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Der Erfolg des Internets liegt unter Anderem am Sex, findet unser Autor. Unter anderem. Oder doch vor allem?

Zu sagen, Sex habe das Internet erst groß gemacht, ist kein wirklich origineller Gedanke. Der Drang, wohlgeformte Vertreter der eigenen Spezies nackt oder zumindest halb nackt zu sehen, sich dadurch Lust zu verschaffen und Anregung für eigene Aktivitäten zu holen, die zumindest potenziell im Akt der Fortpflanzung münden – dieses uralte Hobby des Homo sapiens hat in der Geschichte ja weiß Gott schon viel mehr bewirkt. Unter anderem hat es die Menschheit selbst erst groß gemacht: Von ein paar wenigen Höhlenbewohnern sind wir auf eine Zahl von fast sieben Milliarden angewachsen. Möglich war das – da hilft alles Schönreden nichts – vor allem durch Sex.

Die Sache mit dem Sex und dem Internet stimmt aber natürlich trotzdem. Wie sich Menschen mit speziellen Interessen in der Onlinewelt zusammenfinden, wie sie Informationen oder Schweinereien austauschen oder ein Rendezvous vereinbaren, Daten schnell von einem Ort zum anderen transferieren und dafür sogar Geld bezahlen – all das haben Sex-Newsgroups, erotische Dienstleister und Porno-Webseiten als Erstes vorgeführt. Es gab da diesen starken, nun ja, Trieb, die Dinge in den Griff zu kriegen. Techniker im Auftrag der Sexindustrie haben vieles entwickelt, was wir heute überall nutzen. Sie haben den Computersystemen die Kinderkrankheiten ausgetrieben und ihr Wissen anschließend dem sauberen Mainstream zur Verfügung gestellt. Insofern ist es doch ein bedeutsamer Moment, wenn die Firma Apple, die derzeit die brillantesten Techniker beschäftigt und die avanciertesten Produkte auf den Markt wirft, gleichzeitig sagt: No sex please. Denn auf dem iPhone oder dem iPad laufen nur solche Apps, die von Apple kontrolliert und freigegeben wurden. Dabei herrscht strenge Prüderie – selbst dem Pin-up-Girl der Bild-Zeitung müssen die Brustwarzen wegretuschiert werden, bevor es aufs iPhone darf.

Hieß es in der Welt des Internets bisher »We innovate, you masturbate« (Slogan der Pornotechnikfirma Pink Visual), so tut sich hier ein historisches Schisma auf. Das Netz ist dabei, sich aufzuspalten: in einen glänzend polierten, hochgestylten, garantiert jugendfreien Apple-Bereich, in dem strikte Bevormundung herrscht – und in einen unzensierten Außenraum, in dem die Geräte aber leider viel uncooler und hässlicher aussehen.

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Wer sich in diesem Clash der Weltanschauungen auf Dauer durchsetzen wird? Wenn wir uns die Geschichte der Menschheit so anschauen, insbesondere unter dem Stichpunkt Reproduktion, dann hätten wir da schon so eine Idee.