft gesehen als Kind. Sinatra war mein Patenonkel.

Ihre eigene Musik hat dennoch wenig vom Showjazz dieser Größen, sondern ist stark von Soul und Funk beeinflusst. Wann sind Sie zum ersten Mal dem Funk begegnet?
Ich weiß noch, wie mir diese eine Platte in die Hände gefallen ist, als ich in der Sammlung meiner Mutter rumgekramt habe: Auf dem Cover war ein Typ mit geflochtenen Haaren und einer Kutte zu sehen, der irgendwo im Sand saß – Talking Book von Stevie Wonder. Das Album hat mich umgehauen. Es ist einfach so funky und gleichzeitig so musikalisch. Ein großer Einfluss auf mich.

Prince soll ein Fan von ihnen sein. Stimmt das?
Er unterstützt mich. Ich durfte öfter in seinem Vorprogramm spielen und bin auch schon im Paisley Park Studio aufgetreten. Er hat mich im gesamten Gebäude herumgeführt und mir alles gezeigt. Das war ein bisschen surreal – und gleichzeitig sehr toll.

Er gilt als etwas seltsam.
Prince ist kein seltsamer Typ, im Gegenteil: Er ist sehr klug, sehr freundlich und ziemlich witzig. Aber was man bedenken muss: Er lebt 24 Stunden am Tag nur für seine Musik. Er hat einfach andere Prioritäten als andere Leute – das lässt ihn vielleicht manchmal etwas exzentrisch erscheinen.

2001 erschien ihr Major-Label-Debüt in den USA. Danach hatten Sie ziemlichen Ärger mit Virgin, ihrer Plattenfirma. Was war los?
Bei meiner zweiten Platte hatte die Firma schon den dritten neuen Boss. Wenn ein neuer Mann übernimmt, wechseln sie Leute aus und es kann Monate dauern, bis der Laden wieder läuft. Ich bin zwischen den Fronten geraten. Was soll man machen? Jeder Künstler, der schon eine Weile dabei ist, kann solche Geschichten erzählen; ich will also nicht rumjammern. Aber ich hatte den starken Drang, von dieser Firma wegzukommen.

Sie haben danach ihr eigenes Label gegründet: Go Funk Yourself Records. Ein Kommentar an dieser Geschichte?
Mein Sinn für Humor war schon immer ein bisschen eigenwillig.

Mit ihrem neuen Album kamen Sie in den Vertrieb des wiederbelebten Stax-Labels.
Wir waren schon beim Mix, als die Stax-Leute von meiner Platte Wind bekamen. Sie wollten sie unbedingt haben – und sie wollten auch nichts ändern, was ja oft ein Streitpunkt zwischen Künstler und Label ist. Ich denke, dass mein Album gut dorthin passt. Es ist ein Soulplatte. Das macht Sinn.

Seit dem Erfolg von Amy Winehouse gilt Soulmusik mit leichtem Retro-Flair als heißer Trend.
Ich denke, dass der Erfolg von Amy Winehouse die Plattenfirmen total überrascht hat. Jetzt kommt überall Musik raus, die so ähnlich klingt. Ich mache schon seit vielen Jahren Soul- und Funkmusik, und ich habe immer gesagt, dass diese Musik vielen Leuten gefällt, wenn man ihr nur eine Chance gibt. Ich stand in meiner kleinen Nische und habe das in die Welt hinausgebrüllt! Amy Winehouse hat bewiesen, dass ich recht hatte, deshalb sehe ich ihren Erfolg sehr positiv.

Glauben Sie, dass im Zuge dieser Entwicklung generell wieder mehr handgespielte Musik zu hören sein wird?
Weiß ich nicht. Die meiste Popmusik im Radio kommt weiterhin aus dem Computer. Aber ich persönlich habe viel mehr Spaß daran, im Studio mit Musikern zu arbeiten, die richtige Instrumente spielen. Es ist einfach echter. In mir drin bewegt sich mehr.

Auf Ihrem neuen Album Pebble To A Pearl ist auch ein Song über den Irak-Krieg.
Ich finde es etwas enttäuschend, dass sich dieses große Thema kaum in der Popmusik niederschlägt, sondern dass die Lieder weiterhin davon handeln, im Club abzuhängen und Spaß zu haben. Ich wollte nicht superpolitisch werden, das sollen andere machen, aber ich wollte das Thema unter einem Blickwinkel aufgreifen, der mich betrifft: Ich kann mich mit allen Müttern identifizieren, deren Kinder irgendwo kämpfen.

Trotz Politik haben Sie nicht den Funk aufgegeben!
Stimmt: You must always bring the funk – at all times!

Auf Ihrem Album ist dafür der Schlagzeuger James Gadson verantwortlich, der bereits in den Siebzigern auf etlichen legendären Funk-Alben gespielt hat, zum Beispiel von Bill Withers und Charles Wright.
Mein Produzent Justin hatte schon mit James Gadson zusammengearbeitet, so kamen wir auf ihn. Er ist ein toller Drummer und ein echt cooler Typ.

Im Frühjahr kommen Sie wahrscheinlich nach Deutschland. Wie sieht Ihre Show aus?
Ich habe eine siebenköpfige Band mit Bläsern. Live versuche ich, meine Songs auf eine andere Ebene zu heben, mit viel Energie – und jeder Menge Funk.