Die gleichen sich ja wie ein Ei dem ...

öh, kein bisschen. Wer bereit ist, an Ostern mal über den Rand des Bechers hinauszuschauen, kann auf viele verschiedene Überraschungseier stoßen.

Kennen Sie diese Eier? Nein? Hier die Auflösung: Marans, Gans, Emu, Araukaner-Huhn, Pute, Zwergwachtel, Tinamu-Huhn, Wachtel, Perlhuhn, Schwan, Strauß, Nandu-Huhn, Deutsches Huhn (von links nach rechts)

Hin und wieder hört man noch die Frage, was zuerst da gewesen sei, die Henne oder das Ei, dabei hat die Wissenschaft das längst zufriedenstellend beantwortet: Das Ei in seiner heute noch bekannten Form – eine in Nährflüssigkeit schwimmende Fortpflanzungszelle mit kalkhaltiger Schale drum herum –, das haben die Dinosaurier erfunden. Dinos pflanzten sich schon mit Hilfe von Eiern fort, als das Konzept Huhn am Horizont der Naturgeschichte noch nicht einmal absehbar war. Auf die Idee, neben kleinen Krokodilen auch kuschelgelbe Küken in Eier zu packen, auf diese Idee kam die Evolution erst viel später.

Den meisten Menschen ist die Erdgeschichte egal, sonst würde die Frage nicht mehr kursieren, und auch das Ei ist vielen einerlei, eines wie das andere. Der frühstücksmüde Mensch unterscheidet höchstens zwischen hart und weich gekocht, und stimmt die Konsistenz, ist es dann auch gleich, ob die Schale weiß war oder braun. Dabei gibt es, was die Farbe der Schale angeht, tatsächlich noch globale Unterschiede: Die Amerikaner mögen ihr Ei lieber klinisch-weiß, die Europäer natürlich-braun, aber das kommt den Hühnern entgegen, denn sie können beides.

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Weiß oder braun – damit endet aber bereits die Auswahl beim Ei. Das Huhn mit seinem Konsumprodukt hat eine konkurrenzlos marktbeherrschende Stellung erreicht, von der Unternehmen wie Apple, Google oder Microsoft nur träumen können; einzig die Wachtel, ein Zwerghuhn, hält mit ihrem äußerst dekorativ gesprenkelten Ei dagegen, wird aber nicht ernst genommen, weil man gleich ein halbes Dutzend Wachteleier aufschlagen muss, um die Menge eines Hühnereis zu erhalten. »Gut geeignet für die Puppenküche«, urteilt Wikipedia leicht abwertend.

München, Viktualienmarkt. Ob sie Enteneier im Angebot habe? Selma, die türkische Eierverkäuferin bei Geflügel Spegassner, hebt die Hände zum Himmel und vergisst dabei sogar, ihre Stammkundin weiter zu bedienen: »Sie würden sie mir aus den Händen reißen!« Mit »sie« meint Selma die Asiatinnen, denn in Asien stehen Enteneier in bestem Ruf, man verfüttert sie an die Säuglinge, damit ihnen viele Haare wachsen, offensichtlich mit Erfolg. »Enteneier!«, ruft Selma. »Wenn ich nur welche hätte!« Allein, sie darf sie nicht verkaufen, irgendeine Behörde hat da den Hygieneriegel davorgeschoben, und die Hygiene ist ja das Killerargument im Geflügelbereich, ungefähr so wirksam wie der Asbest bei den Städtebauern. Also keine Enteneier.

Küchentechnisch scheint das Ei so erschlossen zu sein wie die Antarktis für den Tourismus. Jedenfalls gibt es auf dem gesamten, sonst für seine kulinarische Vielfalt gerühmten Viktualienmarkt in München nur Hühnereier. Kleine und große, weiße und braune, okay, aber eben nur Hühnereier. Es gibt kein frisches Gänseei, kein frisches Entenei, kein frisches Möwenei, kein frisches Straußenei und auch, falls jemand ein Emulett zubereiten möchte, kein frisches Emu-Ei. Von Gans, Emu und Strauß werden immerhin die Eierschalen verkauft, ausgeblasen und ausgekocht, zur Dekoration des Osterstrauchs.

Überhaupt Ostern: Seit jedes Hühnerei bestempelt sein muss, gibt das Färben der Ostereier keine ästhetischen Ergebnisse mehr her. Die bewährten krachbunten Kaltfarben von Heitmann decken nicht, sie tönen nur, der Stempel scheint bei den hellen Farben durch, was nun wirklich nicht schön aussieht. Dabei hätten allein die Hühner von Natur aus alle Farben parat, schließlich gibt es mehr als hundert verschiedene Hühnerrassen. Araukaner-Hühner legen ihre Eier in Türkisblau, Barnevelder Hühner produzieren ein sattes Dunkelbraun, Empordanesa ein dunkles Rotbraun mit bläulichem Schimmer, Marans ein Rotbraun mit dunklen Flecken, Welsumer legen dunkelbraun und deutsche Langschan strohgelb. Nur sind diese Hühnerrassen nicht wirtschaftlich genug, als dass auch nur ein Ei auf dem normierten Frühstückstisch landen würde.

Früher hatten Hühner im Winter Urlaub, weshalb die Menschen an Ostern die Wiederkehr der Legefreudigkeit feierten, die Rückkehr der Eier. Heute werden die Hybridhühner zwölf Stunden pro Tag beleuchtet, damit sie ihr Legeziel von vierhundert Eiern in sechzehn Monaten erreichen. Und auch schreiend bunt gefärbte Eier gibt es inzwischen das ganze Jahr über. »Ich wollt, ich wär ein Huhn, ich hätt nicht viel zu tun«? Heute singt so einen Unfug keiner mehr.

Fotos: Walter Cimbal