Gertraud Daxenberger

hatte keine Zeit mehr, das Leben mit ihrem Mann wieder ganz ins Lot zu bringen.

Sie hat den Politiker geheiratet, nicht nur den Mann. Vielleicht hat sie es zu spät bemerkt. Er wollte die Welt verändern, sie wollte in der Welt nur leben.  Gertraud Daxenberger ist erst durch ihren Tod bekannt geworden - davor stand sie im Schatten ihres Mannes. Viele wussten gar nicht, dass es sie gab. Er war vorn, als Bürgermeister in der Gemeinde, als Abgeordneter im Landtag, an der Spitze der Grünen in Bayern. Sie organisierte den Alltag, versorgte den Kuhstall, zog die Kinder auf. Erst beim Sterben ging sie voran. Drei Tage vor ihrem Mann starb Gertraud Daxenberger, im August 2010.

Die Daxenbergers entsprachen einem traditionellen Familienbild. Ungewöhnlich für einen Grünen-Politiker, normal für die Menschen um den Waginger See. Gertraud Daxenberger lebte in dieser Welt: Ihr war sie alles, die Familie, der Hof, die Nachbarn, die Kirchengemeinde, die Ministranten. Ihm war diese Welt nicht genug. Als die beiden heirateten, 1991, schien alles zu passen: Er aus Nirnharting, sie aus Surberg, ein paar Kilometer voneinander entfernt. Fesch war sie, kernig er. Kinder wollten sie, den Hof weiterführen, modernisieren, teilten die grünen Ideen. Drei Söhne hat Gertraud Daxenberger geboren, Felix, Kilian, zuletzt Benedikt. Sie drängte nicht auf Fotos, begleitete ihren Mann nicht auf Empfänge.

Selbst Menschen, die sagen, Sepp Daxenberger gut gekannt zu haben, wissen von seiner Frau nichts zu berichten. Sie führte ein eigenes, ein anderes Leben. Und er blieb immer öfter weg aus diesem Leben. Als sie sich trennten, zogen nicht Frau und Kinder vom Daxenberger-Hof, er ging. So sehr sie ihn im Dorf als Bürgermeister, auch als Mensch schätzten, das haben sie ihm lange nachgetragen. Als bei Sepp Daxenberger der Krebs ausbrach, er zwischen Leben und Tod schwebte, kam sich die Familie wieder näher. Es dauerte mehrere Jahre, dann kehrte er zurück. Zum Hof, zu den Kindern, zuletzt zu seiner Frau. Sie hatte jetzt ihre eigene Wohnung auf dem Hof. Er kam zu ihr, zum Frühstücken, zum Abendessen. Er war ruhiger geworden, trat kürzer in der Politik, wollte sich der Familie widmen. Dann wurde bei ihr Brustkrebs entdeckt. Sie machte nicht viel Gewese darum, ließ sich behandeln. Schien alles wieder geregelt zu haben.

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Im Januar dieses Jahres kam der Krebs zurück. Das erschütterte ihren Mann mehr als er nach außen zeigte. Doch jeder der beiden machte die Krankheit mit sich aus. Geschäftsmäßig, so nannte Sepp Daxenberger das. Kein romantisches Ringen um die letzten Stunden. Das waren Gespräche einer bäuerlichen Arbeitsgemeinschaft darüber, wer kocht, wer die Kälber versorgt, wenn der andere Therapie hat, wohin die Kinder gehen, wenn beide darniederliegen. Aber gebetet haben sie füreinander, das ist gewiss. Auf der Todesanzeige für Gertraud Daxenberger steht: »Verliere nie den Glauben an die Sonne, auch wenn sie sich hinter den Wolken verbirgt.« Den Text hatte ihr Mann mit den Söhnen ausgesucht. Am Tag ihrer Beerdigung verließen auch ihn endgültig die Kräfte.

Foto: Mathias Grägel/GME Airfoto