Völlig verbohrt

Der Golf von Mexiko ist nur der Anfang: Wenn es um Öl geht, graben die Amerikaner sich sogar durch ihre Vorgärten - zum Beispiel in Los Angeles.


Sie sind Teil der Ikonografie des 20. Jahrhunderts. Sie sind von einer gewissen Brutalität und Bedrohungskraft. Sie sehen aus wie Tiere aus Metall, Heuschrecken vielleicht, die ihre Beine spreizen und die Erde aussaugen. Es sind kleine Bohrtürme, sie stehen im Vorgarten neben der amerikanischen Flagge, sie stehen neben einem Parkplatz, sie stehen hinter dem Haus, und all das bunte Kinderspielzeug, das drum herum liegt, ist aus jenem Plastik, das man nur bekommt, wenn man nach Öl bohrt. Nicht in der tiefen See, wie sie es im Golf von Mexiko versucht haben; nicht in Alaska mitten im Naturschutzgebiet – in Los Angeles machen sie es einfach im Garten, zwischen den Häusern, am Strand: Es sind nicht Privatpersonen, die hier ihren Ölvorrat aufstocken, es sind Firmen wie Breitburn Energy, von zwei Stanford-Studenten gegründet, die alte Bohrlizenzen aufkauften und 1988 mit den Bohrungen begannen. In Los Angeles, schreibt der Branchendienst Bloomberg, sind die Ölvorkommen im Boden ähnlich groß wie im Nahen Osten.

Urban Oil heißen die Bilder unseres Fotografen Robert Voit; sie sind Teil des Projekts The La Brea Matrix. Ausgangspunkt war ein berühmtes Bild des Farbfotogenies Stephen Shore aus dem Jahr 1975, das eine Chevron-Tankstelle an der Ecke von Beverly Boulevard und La Brea Avenue zeigte – damals, als das Auto seine Zukunft auch schon hinter sich hatte. Voit sucht nun, da das Benzinzeitalter wirklich vorbei ist, nach den Spuren, die das Bohren nach Öl in der städtischen Landschaft hinterlassen haben – und er findet Bilder von einer absurden Poesie, von einem seltsam trotzigen Weitermachstolz.

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Sie zeigen das Versprechen und die Tragödie Amerikas. Zwei Millionen Barrel immerhin werden jährlich in Los Angeles produziert, dieser Stadt, die auf besondere Weise die beiden wesentlichen Elemente der westlichen Kultur verbindet, wie sie das letzte Jahrhundert geprägt hat: das Auto und das Kino.

Die Fiktionalisierung der Wirklichkeit scheint in Voits Bildern am Werk zu sein, so fremd sehen die mechanischen Geräte aus, die in den Nachthimmel ragen, die zwischen Palmen wachsen und manchmal ganz einfach mit bunten Kacheln beklebt werden und dann aussehen wie Kirchtürme. Sogar in der Nähe der Reichen von Beverly Hills wird Öl gefördert, im Beverly Center etwa, wo es Läden von Gucci und Louis Vuitton gibt, in denen dann ab und zu die Sängerin Britney Spears, der Rapper Jay-Z oder der Schauspieler Adam Sandler einkaufen – Bewohner jenes Reiches der ölbefeuerten artifiziellen Schönheit, die auch in Voits Bildern aufleuchtet.

Der Fotograf Robert Voit ist Spezialist für Szenen zwischen wirr und wahr.

Fotos: Robert Voit