Das Beste aus meinem Leben

Reisen mit kleinen Kindern, das bedeutet: sich etwas einfallen zu lassen. Denn ein kleines Kind wie die Sophie interessiert sich nicht die Bohne für die barocke Schönheit des sizilianischen Städtchens Noto, die spannende Geschichte des Doms von Syrakus ist ihm schnuppe, und am Hera-Tempel in Agrigent hat es nur einen Gedanken – dass es nämlich gerne ein Eis hätte!Weil das so ist, haben wir gleich zu Beginn unserer Sizilien-Reise einen Ball gekauft, den wir immer mit uns tragen. Sobald Sophie Abwechslung benötigt, holen wir ihn hervor, den Ball. Und spielen. Wobei sich bald her-ausstellt, dass ein Ball nicht genug ist. Denn wir haben zwei Kinder, und wo ein Ball ist, da ist der Luis nie weit, er will kicken, kicken, kicken. Kaum berührt er aber den Ball, schreit die Sophie, es sei ihr Ball, der Luis dürfe ihn nicht einmal anschauen, und der Luis ruft, er wolle doch nur einen Moment spielen, die Sophie sei eine dumme Zicke, und die Sophie greint, sie sei keine Zicke, und der Luis wird wütend und schießt den Ball gegen eine Mauer, trifft aber die Mauer nicht, sondern schießt darüber, so dass der Ball einen tiefen Hang hinunterfällt, über eine Straße hopst, von den Felsen neben der Straße ins Meer rollt und weg ist. Da baut sich die Sophie vor dem Luis auf, hebt den Arm und schreit: »Wenn du das noch mal machst, verbiete ich dir heute Abend das Fernsehen.«Dies geschieht in Taormina, der hübschen Stadt am Meer. Wir kaufen dort, um das Problem zu lösen, zwei neue Bälle, lernen aber nur, dass wir es mit einem unlösbaren Problem zu tun haben. Denn Geschwister wollen sich streiten, ja, sie müssen sich anscheinend sogar streiten, es handelt sich um eine naturgegebene Notwendigkeit, und wenn es zwei Bälle gibt, dann streiten sie zum Beispiel darum, dass der rote Ball schöner ist als der weiße. Luis weigert sich ja sogar, aus der gleichen Flasche wie die Sophie zu trinken, weil sich an der Flaschenöffnung »Schwesternspucke« befinde, und »Schwesternspucke« sei die ekligste Substanz der Welt. Übrigens müsste man mal die Sehenswürdigkeiten Siziliens aus der Sicht eines kleinen Kindes auflisten. Der wunderschöne kleine Reit-Elefant auf der Piazza von Noto, auf dem man sich für 50 Cent ein paar Minuten durchrütteln lassen kann. Der Parco Giochi im englischen Garten von Palermo, der mehrere schöne kleine Karussells hat. Das Pistazieneis auf dem Domplatz von Syrakus. Solche Sachen. In Syrakus haben wir der Sophie übrigens einen gasgefüllten Luftballon in Form eines Fisches gekauft, den wir ihr am Handgelenk festbinden, ein seltsames Bild: ein großer gelber Fisch schwebt neben einem kleinen Mädchen durch die Stadt, und man stellt sich vor, wie es wäre, wenn es solche Tiere wirklich gäbe. Die man an einer Leine neben sich durch die Luft schweben lassen könnte! Statt immer nur Hunde neben sich am Boden spazieren zu führen!Jedenfalls, der Fisch. Er schwebt genau in Gesichtshöhe der Erwachsenen durch Syrakus. Einmal, als Sophie gerade ihr Pistazieneis schleckt, geschieht es, dass der Fisch auf nicht mehr zu klärende Weise seinen Kopf pistazieneiswärts bewegt, als habe auch er Appetit auf diese wunderbare Süßigkeit. Es gelingt ihm sogar, vom Eis zu naschen, und er hat einen großen Eisfleck am Maul, als er sich wieder erhebt.Wie wir uns dann so durch die Stadt bewegen, hastet plötzlich ein Mann vorbei und stößt so heftig mit der Schulter gegen den Fisch, dass der sich von Sophies Handgelenk losreißt. Ich eile noch herbei, bekomme ihn aber nicht mehr zu fassen – und der Fisch entschwebt in den Himmel über der Stadt, der Wind treibt ihn hinaus aufs Mittelmeer, ein Fisch hoch oben über dem Wasser, glücklich mit dem Verzehr eines Pistazieneises beschäftigt. Seltsamerweise ist es ein schöner Moment, diesen Fisch aufsteigen zu sehen, auch für Sophie, die ihm staunend nachblickt und keinen zweiten Fisch will. Wie übrigens auch Luis keinen möchte, denn solche Fische seien etwas für dumme kleine Schwestern, sagt er.

Illustration: Dirk Schmidt