Was soll diese Telefon-Pose?

Wer den Hörer mit der linken Hand ans rechte Ohr hält, will gleichzeitig lässig und beschäftigt aussehen.

Ein bisschen sieht es immer so aus, als ob sie sich selbst ohrfeigen: die Leute, die ihre Handys mit der rechten Hand ans linke Ohr Halten oder umgekehrt. Und das, obwohl sie gerade sowohl beide Hände wie auch beide Ohren frei haben. Warum tun die das nur? Man könnte denken: weil sie die einschlägigen Psychoratgeber gelesen haben, in denen von den beiden Gehirnhälften die Rede ist, die für die jeweils gegenüberliegende Körperhälfte zuständig sind. Okay, kann man machen. Man kann ja so viel machen. Es hat vermutlich einen anderen Grund.

Gesten entspringen ja längst nicht immer dem eigenen Körper, oft sind sie antrainiert, mühsam erlerntes Vokabular. Gerade die etwas exaltierten Gesten der letzten Jahre – all die pumpenden Fäuste, das Zeigen in die Menge bei Politveranstaltungen (»Hey, mein alter Freund und Wahlkampfspender, ich sehe dich«), das genervte In-Ear-Kopf-
hörer-Rausreißen von DSDS-Kandidaten (»Verdammt, ich höre die Band nicht mehr! Aber schaut, wie toll ich trotzdem singe«) – haben alle etwas seltsam Hollywoodeskes an sich. Über Kreuz telefonieren, hat man das nicht tausendmal in Filmen gesehen, in denen es gerade brenzlig wurde? In Kontrollcenter-Szenen, Newsroom-Szenen, Wall-Street-Szenen, Houston-wir-haben-ein-Problem-Szenen? Die Geste sagt: Ich bin beschäftigt, siehst du nicht, wie sehr ich im Stress bin? Ich habe nicht mal Zeit, Hand und Ohr zu koordinieren. Lass mich in Ruhe, ich te-le-fo-nie-re. Der Arm ist wie der Schrägbalken auf einem Verbotsschild: hier jetzt nicht. Bitte. Früher hat man sich den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, um Vielbeschäftigtheit zu simulieren, bei diesen modernen und dünnen Handys aber gibt es nicht mehr viel zu klemmen.

Geblieben ist die seltsame Begleiterscheinung, dass die Demonstration äußerster Lässigkeit immer wahnsinnig unbequem ist. Es ist wie bei der größten Coolness-Geste von allen: beim Autofahren den Arm aus dem Fenster zu hängen. Sieht so lässig aus, aber ganz ehrlich: Gibt es einen sinnloseren Schmerz, als den linken Arm krampfhaft erhöht auf einer so schmalen, so ins Fleisch schneidenden Autotürlaibung zu parken? Das hält keiner länger als zwei Minuten aus. Und doch, die Geste ist so unausrottbar wie Rauchen. Für nichts leidet man so gern wie für Leichtigkeit.

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Foto: Luise Aedtner