Dürfen wir vorstellen: Zoo-Kid

Muttersöhnchen, Mädchenschwarm, Musiker und so was wie der neue Justin Bieber. Nur cooler.

Die Haare viel zu rot, die Ohren wie Prinz Charles. Zoo Kid kommt aus London, heißt eigentlich Archy Marshall, ist 16 Jahre alt und wirkt wie einer von denen, die auf dem Schulhof allein rumstehen. In einer Hochwasserhose, dazu ein fleckiger Strickpullover, das Hemd bis obenhin zugeknöpft, drüber ein zu großer Blazer. Niemand würde Archy in sein Hockeyteam wählen, ihn zu einer Party mitnehmen. Aber: Während die coolen Jungs in seinem Alter noch heftig an ihrem Musikgeschmack feilen, ist er über dieses Stadium längst hinaus: Er macht sie einfach. Und zwar so, dass man bei jedem Song auf Repeat drücken möchte.

Sein Video zur ersten Single Out Getting Ribs wurde in den ersten Wochen auf YouTube über 200 000 Mal angeklickt. Den Song gab es nicht auf CD, nur auf Vinylplatte. Sie war nach kürzester Zeit ausverkauft. Der Guardian hält ihn für eines der größten Nachwuchstalente Englands. Gerade hat das hippste Label Londons, House Anxiety Records, ihn unter Vertrag genommen. Derzeit arbeitet Archy am ersten Album. Bis es so weit ist, kann man seine Songs auf der Musikplattform Soundcloud hören. Im Internet ist er bereits ein Star. Die Blogs quellen über von Kommentaren wie: »Dieser Typ würde mich mit seiner Musik dazu bringen, meine Katze zu verkaufen.«


Im Video zu Out Getting Ribs knetet Zoo Kid seine Hände. Ein grauer Raum, er schaut zu Boden. Eigentlich möchte man sofort wegklicken. Plötzlich jedoch: melodisches Geklimper, Elektrobeats und dann eine Darth-Vader-Stimme, die über Liebe und Hass singt. Danach wieder zarte Echos. Zoo Kid spielt Gitarre wie ein Afrikaner und singt wie ein bellender Hooligan. An manchen Tagen fühle er sich, »als würde das gesamte Gewicht dieser Welt zwischen meinen Schulterblättern hängen«, sagte er in einem Interview. Wahrscheinlich muss man sich so fühlen, um solche Musik zu machen.

»Mein Onkel hat eine riesengroße Plattensammlung. Er war der Erste, der bei mir Begeisterung für Musik weckte. Bei ihm hörte ich Elvis Presley, Gene Vincent und Fela Kuti«, beschreibt Archy Einflüsse auf seine Musik. Seiner Mutter wird der Hype um ihr melancholisches Wunderkind zu viel. Ein Interview bekommt inzwischen nur noch die New York Times. Doch Archy geht es nicht um Geld, Erfolg und Anerkennung. Er will einfach nur Musik machen. Das kann man glauben oder nicht. Steht er mit geschlossenen Augen auf der Bühne und hält sich an seiner Gitarre fest, muss man es. Der Junge lebt in seiner Welt, einer, die mit unserer nicht viel zu tun hat. Dass ihm die Leute zu Füßen liegen, kann er gar nicht sehen, egal, wie hell der Spot leuchtet.

Sein Kollege James Blake, der auch aus dem Süden Londons kommt, macht postmodernen Indiepop in Zeitlupe. Da schweben Teebeutel und Äpfel durch das Video Limit To Your Love, und alle finden das toll. James hat keinen Plattenonkel, dafür einen Komponistenvater. Genau wie bei Zoo Kid waren Medien und Musikliebhaber längst angefixt, bevor sein erstes Album erschien. Jetzt ist es da und verkauft sich erfolgreich. James Blake hat es geschafft. Zoo Kid geht noch zur Schule. Einige Monate wird es noch dauern, bis sein erstes Album erscheint. In London spielte er mehrere Gigs, den ersten internationalen Auftritt hatte er im März in Paris. Sein französisches Publikum gab ihm sofort den Spitznamen »Wolfskind«. Einen animalisch guten Instinkt, was Musik angeht, hat er.

Foto: Alex de Mora