Das Beste aus meinem Leben

Gelegentlich überkommen mich, was das Fernsehen angeht, nachgerade alttestamentarische Zornesanfälle. Ich möchte mich dann erheben, den Fernseher packen, ihn schwankend durch die Wohnung tragen wie einen riesigen Fels und durch das geöffnete (notfalls auch, warum nicht?) das geschlossene Fenster auf die Straße werfen. Ihn dort zersplittern und explodieren sehen.Ende. Nie wieder Fernsehen.Seit der Spiegel vor einigen Wochen mit einer Titelgeschichte über die entsetzlichen Folgen des Fernsehens bei Kindern erschien, konnte man ja nirgendwo mehr unter Eltern sitzen, ohne dass einer von der Zerstörung der Kinderhirne durch das Fernsehen an-fing: als ob wir das nicht schon längst gewusst hätten! Ich sage: Wir sind doch nur zu feige, endlich die Konsequenzen daraus zu ziehen. Uns zu erheben und in einer gemeinsamen, wunderbaren, bundesweiten Aktion eines Tages alle unsere Fernseher aus unseren Fenstern…Die Wutanfälle überkommen mich an herrlichen Sommerabenden, wenn Luis, statt mit mir einen Ausflug mit dem Radl zu machen, irgend etwas im Fernsehen anschauen will. Wenn die kleine Sophie bereits morgens um acht eine Folge Teletubbies zu betrachten begehrt. Wenn Luis Deutschland sucht den Superstar oder dergleichen sehen möchte und ich wieder einmal erklären muss, dass…Ach, ich mag nicht einmal mehr darüber reden.Paola habe ich kürzlich wieder einmal die bei Tim Parks, dem Schriftsteller, gelesene These vorgetragen, wonach das Fernsehen das Lager- beziehungsweise das Kaminfeuer ersetzt. Dass es also auf den Inhalt des Programmes nicht ankommt, nur darauf, dass sich Licht flimmernd-flackernd bewegt.»Und man kann ja nicht wegschauen, wenn ein Feuer brennt«, sagt sie. »Man ist wie gebannt und starrt immer wieder in die Flammen, die uralte Faszination des Feuers.«Gab es nicht einmal jemanden, der eine DVD auf den Markt gebracht hat, auf der nichts zu sehen war als ein flackerndes Feuer?»Aber ist es nicht eine unglaubliche Gemeinheit, dass man so etwas erfunden hat?«, fragt Paola. »Eine Sache, der man sich kaum entziehen kann, schon gar nicht als Kind? Wer ein Feuer anschaut, schaut einfach nur ein Feuer an. Aber wer fernsieht, dessen Hirn und Seele werden mit Inhalt gefüllt. Es ist infam. Als ob jemand ohne ein bestimmtes Lebensmittel nicht leben kann. Aber genau diesem Lebensmittel mischt jemand anders einen Stoff bei, der ihn zu einem anderen Menschen macht, mit dessen Hilfe man ihn manipulieren und lenken kann.«»Warum schaffen wir den Fernseher nicht sofort ab?!«, rief ich und ging schon auf den Apparat zu, um ihn zu packen, schwankend durch die Wohnung zu tragen und…»Weil wir zu bequem sind?«»Weil wir das Wehklagen der Kinder nicht aushalten würden?«»Weil wir ab und zu selbst etwas sehen wollen?«Ob es nicht vielleicht eine schöne, verwirklichenswerte Idee sei, dachte ich noch, schon wieder resigniert, den Fernseher nicht aus dem Fenster zu werfen, sondern anzuzünden und seiner langsamen Aschewerdung gebannt zuzusehen?

Illustration: Dirk Schmidt