Frechheit!

Über Thomas Gsellas bitterböse Spottreime konnten alle lachen - bis auf die jeweils betroffene Berufsgruppe. Hier können Sie die gesammelten Gedichte vom Anwalt bis zum Zahnarzt noch einmal lesen.

Folge 1: Der Börsianer
Der Börsianer ist zu gut
fürs schlechte Hier und Heute.
Wer lebt von andrer Adern Blut
und Schwielen fremder Leute,

den ruft Gott zu sich vor der Zeit,
ihm Halt und Trost zu geben:
»O heilige Dreifaltigkeit,
auch du sollst ewig leben! So feist das Kinn! So leer das Herz!
Seht’s euch nur an, ihr Engel:
So reich an Geld und arm an Schmerz!
Ab in die Hölle, Bengel!«

Folge 2: Der Priester
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Meistgelesen diese Woche:

Folge 2: Der Priester

Der Priester träumt von einem »Gott«
als »Schöpfer« der Gestirne.
So zart er spricht, so hart der Spott
der aufgeklärten Hirne.

Sie lachen Hohn und triezen ihn:
»Du Tropf im schwarzen Zwirne!«
Die Neunmalfalschen siezen ihn:
»Gott segne Ihre Birne!«

Sie mobben ihn so laut wie dumpf:
»Wolln S’ ewig Kleinkind bleiben,
Neurotiker? Sie Narr? Sie Schlumpf?«
Man mag’s kaum niederschreiben.

Folge 3: Der Moderator
Es wollt ein Mann ein Denker sein,
ein Kopf, ein Welterklärer.
Doch war speziell sein Kopf zu klein.
So sprach er: Ich werd Lehrer.

So schlicht das Ziel, so leicht das Spiel?
Der Mann war schlicht noch schlichter.
Wer wenig denkt, hat viel Gefühl.
So sprach er: Ich werd Dichter.

Selbst hierfür war der eitle Pfau
zu blöd, und es passierte:
Er kroch ins große Loch TV
hinein und moderierte.

Folge 4: Der Förster
Der kleine Dicke von Gestalt
und schratige Kalfaktor
schläft sieben Tage sei’s im Wald,
sei’s tief in seinem Traktor.

Am achten brummt er kurz herum
und fällt zwei morsche Bäume,
besteigt den Traktor und fällt um:
hinein in seine Träume.

Fällt er dabei aufs Gaspedal,
kommt sein Gefährt auf Touren.
Nur so erklären sich kausal
die vielen Traktorspuren.

Folge 5: Der Fußballspieler
Erst sprintet er von A nach B
nach A und dann im Kreise,
begibt sich sprintend hin nach C
und sprintend auf die Reise,
die ihn nach D führt, ins Gefecht –
ein Konter – er fehlt hinten!

Längst ist dem Fußballspieler schlecht,
doch sein Beruf heißt Sprinten.
So sprintet er zurück zum Tor
und wünscht den Tod, da heißt es:
»Schlussoffensive! Alle vor!«
Das Leben, ihn bescheißt es.

Folge 6: Der Bauer
Der Bauer pflegt ein wahres Sein
fernab der falschen Städte.
Er haust mit Henne, Rind und Schwein
am Start der Nahrungskette.

Dort baut er unser Essen an
mit Liebe und mit Dünger.
Es litte ohne diesen Mann
so mancher Städter Hünger!

Beim Trunk allein versagt er schwer:
Nur Milch bringt uns der Bauer.
Da bringt uns doch entschieden mehr
sein Konkurrent, der Brauer.

Folge 7: Der Rechtsanwalt
Der Rechtsanwalt will eine Welt,
in der Gesetze siegen.
Zum Beispiel das von deinem Geld:
Das soll der Anwalt kriegen.

Er ist der gute starke Mann
just an der schwächsten Stelle:
Wer Hunderttausend zahlen kann,
den haut er aus der Zelle.

Und bist du nichts, weil du nichts hast,
und schenkt er dich dem Richter,
bleibt er doch gern gesehner Gast
am Tisch der Mondgesichter.

Folge 8: Der Astrophysiker
Gewöhnliches ist nicht sein Ding.
Er aast im Unbekannten.
»Ereignishorizont« und »String«,
das »Schwarze Loch«, die »Quanten«:

Er faselt Super-Quark und hört
dem »Hintergrund« sein »Rauschen«.
Auf Partys steht er da und stört,
doch welche gibt’s, die lauschen.

So ist ihm schnurz, ob wir’s kapiern:
Er faselt guten Mutes.
Er will den Damen imponiern,
und ach, o weh, er tut es!

Folge 9: Der Klempner
Den Klempner macht ein dummes Wort
aus Volkes Mund zum Affen:
Demnach verführt der Herr vor Ort
die Dame, statt zu schaffen.

Zum Glück ist alle Lügelei
von Wahrheit streng geschieden:
In Wahrheit pfeift er Rohre frei,
nur dann ist sie’s zufrieden.

Er tut es, wie man hört, perfekt.
Wie sprach schon meine Oma:
»Ja mei, der hilft, wenn’s tropft und leckt.«
(Sie sprach vor »und« ein Komma.)

Folge 10: Der Fernsehzuschauer
Er schuftet täglich nach der Schicht
allein bei sich zu Hause.
Zum Abort darf der arme Wicht
zur Werbesendepause.

Sein Stundenlohn: dass sie vergehn.
Sein Marktsegment: Verödung.
Sein Angebot: zum Teufel gehn.
Sein Seller: die Verblödung.

Ein Esel er sowie der Chef
all seiner Missetaten:
die ARD, das ZDF,
die Dritten und Privaten.

Folge 11: Die Metzgerin
Die Metzgerin nach altem Brauch
zeigt mit verfrornen Händen
und einem warmen weichen Bauch
dem Kunden Brust und Lenden.

Ein Scheibchen Wurst schenkt sie ihm hin
und sieht ihn rot probieren.
Wir sehn im Kampf um den Gewinn
den Kampf haushoch verlieren.

Sie schenkt es wie zum Zeitvertreib.
Indes die Kunden ahnen:
Dies ist ein Laib von ihrem Leib,
Hostie des Profanen.

Folge 12: Der Paketposte
Er hat etwas, das soll zu ihr.
Er überschlägt die Stufen.
Das Haus ist hoch und zu die Tür,
das kommt ihm wie gerufen.

Er klopft: toktok – pst! Nicht zu fest!
Sie müsste unterschreiben,
sobald sie ihn nach oben lässt.
Er möchte unten bleiben.

So summt er leise »Klingeling«.
Er hat genug geschuftet.
Und klebt ein kleines gelbes Ding
ans Hochhaus und verduftet.

Folge 13: Der Staatsanwalt
Erniedrigte, die liebt er nicht.
So kalt seine Suada,
so eisenhart sein Normgesicht,
auf Sporenstiefeln (Prada).

Beleidigte, die sind ihm Last.
Er lässt nicht mit sich reden.
Sein Eden ist ein Staat aus Knast
und lebenslang für jeden.

Wer fiel, der soll ganz untergeh’n.
Freud wusste, wo das wurzelt:
»Der Wickeltisch verhärtet den,
der häufig runterpurzelt.«

Folge 14: Der Pilot
Er fliegt im Immerblau umher,
wo Sonnen ihn erwarten.
Erst steigt er hoch, dann landet er
um bald darauf zu starten.

Und wieder fliegt er hoch und weit
und sinkt bewundert nieder.
Dann fliegt er in der gleichen Zeit
zurück und landet wieder.

Dann startet er und fliegt und sinkt,
um schleunigst abzuheben,
worauf erneut die Landung winkt.
Ein Traum von einem Leben.

Folge 15: Der Journalist
Der Journalist hat nichts gelernt
und muss darüber schreiben.
So ist er weit davon entfernt,
mucksmäuschenstill zu bleiben.

Das zieht in eine laute Stadt
aus Klatsch und Schnaps und Bieren,
wenn einer nichts zu sagen hat
und es zu formulieren.

Am Lebensende schaut er froh
und stolz auf seine Siege:
War er dem Mist doch ewig so
affin wie jede Fliege.

Folge 16: Der Callcenter
Ein Callcenter ist zeitgerecht:
Zum König ward der Kunde.
Erreichbar ist das Center schlecht,
jedoch aus gutem Grunde.

Die Leitung führt schnurstracks ins Grab
zu einem Angestellten
der Firma, der vor Jahrn verstarb.
Zum Hörer greift er selten.

Drum sei so klug und ruf nicht an:
Der Feind ist renitenter.
Mit Recht indes schreibt mancher Mann
nicht das, nein: der Callcenter.

Folge 17: Der Schlachter
Er liebt die Axt und liebt das Schwein
in mundgerechten Stücken.
Es schreit zum Himmel. Doch sein Schrei’n,
ihm kommt es vor wie Quieken.

Der Schlachter lacht. Er schlägt mit Lust
und lacht noch bei der Häutung.
So arm der Mann, so reich der Frust
wir kommen zur Bedeutung:

Ein Schlachter bist auch Du. Gesteh:
Auch Du quälst Deine Lieben.
Auch Du lässt Deinen Frust – wie? Nö?
Dann hab ich nichts geschrieben.

Folge 18: Der Zahnarzt
Der Zahnarzt ist nicht arm wie du.
Er ist ein reicher Räuber.
Drum wählt er gern die CDU
und wo er kann den Stoiber.

Er ähnelt nicht dem zarten Reh,
er ähnelt der Hyäne.
Mit Freuden tut er Kindern weh
und zieht gesunde Zähne.

Er bohrt hinein mit solcher Wut,
da bleibt uns nur das Beten.
Der Zahnarzt ist ein Tunichtgut
mit viel zu viel Moneten.

Folge 19: Der Bankräuber
Von diesem gibt es zweierlei.
Der eine droht zu schießen.
Mit »Hände hoch!« stürmt er herbei
und endet in Verließen.

Der andere verabscheut Zank.
Er mag dein Geld nicht klauen.
Du gibst es ihm. Es sagen Dank
er und geschmückte Frauen.

So wähle, wen’s zur Untat drängt,
klug den sozialen Sektor:
Tief fällt der Räuber, den man fängt.
Hoch lebt der Bankdirektor.
Folge 20: Der Taxifahrer
Die Nacht so kalt und fremd das Land.
Dich friert’s an Herz und Ohren.
Zum Glück ist der am Taxistand
vergleichbar unverfroren.

Im Taxi sitzt du warm und gut
und reckst Gemüt und Beine.
Es gilt dem Freund, der Gutes tut,
Dein Weg so wie der Seine.

Und weiß er auch fußnah dein Ziel:
Er weiß doch weit zu reisen.
So sind der Gäste äußerst viel,
die unterwegs vergreisen.

Folge 21: Die Bundeskanzlerin
Sie platzt vor Fleiß. Kaum graut der Tag,
da stellt sie erste Weichen:
Sie nimmt den Armen den Belag
vom Brot und schenkt’s den Reichen.

Am Mittag geht’s ins Kabinett.
Ergebnis der Debatten:
Sie kratzt den Hungrigen das Fett
vom Brot und gibt’s den Satten.

Am Abend dann das reine Glück:
Sie senkt Lohnnebenkosten.
Zehn Wessis kriegen Geld zurück
von einer aus dem Osten.

Folge 22: Die Hausfrau
Ihr Tun hat keinen edlen Klang
und ward kaum je bedichtet.
Doch ist ihr Ruf weit unterm Rang
des Werks, das sie verrichtet.

Bereits um zehne steht sie auf
und muss gleich nach dem Brunchen
und noch im selben Schichtverlauf
vier Gurkenmasken panschen.

Weich legt sie für den Rest des Tags
sich hin und lauscht verloren
dem Surren des Maschinenparks
sowie der Vibratoren.

Folge 23: Der Maurer
Er schuftet treu und unverwandt
mit Muskeln eines Bären.
Ein Haus erwächst aus seiner Hand –
lasst uns den Maurer ehren!

Er pfeift den Damen hinterher
die blütenzartsten Weisen.
Er pfeift pro Schicht drei Kästen leer –
lasst uns den Maurer preisen!

Er trägt die Hose nicht wie du
keusch überm Hosenboden.
Die Ritze auf, die Birne zu –
lasst uns den Maurer loben!

Folge 24: Der Lehrer
Der Lehrer geht um sieben raus
und ruft vier Stunden: »Leiser!«
Um kurz nach eins ist er zu Haus:
nicht ärmer, aber heiser.

Bis vier fläzt er im Kanapee
mit Sekt und Stör und Brötchen.
Dann nimmt er’s Taxi hin zum See,
dort steht sein Segelbötchen.

Er legt sich rein und gibt sich hin
und schaukelt bis zum Morgen.
So ist sein Leben frei von Sinn,
von Arbeit und von Sorgen.

Folge 25: Der Psychoanalytiker
Er legt dich auf die Couch und sinnt
drei Jahre nach, dann hat er’s:
Er fragt dich, wie das war als Kind
der Mutter und des Vaters.

Er lässt dich reden, hört nicht zu
und kaut an Bleistiftspitzen.
Er malt ein Häuslein, das macht muh,
und andere Notizen.

Du gibst dein Geld, denn nicht nur er
hat einen an der Klatsche.
Stets hilft ein Analytiker
zwei Irren aus der Patsche.

Folge 26: Der ICE-Zugchef
Ein Kieler Morgen, heiß und licht.
Er spricht dezent und leise:
»Die Lüftung funktioniert heut nicht.
Wir wünschen gute Reise.«

Ein Kieler Nachmittag. Man hört
im Halbschlaf seine Worte:
»Die Oberleitung ist zerstört.«
Im Bistro: alte Torte.

Die Kieler Nacht, von ihm versüßt
dank tiefster Menschenkenntnis:
»Zwölf Stunden sind nun eingebüßt.
Wir bitten um Verständnis.«

Folge 27: Der Weltumsegler
Er fuhr hinaus und glühte sehr
und ward dann täglich blasser:
Er suchte Urgrund, Ziel und Meer,
doch um ihn nix als Wasser.

Zum Horizont blieb’s ewig weit.
Dort warf mit Aquarellen
ein Meer aus Licht und Ewigkeit.
Doch um ihn nix als Wellen.

So hat er, aller Hoffnung bar,
Nachweltliches geregelt:
»Der kommt der Welt nicht wirklich nah,
der sie gezielt umsegelt.«