Schwarzbraun soll mein Mädel sein

Blondinen werden nicht länger bevorzugt. Der neue Lieblings-Frauentyp von Prinzen und Milliardären ist edel, scheu und brünett: das Mahagoni-Mädchen.

Ein hübsches Phänomen lässt sich aktuell beobachten: Es hat lange braune Haare und steht auffallend oft mit den reichsten und mächtigsten Männern der Welt vor dem Traualtar. An der Seite von Königssöhnen, Milliardären und Oligarchen, die eigentlich für blonde, sexy Schönheiten reserviert war, taucht immer öfter dieser Typ Frau auf: Ihre brünetten Haare fallen über ihre Schultern, als hätte sie noch nie ein Spritzer Haarspray belästigt, und ihre wachen Augen strahlen in Yves-Klein-Blau oder Eduard-Meier-Stiefel-Braun aus ihrem zerbrechlich wirkenden Teint heraus. Frauen, die aussehen, als hätten sie ein paar Semester Literatur in Schottland studiert und auch etwas Ahnung von Weltpolitik, Rotweinen und Gartenbau.

Sie pflegen einen leicht zurückhaltenden Kleidungsstil, verstehen sich hervorragend mit der Schwiegermutter und legen gern ihre Hand verständnisvoll auf den Arm ihres Gatten. Die neuen Begleiterscheinungen der Reichen und Mächtigen ähneln sich auffallend: Sie heißen Letizia von Spanien, Mary von Dänemark, Rania von Jordanien, Kate Middleton, Katie Holmes. Sogar eingefleischte Blond-Liebhaber sind umgeschwenkt: Roman Abramowitsch zum Beispiel, der seine platinblonde Irina für die feenhafte Daria Zhukova und gegen 300 Millionen Euro Scheidungsabfindung stehen ließ, oder Donald Trump, der vor dem Schneewittchen Melania Knauss mit Ivana, der Urmutter aller Blondinenwitze, verheiratet war. Und Flavio Briatore, ein Kenner aller Haut- und Haarfarben, entscheidet sich am Ende nun für die sanftäugige wie dunkelhaarige Elisabetta Gregoraci. Nennen wir diesen Typ Frau: die Mahagoni-Mädchen. Mahagoni-Mädchen sehen aus wie Menschen mit sehr guten Genen, die nie Probleme mit brüchigen Fingernägeln oder kariösen Zähnen zu haben scheinen. Sie sind sophisticated und wohlerzogen. Nie würden sie ihrem Mann ins Wort fallen – und wenn ihnen das aus Versehen doch einmal passiert, werden sie vor Schreck gleich magersüchtig (so wie Letizia von Spanien, als sie ihren Mann vor laufender Kamera unterbrach). Mahagoni-Mädchen wirken wie fleischgewordene Elly-Seidl-Pralinen: edel, süß, nicht übertrieben dekoriert und überaus teuer.

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Nun ist die Erkenntnis, dass sich brünette Frauen im Gegensatz zu blonden, schwarz- oder rothaarigen wegen ihrer weniger vorurteilsbeladenen Ausstrahlung als possierliche Lebensbegleiterinnen für die Gentlemen dieser Welt bestens eignen, keine neue: Schon die amerikanische Autorin Anita Loos ergänzte ihren 1926 erschienenen Bestseller Blondinnen bevorzugt zwei Jahres später mit dem (weniger erfolgreichen Titel) Gentlemen heiraten Brünette. Brünetten Frauen haftet kaum ein Klischee an, im Gegensatz zu den Blondinnen, denen man unterstellt, doof und sexbesessen zu sein, oder den Rothaarigen, die neben ihrem Beruf als Hexe in Teilzeit noch als Frauenbeauftragte oder CSU-Landrätin arbeiten.

Brünette wirken so rein wie eine Schultafel in den Sommerferien und überschatten ihren Ehemann nicht mit zu viel Aussage. Wenn ihnen überhaupt ein Klischee anhaftet, dann das des Seriösen und Gebildeten, wie uns zahlreiche Witze zu sagen versuchen: »Was ist eine Blondine zwischen zwei Brünetten? Eine Bildungslücke.« – »Wie nennt man eine Blondine, die sich das Haar brünett gefärbt hat? Künstliche Intelligenz.« Doch bei unseren Mahagoni-Mädchen hier geht es um weit mehr als schlicht um ihre braune Haarfarbe. Sie können als Vorreiterinnen eines neuen Frauentyps betrachtet werden – zeigen sie doch eine perfekte Mischung aus Natürlichkeit (offenes Haar, wenig Make-up) und Contenance (ordentliche Kleidung, kaum Schmuck), Stilsicherheit (nun gut, bis auf das Model Elisabetta Gregoraci) und kühlem Sexappeal (hier wiederum führt Elisabetta Gregoraci die Gruppe an).

Diese Mischung passt so gut wie keine andere in unsere Zeit: Denn das mode-ästhetische Empfinden bewegt sich weg vom Stringtanga zum Miederhöschen (welches schon überall bei H&M hängt), die Röcke fallen wieder übers Knie, an den Füßen trippeln Ballerinas – konservativ kann auch sexy sein. Die Trash-Ästhetik, die lange in der Mode ironisch überhöht wurde, ist endgültig vorbei. Jetzt wenden wir uns dem Klassischen zu, dem Wahren, Moralischen. Und das nicht nur in der Mode: Wie die Bekloppten gucken wir Kochsendungen, weil sie uns an Bodenständigkeit und zu Hause erinnern, wir nehmen Umwelt- und Klimaschutz ernst und leisten politische Anteilnahme, nicht nur, indem wir G8-Sampler und Darfur-T-Shirts kaufen.

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Der laute, sexy Look der Christina Aguileras und Paris Hiltons ist zum Unterschichten-Design verkommen, ein massenhaft ausgereiztes Frauenbild, in jedem Edeka zu erwerben: künstliche Fingernägel, Blondierungsmittel, Haarspray, Lipgloss. Die Oberschicht hat sich als Erstes dem Gegenteil zugewendet: der Natürlichkeit, die scheinbar ohne künstliche Codes auskommt, deren Inszenierung wohl am besten als »codierte Uncodiertheit« zu beschreiben ist. Heidi Klum hat mal gesagt, sich blond zu färben sei wie eine Glühbirne zu kaufen. Männer, die alles haben können, was laut und grell ist, sonnten sich früher im Licht der Glühbirnen. Doch nun haftet dem Blond der Touch von Künstlichkeit, von grimassenhaft überzeichneter Sexiness, von Schönheitsoperation an. Es beginnt die Suche nach tiefsinniger Schönheit. Im Märchen ist die Prinzessin blond, das Dorfmädchen dunkel, aber weise. Die Zeit der Dorfmädchen ist angebrochen: Keines unserer Mahagoni-Mädchen ist reich oder adelig geboren worden. Bevor die eingangs erwähnte Mary ihren Prinzessinnenjob bekam, hieß sie Donaldson mit Nachnamen und wollte in die Werbung, Letizia Rocasolano machte Karriere im Journalismus, und Rania Al-Yasin studierte Betriebswirtschaft.

Werden auch andere Alpha-Männer diesem Beispiel folgen und sich auf die einfachen, guten Dinge des Lebens zurückbesinnen? Auf Trüffel statt auf Gänsestopfleber? Werden bald ganze Heerscharen von Männern Hochschulbibliotheken nach Mahagoni-Wesen durchkämmen? Und was machen Frauen ohne Mahagoni-Gen? Färben sie ihr Haar dunkel, drapieren es auf den Schultern und blicken dabei lieb aus der Seidenbluse? Ein paar Damen der Gesellschaft haben es schon vorgemacht: Sarah Jessica Parker färbte sich schrittweise braun (»downlighten« nennt man das), Nicki Hilton streifte mit dem blonden Haar auch ihren üblen Ruf ab und Mary Kate Olsen ist, dunkel gefärbt, endlich nicht mehr nur Zwilling. Und seit Verena Kerth von Oliver Kahn mit einer Brünetten betrogen wurde, trägt auch sie ein freundliches Honigbraun. Bleibt abzuwarten, ob sich diese ästhetische Entwicklung auch im Verhalten der Frauen widerspiegeln wird: Denn entsprechend dem konservativen Vorbild, das Mahagoni-Mädchen verkörpern, müssten die künstlich dunkel gefärbten Damen liebend, treu, anhänglich und für immer verheiratet bleiben. Nicht nur, solange die Haarfarbe hält.

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Foto: Corbis/Stephane Cardinale