Betr.: Du bist nicht allein

Tag für Tag im Gemeinschaftsbüro: Mit manchen Kollegen verbringen wir mehr Zeit als mit unseren Ehepartnern. Ist das gesund? Eine Umfrage

Uwe-Michael Sinn (41), links, und Nikolaus von Graeve (37) führen seit sieben Jahren zusammen die Spezialagentur Rabbit E-Marketing in Frankfurt - aus einem gemeinsamen Chef-Büro.

Streit ums Sofa

Von Graeve: Unsere Ehe wurde im Jahr 2003 geschlossen – und hat gleich mit einer richtigen Gütertrennung angefangen: Damals hat Uwe mir die Hälfte seiner Firma überschrieben.
Sinn: Ich hatte die Firma gegründet und irgendwann gemerkt: Lieber zu zweit eine größere führen als allein eine kleine. Also hab ich Nick dazugeholt, seitdem teilen wir uns die Firma. Und ein Büro.
Von Graeve: Wir sind schon unterschiedlich und streiten uns ständig. Über seine chronische Unpünktlichkeit bei Meetings zum Beispiel.
Sinn: Er quatscht, ich rechne. Aber angeschrien haben wir uns noch nie. Von Graeve: Doch.
Sinn: Beim Sofa. Stimmt. Nick wollte in unserem Büro unbedingt ein schwarzes Sofa haben, ich ein braunes. Wir haben jetzt ein braunes.
Sinn: Wir kennen uns so gut, dass wir die Sätze des anderen
vervollständigen können. Neulich haben wir uns gegenseitig einen
Artikel zum gleichen Thema aus der Zeitung gerissen. Unabhängig voneinander. Von Graeve: Wir würden nie auf die Idee kommen, dass sich jeder ein eigenes Büro zulegt. Wir brauchen den permanenten Austausch, das schafft kein Meeting. Ich weiß immer, was bei ihm privat los ist, und umgekehrt.
Sinn: Nick ist zum Beispiel vor Kurzem Vater geworden. Und ich werde mich wie ein Irrer freuen, wenn seine Kleine die ersten Schritte macht. Und mitjammern, wenn sie auf eine Herdplatte fasst.

Meistgelesen diese Woche:

Fliegende Radiergummis

Reiner Maier (44) ud Uschi Schlögl (48) sid Steuerfachangestellte einer Anwaltskanzlei im bayrischen Pfarrkirchen. Sie teilen sich seit acht Jahren ei Büro.

Fliegende Radiergummis

Maier: Die Uschi hat sich damals für mich entschieden, als es darum ging, wer zu ihr ins Büro kommen soll. Ich bin den ganzen Tag hier, sie arbeitet halbtags. Inzwischen leben wir hier tatsächlich wie ein Ehepaar, aber ein gut funktionierendes.
Schlögl: Ich kann mich richtig auf den Reiner verlassen, ihn jederzeit anrufen, das ist schon was Besonderes, gell, Reiner?
Maier: Zum Glück lüftet die Uschi genauso gern wie ich. Und wir sind beide Frohnaturen, wir tragen unsere Launen nicht mit in die Arbeit. Mich fasziniert, wie die Uschi an Weihnachten das Büro dekoriert. Da stehen dann überall Kränze und Duftkerzen. Ich als Mann hab dafür ja nicht so viel übrig. Ich hab doch keine Zeit, mir hier ein Wohnzimmer einzurichten.
Schlögl: Der Reiner hat einen Dickkopf und sperrt sich gern gegen Neuerungen. Ich muss ihn schon mal zu seinem Glück zwingen – vor allem, wenn es um Computer geht, da will er sich nichts sagen lassen. Streiten tun wir aber nicht. In acht Jahren ist höchstens dreimal der Radiergummi geflogen.
Maier: Ich sorge dafür, dass sie genug Wasser trinkt bei der Arbeit. Das vergisst sie immer.
Schlögl: Wenn er morgens mit einem Brötchen und einer Kaffeetasse hier sitzt, weiß ich, dass er die Nacht über bei seiner Freundin war. Als er die kennengelernt hat, ist er schon ein bisserl geschwebt vor Verliebtheit. Ich bin ja seit 25 Jahren verheiratet und hab Kinder, da kriegt der Reiner auch so manches mit. Ich denk, wir bleiben zusammen hier im Büro, bis dass die Rente uns scheidet.

Heimat und Männergeschichten

Cornelia Wagner (35) und Janna Robert (36) arbeiten bei Scholz & Friends in Hamburg. Sie teilen sich seit acht Jahren ein Büro und haben schon dreimal den Arbeitgeber gewechselt - immer gemeinsam.

Heimat und Männergeschichten

Wagner:
Wir haben gemeinsam angefangen, im Jahr 1999. Ich als Junior-Texterin, sie als Praktikantin, die mit den anderen Mädels durch die Gänge geklappert ist. Das erste gemeinsame Projekt hat gleich auf Anhieb so gut funktioniert, dass wir einfach zusammen weitergemacht haben. Mit Janna ist es so, als hätte man ein bisschen Heimat im Büro.
Robert: Und seit 2002 sitzen wir zusammen in einem Büro – das verflixte siebte Jahr wäre überstanden. Somit hält unsere Ehe länger als die meisten richtigen Beziehungen, die wir hatten.
Wagner: Ich bin sehr durchorganisiert, Janna ist verpeilt. Alles, was nicht auf die Sekunde pünktlich ist, ist für mich zu spät. Janna sucht oft noch am Check-in nach ihrem Flugticket. Wenn sie wieder was vergisst, bin ich fünf Minuten sauer, wir halten einfach mal für ’ne Stunde den Mund, und dann ist’s gut.
Robert: Conny ist sehr schlau, sehr belesen, sie hat auf alles eine Antwort. Sie ist mein Walking Wikipedia. Allerdings antwortet sie auch gern mal, wenn man sie gar nicht gefragt hat. Conny ist der Mensch auf der Welt, der am meisten von mir weiß. Auch Männergeschichten. Wir sind beide schon heulend vor dem Rechner gehockt, weil die Jungs nicht so wollten wie wir.
Wagner: Janna fing neulich an, nach meiner Ringgröße zu fragen. Mein Verlobter hatte sie gebeten, für ihn zu recherchieren, weil er mir einen Antrag machen wollte. Ich glaube, da hat sie Blut und Wasser geschwitzt, weil sie solche Angst hatte, zu auffällig zu wirken. Aber der Ring passt!

Ehen im Büro und anderswo

Gisela Schreier (44) und Renate Sturm (56) arbeiten im Standesamt
Aichach und schließen dort Ehen – seit 25 Jahren.

Ehen im Büro und anderswo

Sturm: Gisela kam 1985 hierher. Ich hab mich total gefreut, dass da so ein junges Mädel steht, sie war ja erst 19 damals, ging ständig aus und hatte viel zu erzählen.
Schreier: Ich bin vorher zum Arbeiten nach München gependelt, da war ja alles groß und laut. Aber dank Renate arbeite ich gern hier auf dem Land.
Sturm: Eine Tür wäre manchmal praktisch, aber wir streiten selten. Außerdem ist unser Chef viel launenhafter als wir – wenn eine von uns Ärger bekommt, halten wir zusammen.
Schreier: Streiten tun sich eher die Paare, die sich hier für die Hochzeit anmelden wollen. Die diskutieren oft noch auf dem Standesamt, ob es jetzt einen Doppelnamen geben soll oder nicht. Oft heiraten die dann gar nicht, sondern holen sich nur die Unterlagen ab. Wir haben schon so viele Ehen geschlossen, die dann wieder geschieden wurden. Aber unsere Büroehe ist stabil – seit 25 Jahren! Welches Paar kann das heute noch von sich behaupten?
Schreier: Wir haben viel zusammen durchgemacht. Krankheiten in der Familie, Todesfälle, Trennungen. Das verbindet.
Sturm: Die Gisela ist ja praktisch vor meinen Augen erwachsen geworden in den letzten 25 Jahren. Ich finde es schön, dass sie so ein fröhlicher Mensch ist. Wenn ich mal schlechte Laune habe, frischt sie mich wieder auf. Sie nimmt vieles leichter, vielleicht, weil sie ein bisschen jünger ist als ich.

Rosenquartz und Leberkäs

Georg Villinger (55) und Norbert Grünleitner (43) arbeiten bei den Münchner Verkehrsbetrieben. Sie sitzen seit drei Jahren zusammen in einem Büro.

Rosenquartz und Leberkäs

Grünleitner: Ich war der Neue im Büro. Da hat man es immer schwer. Ich wusste am Anfang nicht mal, welches Schrankfach ich benutzen soll, oder an welchen Haken ich meine Jacke hänge. Mein Einzugsgeschenk kam auch nicht so gut an: Ich habe eine Kaffeemaschine mit ins Büro gebracht. Heute weiß ich: Georg trinkt gar keinen Kaffee.
Villinger: Dafür muss ich jetzt immer ein Fenster aufmachen, wenn Norbert die Maschine wieder stundenlang mit Essig entkalkt. Aber wir mögen beide frische Luft. Zum Glück.
Grünleitner: Na, wir verstehen uns schon sehr gut. Wir sind halt ganz unterschiedlich: Georg hat so Rosenquartzkristalle um seinen Computermonitor herum drapiert, weil die angeblich die Strahlung filtern sollen. Ich glaube, die Angst vor Strahlung ist auch der Grund, warum er sein Dienst-Handy ausschaltet, sobald er das Büro verlässt. Erreichen kann man ihn dann erst wieder am nächsten Tag.
Villinger: Norbert schreit immmer so am Telefon. Egal, wer dran ist, sobald er den Hörer abhebt, spricht er doppelt so laut. Ich hab ihm schon ein paar Mal gesagt, dass es mich stört. Mittlerweile lass ich es sein.
Grünleitner: Als Georg letztens für sechs Wochen im Krankenhaus lag, hab ich ihn schon vermisst. Er übertreibt’s mit seinem Sport. Manchmal kommt er morgens zur Tür reingehumpelt, weil er sich beim Fußball wieder was gezerrt hat. Dann denk ich mir: Herrgott, dann lass es halt!
Villinger: Als er mal bei mir zum Grillabend eingeladen war, habe ich sogar extra für ihn Bier gekauft, obwohl ich selbst kein Bier trinke. Ich glaube, das hat ihm sehr geschmeichelt. Und wer Geburtstag hat, bekommt vom anderen einen Leberkäs.