Argumente? Wen kümmern Argumente?

Wer den Klimawandel bekämpfen will, muss die Menschen nicht überzeugen, sondern erziehen: zu Eitelkeit und Neid.

Der Mensch wird zwar immer älter, aber zum Überleben ist und bleibt er zu dumm. In der Geschichte der Menschheit gibt es etliche Beispiele für Hochkulturen, die ausstarben, weil es ihnen nicht gelang, ihre Gewohnheiten zu ändern. Die Bewohner der Osterinseln holzten den Wald, ihre Lebensgrundlage, bis auf die letzte Palme ab; die normannischen Siedler auf Grönland bauten erst 500 Jahre lang eine funktionierende Gesellschaft auf, weigerten sich aber, ihre Ernährung auf Fisch umzustellen, als nicht mehr genug Vieh vorhanden war – und starben aus.

»Wie kann man nur so blöd sein?«, fragen wir uns da – und steigen in den Golf oder den Billigflieger, hauen ein Steak in die Pfanne oder zünden ein Feuer im Kamin an: Gut möglich, dass zukünftige Generationen sich fragen werden, wie diese hoch entwickelte Zivilisation des 21. Jahrhunderts – ja, das sind wir – es fertiggebracht hat, sich selbst auszurotten. Es gibt zwingende Gründe, unseren Lebensstil zu ändern, aber gut genug sind sie uns trotzdem nie. Wir wissen, da tickt eine Zeitbombe, aber wir spüren die Gefahr nicht, dafür ist sie zu abstrakt, zu weit weg. Teils leugnen wir tatkräftig (»Der Klimawandel ist eine Erfindung von Ökofaschisten«), teils nur passiv (»Was bringt es, wenn ich meinen Müll trenne und die Chinesen gleichzeitig die Luft verpesten?«) – das Ergebnis ist das Gleiche.

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Wir haben Fakten, Beweise, Beispiele – und verdrängen sie. Fast neunzig Prozent der Europäer halten den Klimawandel für eines der drängendsten Probleme der Welt, trotzdem wurden die Pro-Kopf-Emissionen von Privathaushalten in den letzten Jahren kaum gesenkt.

Sollen wir wirklich verinnerlichen, dass Klimaschutz notwendig ist, sollte man uns besser manipulieren als aufklären, dazu hat die American Psychological Association (APA) gerade eine Studie veröffentlicht. Sie erklärt, wie durch ein paar Tricks jeder von uns zum Klimaschützer gemacht werden kann, indem unser Hang zu Eitelkeit, Neid und Selbstdarstellung angestachelt wird. Anders gesagt: Wir tun alles, um die Umwelt zu schützen, solange wir es nicht merken und dabei gut aussehen. Junge Menschen reagieren nun mal eher auf Lifestyle-Argumente als auf Ökomoral.

Fuhren früher ausschließlich Kuriere und Germanistik-Studenten mit dem Fahrrad durch die Stadt, radeln heute auch Investmentbanker ins Büro. Und alles nur, weil sich in New York und London ein skurriler Trend, eine regelrechte Mode entwickelt hat: alte Rennräder und »Fixed Gears«, Räder ohne Bremse mit nur einem Gang. Und weil wir Trends gern hinterherrennen, hat das Fahrrad in den letzten Jahren einen enormen Statusschub erfahren: Stilbewusste Städter zwischen dreißig und vierzig verzichten aufs Auto, fühlen sich gut und verhalten sich ganz nebenbei umweltfreundlich.

(Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie das Prinzip der sozialen Kontrolle zu einem regelrechten Öko-Wettkampf ausgebaut werden kann.)

Mit dem gleichen Prinzip arbeitet die Schauspielerin Rachel McAdams bei ihrem Öko-Blog namens greenissexy.org, wo sie lieber die Eitelkeit ihrer Leser reizt, als sie zu ermahnen oder durch Argumente zu überzeugen: Von einem Rasierschaum, der umweltschädliche Stoffe enthält, kann man ja auch abraten, weil er die Haut austrocknet und spröde macht. Zum Glück sind wir alle zuverlässig eitel und konformistisch.

Weil wir uns außerdem gern mit guten Taten brüsten und dafür gelobt werden möchten, kann es auch hilfreich sein, mit dem Prinzip von »Bestrafung« und »Belohnung« zu arbeiten: Der Autohersteller Honda hat in seinem neuen Hybrid-modell eine kleine Leuchttrophäe angebracht, die aufmunternd blinkt, wenn energiesparend gefahren wird. Der Fahrer kann wie in einem Videospiel immer wieder gegen sich selbst antreten, um seinen Rekord zu unterbieten.

In einem Dorf oder einer Kleinstadt kann das Prinzip der sozialen Kontrolle zu einem regelrechten Öko-Wettkampf ausgebaut werden, bei dem einer mit Sicherheit immer gewinnt: die Umwelt. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Menschen ihren Energieverbrauch sofort reduzieren, wenn ihnen gesagt wird, dass die Nachbarn etwas sparsamer sind. In einem Versuch wurde jedem Haushalt einer Gemeinde mitgeteilt, wie viel Strom die Nachbarn verbrauchen. Ergebnis: Menschen, die sonst viel Strom verbrauchten, drosselten ihren Konsum, Menschen, die bisher sparsam gewesen waren, steigerten ihn.

Wurden die jeweiligen Ergebnisse auf dem Bilanzbogen mit einem lachenden Smiley für gute Werte und einem weinenden für schlechte versehen, pendelte sich der Konsum auf einen durchschnittlich niedrigeren Wert ein. Es ist ein bisschen wie in der Schule – Wettbewerb, Wissensdurst und der Hunger nach Anerkennung müssen nur richtig stimuliert werden, schon verbessern sich die Noten. Und wenn wir schon in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook freiwillig intimste Details preisgeben, warum nicht auch unsere Ökobilanz ins Netz stellen, um ein bisschen damit zu prahlen?

An der Oberlin University in den USA wird gerade versucht, eine Netzwerkapplikation zu entwickeln, mit der Leute ihren Energieverbrauch auf ihren Facebook-Seiten dokumentieren können. Freunde vergleichen und spornen sich an – Umweltbewusstsein wird zu einer Status- statt zu einer Haltungsfrage. Ein Team der Carnegie Mellon University in Pittsburgh arbeitet daran, das Tamagotchi – das virtuelle Haustier aus den Neunzigern – neu aufzulegen.

Als Eisbär, der auf einer Eisscholle steht, die größer und größer wird, je umweltbewusster sich der »Halter« ernährt und verhält. Klingt absurd, kann aber funktionieren, wenn man sich daran erinnert, wie umsichtig Millionen von Menschen ihr virtuelles Haustierchen damals umhätschelten. Es ist nicht ideal, aber längst notwendig, dass wir das Richtige aus den falschen Gründen tun – für alles andere fehlt die Zeit.

Meredith Haaf weiß: Einsicht ist nicht alles, gehört aber dazu. Deswegen empfiehlt sie das Buch Deep Economy. The Wealth of Communities and the Durable Future von Bill McKibben. Es enthält überzeugende Vorschläge, wie unsere Wirtschaft klimafreundlicher werden kann.

Illustration: Eva Hillreiner