Späte Sieger

Der Platz des Himmlischen Friedens: Vor 20 Jahren demonstrierten hier die Studentenführer Shen Tong, Li Lu und Wang Dan gegen das chinesische Regime. Heute leben Sie in den USA, zwei von ihnen als Millionäre. Die Geschichte dreier Idealisten, die gegen den Kommunismus kämpften und, jeder auf seine Weise, im Kapitalismus ankamen.

Panzer gegen Studenten: 2600 Menschen wurden im Juni 1989 in Peking durch das chinesische Militär getötet. (Foto: ap)
Shen Tong ist weit gekommen, aber er scheint nicht sicher zu sein, ob ihn das glücklich macht. Er steht am Fenster seiner Wohnung in SoHo und schaut den Autos zu, die wie Fische lautlos vorbeiziehen. Reich ist er geworden mit dem Internet, jenem Internet, das in China täglich 30 000 Polizisten kontrollieren, um dafür zu sorgen, dass jemand wie Shen Tong vergessen wird. Er war einer der Studentenführer, die 1989 von April bis Juni mit ihren Protesten die kommunistische Regierung herausforderten. Heute ist er Millionär.

Wang Dan hat schlechte Zähne. Kurz sind sie, diese Zähne, und flach, wie mit einer Feile ordentlich abgerieben, und braun sind sie, keiner ist länger als der andere, keiner ragt da heraus. Wang Dan sitzt in einem fensterlosen Raum in Chinatown und wartet. Es ist ein wichtiger Tag für ihn. Sein Geld verdient er mit Schreiben, sein Leben ist der Kampf gegen das Vergessen. Als die anderen Studentenführer wie Shen Tong schon in Amerika auf die Universität gingen, saß er in Peking in Einzelhaft. »Ich bin kein Revolutionär«, sagt Wang Dan, »ich habe das getan, was ich tun musste, weil ich mein Land liebe.« Als er das gesagt hat, was er schon so oft gesagt hat, versucht er ein Lächeln. Es schneidet sich wie ein Messer in sein weiches, jungenhaftes Gesicht. Wang Dan ist ein Idealist, über den die Zeit hinweggegangen ist.

Shen Tong wirkt heiter, er spricht schnell und flüssig und schaut einem direkt in die Augen, er trägt ein weißes Hemd und eine weiße Hose, er hat einen dichten Terminplan, aber er ist kein Mensch, der sich hetzen lässt. Er muss eine wichtige Konferenz vorbereiten, alle werden da sein, die ganze Branche, und seine Firma VFinity ist mittlerweile ziemlich wichtig im Internetgeschäft. Software bietet sie an, unter anderem für amerikanische Fernsehsender und 2008 auch für die Olympischen Spiele in
Peking. 2000 gründete Shen Tong VFinity, sein Erfolg ist eine doppelte Impfung gegen die Vergangenheit und auch eine Befreiung von sich selbst.

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Es war eine warme, wunderbare, schreckliche Nacht, so wie es viele warme, wunderbare, schreckliche Nächte gab in dieser »stolzen Zeit«, das sagten sie immer wieder, die Studenten, die zum Platz des Himmlischen Friedens kamen und hungerten und diskutierten und feierten und lachten, sie waren ja erst zwanzig, sie waren ja wie Kinder, denen man so lange verboten hatte zu feiern, zu lachen und sogar zu lieben.

Aber etwas spürten sie, etwas hing über ihnen an diesem Abend, selbst wenn keine Helikopter kreisten, wie böse Vögel, die jederzeit auf sie herabstoßen konnten. Sie hatten es doch selbst in ihren Testamenten aufgeschrieben. »Auch wenn unsere Schultern weich sind und schwach, auch wenn der Tod uns zu schwer scheint, wir sind bereit, wenn die Geschichte uns ruft, wir haben keine andere Wahl als zu sterben.«


Als es dann passierte, konnten sie es trotzdem nicht glauben, dass die Soldaten dort auf sie schossen, dass sie Menschen überrollten, dass sie töteten. Shen Tong stand an einer Kreuzung mit einer Gruppe von Studenten. Ein Freund zog ihn an der Schulter zur Seite, ein Schuss fiel, die Frau hinter ihm sank zusammen. Shen Tong weiß bis heute nicht, was mit der Frau geschah, die in der Nacht des 4. Juni 1989 die Kugel traf, die für ihn bestimmt gewesen war.

Wang Dan ist nervös. »Wie sehe ich aus?«, fragt er und zupft an seiner Krawatte. Noch ist niemand da. Dreimal war Wang Dan für den Friedensnobelpreis nominiert. 1989 war er der meistgesuchte Student Chinas. Heute sieht er aus wie ein Student, der sich als Politiker ausgibt. Er trägt einen schwarzen Anzug, der ihn jünger wirken lässt, der ihn schwitzen lässt. Es ist heiß in New York, und im Vorraum des Community Center in Chinatown gibt es keine Klimaanlage.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: Er sah aus wie ein Star, er trug ein weißes T-Shirt, seine Arme wirkten muskulös, die Frau an seiner Seite war hübsch und trug ein mintfarbenes Kleid.)

Auf der Straße steht ein Schild, das eine Altenversammlung ankündigt und nicht die Pressekonferenz, die die Welt an das Massaker in der Nacht des 4. Juni 1989 erinnern soll, als 2600 Menschen getötet wurden und viele mehr verhaftet und die Träume einer ganzen Generation vernichtet. Vier Journalisten und acht Kameras sind schließlich da, zehn Männer und eine Frau sitzen auf dem Podium, alle haben dunkle Anzüge an und sehen so aus, als hätten sie schon lange nicht mehr gelächelt.

Wang Dan, der nicht von der Idee der Demokratie lassen kann, sagt, dass die Tage im April und Mai 1989 die glorreichsten waren der chinesischen Geschichte. Er schaut den Mann an, der neben ihm sitzt, aber der starrt nur nach vorne.

Li Lu lachte. Es war sein Frühling, es war sein Moment, das wusste er, als er von den 50 000 Studenten hörte, die sich am 22. April 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens versammelt hatten, um Hu Jaobang zu ehren, den verstoßenen Parteichef, der vor ein paar Tagen gestorben war und ihnen ein Erbe hinterlassen hatte, das die Studenten so spröde wie naiv »demokratische Reformen« nannten.

Li Lu stieg in den nächsten Zug, der ihn von Nanking in die Hauptstadt brachte, er hatte nur eine Unterhose dabei zum Wechseln. Seine Eltern waren Intellektuelle gewesen, Kapitalisten, Feinde und waren im Arbeitslager verschwunden. Er war zu einer Bauernfamilie gebracht worden, die ihn nicht mochte, dann in ein Waisenhaus, da war er drei. Die Familie, die ihn schließlich aufgenommen hatte, war 1976 beim großen Erdbeben von Tangshan gestorben, mehr als 600 000 Tote soll es gegeben haben, seinen kleinen Adoptivbruder hatte er selbst aus den Trümmern gezogen, er hatte immer gesagt, dass er ihn beschützen würde.

Li Lu war ein Kind der Kulturrevolution, mit all den Schrecken, wie auch Wang Dan und Shen Tong und all die anderen hier auf dem Platz, in der Sonne, müde und erregt, wie sie waren. Tausende traten am 13. Mai in den Hungerstreik, Millionen demonstrierten am 17. Mai im ganzen Land, jetzt herrschte Kriegsrecht. Die Stimmung war schlecht, deshalb lachte Li Lu. Er sah aus wie ein Star, er trug ein weißes T-Shirt, seine Arme wirkten muskulös, die Frau an seiner Seite war hübsch und trug ein mintfarbenes Kleid. Er hatte ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht, aus einer Laune heraus. Er hielt ein Glas Sekt in der Hand. Später ging er mit ihr in ein Zelt, er war noch nie mit einer Frau allein gewesen, aber als sie sich ausziehen wollten, kam ein Student und holte Li Lu, sie brauchten ihn für eine Sitzung. Er schickte seine Braut nach Hause. Er sah sie nie wieder.

Wang Dan hat sich entschieden, Chinesisch zu sprechen. Er sitzt ganz links und schaut die anderen zehn traurigen, trotzigen Dissidenten von der Seite an. Dann steht er auf und bleibt stehen, bis die Pressekonferenz vorbei ist. Seine Augen sind nach innen gerichtet, seine Worte an die Heimat. »Die Toten sind die wahren Helden, wir werden sie nicht vergessen. Die Chinesen sind ein Volk voller Würde, unsere Proteste haben das gezeigt. Aber der wirtschaftliche Erfolg hat alles in den Schatten gestellt, die Korruption regiert und die moralischen Standards der Menschen sind gesunken.«

Wang Dans Stimme ist monoton. Er ist ein Sprecher ohne Sprache, er hat das große Drama seiner Generation und kann es nicht kommunizieren. »Wir stehen hier stolz, wir haben nicht aufgegeben.« Nach ihm sprechen noch ein paar andere Dissidenten, sie stellen an diesem 27. April ein Weißbuch vor, in dem beschrieben steht, was in China heute niemand wissen will. Die Dissidenten von Chinatown fordern die Menschen in aller Welt auf, im Gedenken an die Toten am 4. Juni 2009 Weiß zu tragen, die Farbe der Trauer, ein Zeichen des Protests. Dann stehen sie auf und fassen sich an den Händen, die sie in die Höhe reißen, es sieht aus, als
ob sie gemeinsam ertrinken.

Wang Dan spricht nach der Pressekonferenz noch mit ein paar Journalisten. Sein Englisch ist stockend, obwohl er in Harvard seinen Doktor gemacht hat. Er wirkt fremd, selbst unter Freunden.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: »Ich hatte Glück«, sagt er, »ich war bekannt und wurde nicht gefoltert, dazu war die chinesische Regierung viel zu schlau.«)

»Er will das so«, sagt Shen Tong, der Unternehmer. »Wang Dan will sich nicht in den amerikanischen Mainstream einfügen, er kann nicht anders.« Shen Tong hat schmale Hände. Er war der erste Student, dem die Flucht gelang, am 11. Juni 1989 kam Shen Tong in Amerika an.

Am 14. Juli starb in China sein Vater, ein Professor für nordkoreanische Literatur. »Er hasste seinen Job«, sagt Shen Tong, »er hasste die Sprache, er hasste sein Leben, aber die Partei hatte so entschieden, und er glaubte an die Partei. Diese Generation glaubte noch an die Partei.« Sein Blackberry liegt neben ihm, aber es klingelt nicht.

»Wir haben einen hohen Preis bezahlt«, sagt er, »aber wenn man jung ist, dann ist es nur eine feine Grenze zwischen Mut und Dummheit. Ein paar von uns versuchten verantwortlich zu sein. Ich wusste, dass die Partei das nicht dulden würde. Was ich nicht ahnte, was keiner ahnte, das war, wie blutig es enden würde.« 1989 wählte Newsweek Shen Tong zu einem der »Menschen des Jahres«. Er studierte Biologie, später Politische Philosophie in Harvard, er gründete die Stiftung »Democracy for China« und fuhr 1992 zurück in die Heimat, wo er sechs Wochen in Haft saß und erst freigelassen wurde, als 74 US-Senatoren und auch das deutsche Außenministerium bei der chinesischen Regierung protestierten.

Die Menschen, die er in China getroffen hat, sind nicht so leicht davongekommen. Shen Tong wurde nach seiner Rückkehr von manchen Dissidenten kritisiert, er hätte wissen müssen, sagen sie, in welche Schwierigkeiten er andere bringt. Er schüttelt den Kopf und schaut kurz auf sein Blackberry. »Ich war müde«, sagt Wang Dan, als die Journalisten gegangen sind. »Das Land zu verlassen war für mich keine Wahl. Ich kann China nicht im Stich lassen.«

Seine Eltern sind Intellektuelle, so wie er. Er schreibt Gedichte und hat einmal davon geträumt, Präsident der Universität von Peking zu sein. In der Nacht des Massakers war er nicht auf dem Platz des Himmlischen Friedens, zum ersten Mal seit April. Er floh in den Süden, wie so viele, aber er war einer der wenigen, die nach ein paar Tagen zurückkehrten. Er wurde noch auf der Straße verhaftet. Insgesamt acht Jahre saß Wang Dan im Gefängnis, 1998 wurde er in die USA abgeschoben. Seitdem ist er staatenlos, seine Heimat hat er nicht mehr gesehen. »Ich hatte Glück«, sagt er, »ich war bekannt und wurde nicht gefoltert, dazu war die chinesische Regierung viel zu schlau.«

»Ich bin nie zufrieden mit mir«, sagt Shen Tong und macht eine Pause und erzählt dann von seiner Mutter, die er wegen ihres Pragmatismus bewundert, erzählt von seiner Erziehung und den revolutionären Helden, die seine Kindheit bevölkerten: »Alles war hart. Die Helden waren hart, wir waren hart, wir mussten im Winter morgens eiskalt duschen und bei Dunkelheit aufstehen, um zu joggen. Wir sangen sogar harte Kinderlieder, die von nationalistischen Soldaten handelten, die wir in Flüssen versenkten, und von Japanern, denen wir die Köpfe abschnitten.«

Shen Tong gehörte 1989 zu den Dissidenten, die gebremst und gewarnt haben. Nach seiner Rückkehr aus der chinesischen Haft 1992 fühlte er sich von seinen Mitstreitern verraten. Dann ließ ihn sein Doktorvater fallen. 2000 entschied er, dass Politik nicht mehr sein Leben ist. Damals saß er in New Orleans in einem Jazzclub. Er fühlte sich leer und deprimiert, er trank ein paar Biere und wettete mit einem Freund: »In sieben Jahren werde ich ein erfolgreicher Geschäftsmann sein.«

Es gibt ein Foto von Li Lu, das zeigt ihn beim Golfen, er lächelt und winkt in die Kamera. Sonst gibt es heute fast nichts mehr, was der Millionär Li Lu preisgibt. 1990 veröffentlichte er seine Memoiren Moving the Mountain. Er war der erste Student, der an der Columbia University gleichzeitig drei Abschlüsse machte, in Volks- und Betriebswirtschaft und in Jura.

1997 gründete er den Hedgefonds Himalaya Capital, der vor allem in Technologiefirmen investiert. Heute ist Himalaya Capital eine sehr, sehr verschlossene Firma in New York, die Li Lu sehr, sehr reich gemacht hat. Die Dissidentenbewegung unterstützt er mit Geld, aber er gibt keine Interviews mehr. Im Mai 1989 war sein Gesicht offen und rund, er war der Stellvertreter von Chai Ling, die den Hungerstreik organisierte, die wohl entscheidende Aktion der Proteste. Danach gab es kein Zurück mehr, für beide Seiten.

Radikal, entschieden, fast spirituell war Chai Ling damals. Heute spricht auch sie nicht mehr über diese Zeit, heute ist auch sie Millionärin, sie hat die Internetfirma Jenzabar in Boston gegründet, sie lebt ihren Traum, könnte man sagen, nur ist es ein anderer als 1989, was viele von damals verwirrt oder verärgert.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite: »Nur wenn das Blut in Strömen fließt, werden dem chinesischen Volk die Augen aufgehen, dann wird es sich zusammenschließen.«)

Die Spaltungen und Spannungen der Dissidenten begannen schon auf dem Platz des Himmlischen Friedens und drehten sich fast immer um die Frage, wie weit man die Regierung reizen darf. Chai Ling sagte damals: »Die Studenten fragen andauernd, was tun wir als Nächstes, was können wir erreichen? Ich fühle mich sehr deprimiert, denn wie kann ich ihnen sagen, dass wir im Grunde auf ein Blutbad hoffen, auf den Moment, in dem die Regierung keine andere Wahl mehr hat, als uns einfach abzuschlachten? Nur wenn das Blut in Strömen fließt, werden dem chinesischen Volk die Augen aufgehen, dann wird es sich zusammenschließen.«

Li Lu organisierte die Versorgung von bis zu 200 000 Studenten, 100 000 Dollar am Tag brauchten sie, das Geld kam von einfachen Leuten und aus Hongkong. »Ich wusste, dass wir nicht gewinnen können«, hat er einmal gesagt, »ich lebe heute mit dem Gefühl, dass ich versagt habe, dass meine Fähigkeiten nicht gut genug waren, ich weiß nicht, wie ich damit leben kann, dass so viele für diesen Traum gestorben sind und wir immer noch am Leben sind.«

In dem Aquarium schwimmt nur ein einziger Fisch, aber Wang Dan schaut nicht hin, er schaut mal wieder nach innen. Er spricht stockend, wie am Tag zuvor, bei der Pressekonferenz in Chinatown. Jetzt sitzt er in einem dunklen Hinterzimmer in Queens, es ist die Redaktion der Zeitschrift Beijing Spring, zwei Zimmer, vier Redakteure, eine Tischtennisplatte. Vor ihm auf dem Schreibtisch liegt eine japanische Zeitung, das Foto mit den Dissidenten, die aussehen, als ob sie ertrinken, haben sie auf einer hinteren Seite gebracht, immerhin.

»Den meisten Menschen in China ist die Demokratie egal«, sagt Wang Dan. Wang Dan war gerade ein halbes Jahr in Oxford, als visiting scholar, jetzt lebt er in Los Angeles, »in Harvard habe ich gelitten, so viel Schnee im Winter«, sagt er. Er schüttelt den Kopf, »Ich kann das der jungen Generation nicht vorwerfen«, sagt er, »aber es macht mich schon traurig.«

Beijing Coma
heißt ein Roman, der im Herbst auch auf Deutsch erscheint, Ma Jian heißt der Autor, der die aufregenden Tage von 1989 beschreibt und die gesellschaftliche Amnesie von heute. Das Koma, das Vergessen hat auch die Politik ergriffen. »Hillary Clinton«, sagt Wang Dan und ist zum ersten Mal richtig sauer, »fährt für Barack Obama nach China und stellt sich hin und sagt, das Thema Menschenrechte, das habe ich doch schon vor vielen Jahren angesprochen, das reicht dann wohl.«

Als Wang Dan sich neulich von einem chinesischen Studenten einen Schirm ausleihen wollte, sagte der, du bist doch Wang Dan, dir leihe ich meinen Schirm nicht. Er dreht eine Büroklammer in der Hand hin und her. »In den nächsten fünf Jahren wird es zu neuen Protesten kommen«, sagt er, »aus der Geschichte habe ich gelernt, optimistisch zu sein.« Fühlt er sich fair behandelt? Er schweigt lange. Dann sagt er: »Ich bin glücklicher als zum Beispiel Shen Tong, weil ich kein Talent und auch kein Interesse habe, in die Wirtschaft zu gehen.«

Shen Tong erzählt von dem Bild, dem berühmten Bild von dem einen Mann, der sich einer ganzen Panzerkolonne entgegenstellt. Es ist nicht klar, sagt er, ob der Mann überlebt hat. Klar ist aber, dass der Name erfunden war, den ihm westliche Zeitungen gegeben haben. Heute weiß nur jeder zwanzigste junge Chinese überhaupt, was dieses Bild bedeutet, wovon es erzählt.

»Der Wandel im Land muss von innen kommen«, sagt Shen Tong. Zwei kleine Kinder hat er. Sie laufen durch die große Wohnung am Broadway, das Mädchen versteckt sich hinter einer Säule. »15 Jahre«, sagt er, »15 Jahre hatte ich jede Nacht Albträume. Grausame Albträume. Entweder wurde ich ermordet oder Freunde von mir, immer in Zeitlupe, Messer, Gewehre, das Blut spritzte nur so.« Dann wurde seine Tochter Yanyan geboren, und die Albträume hörten auf.