»Ich versuche, meinen Kindern Werte zu vermitteln!«

Amelie Fried schreibt Bücher – ihre Tochter Paulina schaut derweil »Germany’s next Topmodel«. Eine Aussprache.

    SZ-Magazin: Wann haben Sie zuletzt »So gehst du mir nicht aus dem Haus!« zu Ihrer Tochter gesagt?

    Amelie Fried: Noch nie. Paulina hat einen sehr guten Geschmack. So ein Satz würde nur fallen, wenn sie im tiefsten Winter ohne Jacke raus will. Woher kommt denn guter Geschmack?

    Amelie Fried: Ein gewisses Stilgefühl ist wohl angeboren. Paulina wusste schon mit 18 Monaten, was sie anziehen wollte und was nicht. Die pinkfarbene »Drumpfhose« zum Beispiel. Und sie hat ja auch an mir so einen gewissen Geschmack gesehen.

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    Paulina: Na ja, deine Alltagssachen mag ich schon, aber wenn du dich so aufbrezelst, das finde ich spießig.

    Amelie Fried: Spießig?

    Paulina: Ja – diese ganzen Abendkleider.

    Amelie Fried: Welche Abendkleider? Ich besitze doch kaum welche. Das erste hab ich mit vierzig gekauft. Ich habe erstaunlich wenig Kleider. Meine Tochter dagegen hat einen Schrank wie ein Filmstar, steht jeden Morgen davor und weiß nicht, was sie anziehen soll.

    Paulina, an wem orientiert sich dein Mode-Geschmack? An Modezeitschriften oder an Stars wie Sienna Miller?

    Paulina: Ich sehe manchmal Leute auf der Straße, die haben etwas an, was mir gefällt. Aber ich würde nie jemanden kopieren.

    Keine typischen Teenager-Schwärmereien und ein Zimmer voller Poster?

    Paulina: Poster? Das habe ich mit zehn gemacht, aber doch nicht mehr mit 13. Ich hab schon Lieblingsbands, aber ich schwärm’ jetzt nicht für die.

    Amelie Fried: Eine ganze Weile fandest du doch Shakira und Avril Lavigne gut.

    Paulina: Das war vor drei Jahren! Mein Lieblingsfilm ist Die fabelhafte Welt der Amélie, die Hauptdarstellerin Audrey Tautou finde ich cool. Oder Jack Nicholson.

    13-Jährige finden einen 70-Jährigen cool?

    Paulina: Wieso nicht? Er ist halt ein sehr guter Schauspieler.

    Du gehst auf eine Privatschule. Wie wichtig sind dort Labels?

    Paulina: Es ist nicht so, dass man ausgestoßen wird, wenn man nicht das Richtige trägt, aber manche finden Marken schon wichtig.

    Welche Marken?

    Paulina: Tommy Hilfiger, Ralph Lauren…

    Amelie Fried: Zimtstern.

    Was ist Zimtstern?

    Amelie Fried: So ein neues Skater-Label.

    Paulina: Ich rede gerade von Spießer-Marken und dann kommst du daher mit einer Skater-Marke, Mama!

    Amelie Fried: Bis vor ein paar Jahren waren meine Kinder völlig entspannt, was Mode angeht. Seit einiger Zeit bemerke ich schon eine starke Orientierung an Marken, und dass du mir immer wieder erklärst, dies oder jenes sei nicht cool. Oder wenn ich sage, pass auf deine Jacke auf, dann bekomme ich zu hören: »Als würde einer diese blöde Jacke klauen.«

    Paulina: Ist ja auch so. Keiner auf meiner Schule hat es nötig, eine Jacke von Esprit zu klauen.

    Was haben Sie Ihrer Tochter zum Thema Schönheit und Aussehen beigebracht?

    Amelie Fried: Dieser Satz, dass es nur auf die inneren Werte ankomme, ist ja gelogen. Wenn der erste Eindruck nicht stimmt, gibt es keinen zweiten mehr. Ich habe versucht, Paulina zu vermitteln, dass Schönheit eine Kombination ist aus äußeren Attributen und einer inneren Haltung.

    Wie siehst du das, Paulina?

    Paulina: Ich mache einen Unterschied zwischen Schönheit und Hübschsein. Hübsch ist man nur von außen. Hübsch sind auch Menschen, die ich nicht so gern mag. Schönheit dagegen hat für mich etwas mit dem Charakter zu tun.

    Kinder tragen Jeans für 200 Euro, 16-Jährige lassen sich den Busen vergrößern. Ist das Aussehen Jugendlichen heute wichtiger als früher?

    Amelie Fried: Das Äußerliche hat inzwischen eine Bedeutung bekommen, die ich völlig übertrieben finde. Meine Hass-Sendung ist Germany’s Next Topmodel. Wenn sich eine gesamte Sendung ausschließlich mit dem Aussehen beschäftigt, dann kriege ich als Mutter einen Vogel. Ich versuche, meinen Kindern Werte zu vermitteln, die etwas mit Nachdenken, Moral und sozialem Engagement zu tun haben.

    Aber Millionen junger Mädchen schauen diese Sendung.

    Amelie Fried: Ja, Pauli leider auch. Da gibt es bei uns immer wieder Diskussionen.

    Was gefällt dir an der Sendung?

    Paulina: Ich find’s lustig: Mitzuverfolgen, wer rausfliegt, mit Freundinnen darüber zu reden.

    Früher wollten Mädchen Tierärztin werden, heute berühmt.

    Amelie Fried: Das meine ich mit dieser völlig falschen Bewertung. Dass Mädchen suggeriert wird, es gäbe einen Beruf, der heißt »Star«. Und da wird man reich und berühmt, ohne arbeiten zu müssen. Aber um darauf reinzufallen ist Pauli einfach zu intelligent.

    Angenommen, ein Agent sieht dein Foto im SZ-Magazin und lädt dich zum Casting bei Germany’s Next Topmodel ein. Was würdest du machen?

    Paulina: Klar würde ich hingehen.

    Was willst du mal werden?

    Paulina: Schauspielerin. Ich stelle mir vor, erst mal am Theater zu sein, und wenn es gut läuft, würde ich später schon gern vor der Kamera arbeiten.

    Wie würden Sie reagieren, wenn Paulina Friseurin werden will?
    Amelie Fried:>/b> Wenn es wirklich ihr Wunsch ist, wäre das auch okay. Ich muss mich nicht in meinen Kindern verwirklichen. Das habe ich schon in meinem eigenen Leben getan.

    Soll deine Mutter Freundin oder Mutter sein?

    Paulina: Mutter. Wenn sie mit in die Disco gehen würde, wäre mir das peinlich.

    Paulina ist jetzt in einem Alter, das man als besonders kritisch bezeichnet. Wie äußert sich das bei Ihnen?

    Amelie Fried: Mich nervt manchmal dieser Tonfall, den ich mit einsetzender Pubertät vermehrt zu hören bekomme. Dass ich an manchen Tagen schon morgens so rotzig begrüßt werde. Das verletzt mich.

    Wie reagieren Sie dann?

    Amelie Fried: Nach Möglichkeit gelassen. Ich weiß ja, dass das normal ist in dem Alter. Ich war doch genauso.

    Und – was nervt dich an deiner Mutter, Paulina?

    Paulina: Dass sie immer so hysterisch ist. Und wenn ich ihr das sage, dann motzt sie gleich wieder zurück. Weil sie nichts einsehen kann, das regt mich auf. Es gilt immer nur ihre Meinung…

    Amelie Fried: Dieses Übervorsichtige, das meint sie mit hysterisch.

    Paulina: Nein, das meine ich nicht!

    Amelie Fried: Doch, das meinst du. Wenn ich zum fünften Mal frage, ob du deine Regenjacke mithast.

    Paulina: Siehst du, jetzt machst du’s schon wieder.

    Amelie Fried: Sie sehen, wir sind eine sehr diskutierfreudige Familie.

    Amelie Fried, 49, ist Journalistin, moderiert die Talkshow »3nach9« und schreibt Bücher über Beziehungs- und Erziehungsprobleme. Sie lebt mit Mann und zwei Kindern in der Nähe von München. Ihre Tochter Paulina ist 13 Jahre alt.

    Paulina Fried trägt eine Bolerojacke von Day Birger & Mikkelsen, ein Tank Top
    von s.Oliver, Jeans von Acne Jeans, eine Brosche von Etro und ein Armband
    von Dodo. Amelie Fried in einer Seidenbluse von Etro und einem Hosenrock
    von Maison Martin Margiela.