Stehlen

Erschreckend: Wer wissen will, wann Prominente ihre Villen verlassen, muss nur bei Twitter nachsehen, was sie gerade vorhaben und wann sie außer Haus sind. Wie viel Öffentlichkeit verträgt die Öffentlichkeit?

    Dies ist keine Aufforderung, in die Villa des prominenten Künstlers XXXXX einzubrechen. Sondern ein Beweis, wie das Internet inzwischen Dieben die Arbeit erleichtern kann. Mit Hacker-Methoden hätten wir noch viel mehr herausbekommen. Aber wir wollen ja nichts Ungesetzliches tun: Alle Informationen haben wir frei zugänglichen Quellen im Netz entnommen, von amtlichen Luftaufnahmen bis zu eigenen Zitaten des Künstlers. Um welchen Prominenten es sich handelt, muss unbekannt bleiben.

    Das Haus:

    XXXXXXXXXXXXXX heißt mit bürgerlichem Namen XXXXXXX XXXX. Seine Villa hat um die 1,3 Millionen gekostet, ist 610 Quadratmeter groß und liegt in XXXXX, einer gutbürgerlichen Gegend im Nordwesten XXXXXX (Der Künstler: »Es ist ein Prachtbau, o.k., ich nenne es aber lieber Haus, das hört sich bescheidener an.«) Gelber Fassadenanstrich, braunes Schieferdach, weiße Sprossenfenster, Zierweide im Vorgarten. Die örtliche Behörde für Stadtentwicklung hat Luftbilder des Anwesens ins Netz gestellt, mit einer Auflösung von zehn Prozent.

    Das Haus steht in der zweiten Reihe, hinter einem grauen Mehr-
    familienhaus. Ans Grundstück grenzt eine öffentliche Wiese. Eine mannshohe Mauer umgibt das Anwesen. Auf einem Foto sieht man Kippfenster in der obersten Etage offen stehen. An jeder Hausecke sind Bewegungsmelder angebracht. (Der Künstler: »Mein Bau ist von unten bis oben gesichert. Der ist meiner – da lasse ich keinen ran!«) Was drin ist:
    Vier Stockwerke – Pool und Sauna im Keller, Büro im Erdgeschoss, darüber das Wohnzimmer, ganz oben das Schlafzimmer. Armani-Bett. Im Schlafzimmer große Fensterfront mit Zugang zur Dachterrasse. Wertgegenstände im Haus: ein Armband mit Diamanten für 210 000 Euro. (Der Künstler: »Meine Klunker haben die höchste Kategorie. Ich habe schärfere Steine als mein großer Kollege XXXXX.«) Viele Möbel. (Der Künstler: »Selbst wenn ich doppelt so viele Möbel da reinschiebe – mein Haus hat immer ein Echo. So groß ist das.«) Im Carport steht ein weißer Mercedes CL 63 AMG (Kaufpreis rund 120 000 Euro), mit Vier-Rohr-Auspuff und extradicken Felgen.

    Lebensgewohnheiten:

    Im Frühjahr 2010 verbrachte er ein paar Wochen in XXXXXXX. Davor auf den XXXX-Inseln. Am 1. Mai tritt er in XXXXX auf, danach auch in XXXXXX und XXXXXXX. Bis zum 16. Mai ist er unterwegs. Wenn er zurückkehrt, wird er vermutlich bis mittags schlafen. Üblicherweise geht er dann ins Fitnessstudio oder trifft sich mit Kumpels, gern mit XXXXXX, im Café XXXXX. Beide Orte liegen etwa 40 Minuten Fahrt von seiner Wohnung entfernt. Bleibt er zu Hause, zockt er oft stundenlang beim Computerspiel World of Warcraft. Oder er spaziert mit seinen großen Hunden um den Block, »am liebsten nachts, wenn niemand auf der Straße ist«.

    Wer genau wissen will, wann sich XXXXXXX wo aufhält, kann dies verlässlich auf Twitter nachlesen. Allein im Februar 2010 benutzte er den Kurznachrichten-Dienst rund 40-mal, etwa so: »Hi leute, endlich ins bett, morgen früh düse ich nach wien« (XX. Februar). Oder: »gehe jetzt mit den jungs los sushi futtern« (XX. Februar). Auf der Webcam eines nahe gelegenen Forschungsinstituts lässt sich prüfen, wie bewölkt die Nacht ist. Und wer wissen will, welche Polizeidienststelle für das Viertel des Künstlers zuständig ist: Natürlich steht auch das im Netz.

    Meistgelesen diese Woche:

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    Benutzte Internetquellen:
    xxxxx-Stadtentwicklung.de
    xxxxxonline.de
    bing.com/maps
    answers.yahoo.com
    youtube.com
    viewmorepics.myspace.com
    vanityfair.de
    sueddeutsche.de
    bild.de
    twitter.com

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    Illustration: Christoph Niemann