Die verlorene Tochter

Mit 16 zog Diane Krüger nach Paris und wurde ein Star. Ihre Mutter blieb in Niedersachsen. Fremd sind sich die beiden trotzdem nicht.

    SZ-Magazin: Frau Kohler, Ihre Tochter ist mit 16 Jahren ausgezogen. Haben Sie sich große Sorgen gemacht?

    Maria Kohler: Als die Modelagentur »Elite« Diane einen Vertrag angeboten hat, war sie noch in der Schule. Sie hätte nach Mailand, New York oder Paris gehen können. Diane wollte natürlich gern nach New York. Ich war dagegen. Die Entfernung schien mir zu groß. Deshalb einigten wir uns auf Paris. Aber einfach war das doch sicher nicht, Ihre Tochter so früh gehen zu lassen?

    Natürlich nicht. Aber als ich in Dianes Alter war, wollte ich als Au-Pair-Mädchen nach England. Das haben mir meine Eltern damals leider verboten. Diesen Fehler wollte ich nicht machen und habe deshalb meine Tochter gehen lassen.

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    Hatten Sie nie Zweifel, die richtige Entscheidung getroffen zu haben?

    Diane und ich sind auf eine Art seelenverwandt. Ich merke allein durch den Klang ihrer Stimme am Telefon, ob es ihr gut oder schlecht geht. Zu der damaligen Zeit haben wir mindestens drei- bis viermal in der Woche telefoniert. Aber zum Glück ist ihr nie etwas Schlimmes passiert: Diane war immer von netten Menschen umgeben.

    Für das Foto standen Sie das erste Mal mit Ihrer Tochter gemeinsam vor der Kamera. Hat es Ihnen gefallen?

    Für meine Tochter war das ja nichts Besonderes. Aber ich hatte es mir einfacher vorgestellt. Man muss so viele Dinge beachten: Mal waren meine Augen zu, mal die von Diane. Ich war heilfroh als alle, also der Fotograf, Diane, die Visagistin, die Friseurin und ich, mit dem Ergebnis zufrieden waren. Es hat lang gedauert, aber mir machte es Spaß.

    Diane lebt in Paris und Sie in der Nähe von Hildesheim. Wie oft sehen Sie sich?

    Leider nicht so oft: an Weihnachten und zu Familienfeiern, natürlich. Und dann noch ein- oder zweimal im Jahr außer der Reihe.

    Was unternehmen Sie dann? Reden, reden, reden. Wir gehen auch mal in eine Ausstellung. Am schönsten finde ich es aber, wenn mir Diane neue Restaurants in Paris zeigt. Sie hat eine Vorliebe für gutes Essen. Soll ich Ihnen meine kleine Lieblingsgeschichte aus Dianes Kindheit erzählen?

    Gern!

    Kurz vor Weihnachten 1984 bin ich mit ihr durch Hildesheim gebummelt. Plötzlich blieb sie vor dem Schaufenster eines Kindergeschäftes stehen und schrie: »Dort ist mein Kommunionkleid!« Im nächsten Jahr sollte Diane die Erstkommunion bekommen, aber bis dahin waren es doch noch Monate! Im Fenster hing also ein bodenlanges weißes Kleid mit Reifrock und üppigen Rüschen. Es wirkte eher wie ein Miniatur-Brautkleid und war für die damalige Zeit ziemlich ungewöhnlich – die Mädchen trugen alle kurze Kleider zur Kommunion. Am Ende hatten wir ein viel zu früh gekauftes Kommunionkleid, das aussah wie ein Brautkleid, und kein einziges Weihnachtsgeschenk in der Einkaufstüte.

    Haben Sie versucht, ihr das Kleid auszureden?

    Nein, sie wollte es unbedingt haben. Diane hat als kleines Mädchen immer Kleider gezeichnet und gesagt, wenn sie einmal heirate, müsse ihr Brautkleid genau so aussehen. Und dieses Kleidchen sah tatsächlich genau so aus wie in ihrer Vorstellung.

    Bewahren Sie etwas von Ihrer Tochter auf, was Sie besonders an sie erinnert?

    Ja, ich habe ein sehr schönes Schwarz-Weiß-Foto von Diane im Wohnzimmer an der Wand hängen. Außerdem steht ein Trojanisches Pferd auf der Kommode in ihrem ehemaligen Kinderzimmer. Es ist ein Geschenk, das sie damals zur Filmpremiere von Troja von einem Kollegen bekommen hat.

    Diane Kruger über ihre Mutter:
    Meine Mutter ist sehr bodenständig und sorgt dafür, dass ich bei all meinem Erfolg nicht abhebe. Sie hat mir schon immer sehr direkt gesagt, was sie gut findet und was ihr nicht gefällt. Wenn es zum Beispiel um einen neuen Freund geht, frage ich zuerst sie um Rat. Ich bin seit einem Jahr geschieden, deshalb ist es mir so wichtig, mit ihr über Beziehungen reden zu können. Am meisten schätze ich an meiner Mama ihre Ehrlichkeit.

    Genau das macht sie für mich zu einer richtig guten Freundin. Sie kann allerdings auch sehr stur sein. Oft starren wir uns bei einem Streit nur minutenlang schweigend an. Wir haben aber ein sehr inniges Verhältnis, obwohl ich schon mit 16 Jahren ausgezogen bin. Oder vielleicht gerade deshalb? Wenn sie nicht bei mir ist, trage ich fast immer ein goldenes Kreuz, das ich von ihr zur Kommunion geschenkt bekommen habe.

    Ich hätte mich jedenfalls zu Hause, in dem kleinen Ort Algermissen, nie in der Art verwirklichen können, wie ich es in London, Paris oder Hollywood getan habe. Ich ging auf eine katholische Schule und musste Latein lernen. Das alles war mir zuwider.

    Eine große gemeinsame Leidenschaft ist für uns das Kochen. Wenn meine Mutter mich in Paris besucht, schlendern wir über einen der vielen Wochenmärkte und kochen abends bei einer Flasche Wein zusammen. Sie legt viel Wert auf die alte Schule. Sie verlangt sogar, dass ich meine Großeltern nicht in Jeans besuche.

    Nach Hauptrollen in Hollywood-Filmen wie »Troja« ist Diane Kruger, 31, weltweit bekannt. Ihre Karriere begann sie als Model in Paris. Dort wohnt sie noch immer. Ihre Mutter Maria Kohler, 57, lebt in der Nähe von Hildesheim.