Diskriminierung hinter Gittern

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Jana Striewe und ihre Reportage über inhaftierte Frauen in Niedersachsen.

    SZ-Magazin: Frau Striewe, Sie haben für verschiedene Arbeiten im Inneren von Gefängnissen fotografiert. Warum interessiert Sie dieses Thema?
    Jana Striewe: Die erste Reportage entstand im Jahr 2005 in einem amerikanischen Gefängnis und war meine erste Fotoreportage überhaupt. Ich denke, damals wollte ich überwiegend wissen, welchen Menschen man "dort drinnen" begegnet, ob ihre persönlichen Lebensgeschichten dafür verantwortlich sind, straffällig geworden zu sein und wie sie ihren Gefängnisalltag meistern. Bei meinen Arbeiten in Gefängnissen habe ich erlebt, dass es große Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Inhaftierten gibt.

    Und zwar?
    Nach meinen Beobachtungen ist die psychische Belastung für Frauen in Haft äußerst schwer erträglich. Das Alleinsein wiegt bei Frauen besonders schwer. Anders als bei Männern entstehen schwere Straftaten von Frauen meistens aus für sie ausweglosen Situationen und aus Bedingungen, die für sie unerträglich erscheinen, im Sinne von Konflikttaten. Sie ereignen sich meist im persönlichen und familiären Umfeld. Da ihr Anteil an der Gesamtkriminalität durchschnittlich nur bei fünf Prozent liegt, werden Bedürfnisse inhaftierter Frauen völlig übersehen. In den seltensten Fällen können Frauen im Gefängnis arbeiten oder eine Ausbildung machen. Falls sie es doch tun, dann meist mit Beschäftigungen, die keine Zukunftsperspektive bieten. Oft werden nur traditionell frauentypische Berufe angeboten – wie etwa Schneiderin – die längst überholt sind.

    Was reizt Sie an der Reportagefotografie?

    Ich finde es sehr spannend, tiefe Eindrücke in verschiedene, fremde Lebenswelten zu bekommen, die man sonst in dieser Intensität nur in wenigen Berufen bekommen kann. Die Grundvoraussetzung für eine gute Fotoreportage ist immer die Nähe zu den Menschen. Ich verbringe oft sehr viel Zeit mit den Menschen um eine gemeinsame Vertrauensbasis zu schaffen, ohne die geht es nicht. Erst wenn man mich kaum noch wahrnimmt, können gute Bilder entstehen.

    Wieviel Zeit haben Sie für die Reportage aus den niedersächsischen Frauengefängnissen mit den Protagonistinnen verbracht?

    Zirka ein halbes Jahr, mit einigen Inhaftierten auch länger. Eine ehemalige Inhaftierte habe ich auch nach Ihrer Haft noch mit der Kamera begleitet. In der Anfangszeit habe ich gar nicht fotografiert, da ging es wirklich nur darum, die Frauen und Mädchen kennenzulernen, ihr Vertrauen zu gewinnen.

    Haben Sie schon Ideen für ein neues Reportageprojekt?
    Es ist sehr schwierig von freien und eigenständig recherchierten Fotoreportagen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Momentan bin ich glücklich, von der Fotografie leben zu können und hoffe, dass ich vielleicht nächstes Jahr mir den Luxus gönnen kann, wieder ein eigenes Projekt starten zu können. Was genau, weiß ich noch nicht, aber es wird sich bestimmt wieder um benachteiligte Frauen in unserer Gesellschaft drehen.