Warum diese Doppelung?

Es scheint heute fast unmöglich, einen einfachen Espresso zu bestellen.

Zunächst stellte sich natürlich die Frage, ob es an einem selbst lag. Ob man trotz acht Stunden besten Schlafs Ringe unter den Augen hatte wie mit dem Kajalstift gezogen. Denn warum sonst sollten die Menschen in Kaffeeläden seit Neuerem auf die Bestellung »Einen Espresso, bitte« jedes Mal sagen: »Einen Doppelten?« Manchmal, wenn der Kaffeeladen auf italienisch macht, fragen sie auch: »Einen Doppio?« Bald aber stellte sich heraus, dass die Doppio-Sache, wie so vieles, nichts mit einem selbst zu tun hat. Männern mit strahlenden Gesichtern wird der Upgrade empfohlen, ebenso sehr wachen Frauen und selbst alten Menschen, bei denen ein Doppio den Herzschlag bedrohlich beschleunigen könnte.

Hier eine Behauptung: Es bestellt selten bis nie jemand einen einfachen Espresso, wenn er eigentlich einen Doppelten will. Warum die Kaffeemenschen den Doppelten trotzdem beharrlich anbieten, hat natürlich damit zu tun, dass sie mehr Kaffee verkaufen wollen. Es erscheint nicht abwegig zu vermuten, dass ein paar findige Geschäftsoptimierer ein dickes (zweibändiges wäre naheliegend, ist aber wohl übertrieben) Konzeptbuch erarbeitet haben, das besagt: Beim Doppio springt, obwohl er nur das Eineinhalbfache kostet, noch mehr Gewinn raus – also wird er fortan freundlich-bestimmt angeboten. Allerdings ist es für den Kunden befremdlich, mit seiner Bestellung so wenig ernst genommen zu werden. Die Nachfrage wirkt, als fragte der Wirt in der Stammkneipe auf die gewohnte Bestellung »Ein Helles, bitte« mit: »Dürfens zwei sein?«

Eine Zeitlang verfuhren die Tresenkräfte bei »McDonalds« nach einem ähnlichen Prinzip. Wer ein Menü bestellte, wurde gefragt, ob er nicht das Maxi-Menü haben wolle, mit mehr Pommes und mehr Cola für nur ein bisschen mehr Geld. In Amerika hieß die Aufstockung »to supersize«, was Morgan Spurlock dazu animierte, seinen Film, in dem er dreißig Tage lang ausschließlich bei »McDonalds« isst, Super Size Me zu nennen. »McDonalds« hat das Maxi-Prinzip beim Essen längst wieder abgeschafft. In den hiesigen Kaffeeläden ist es dafür gerade erst angekommen.

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Interessant wäre, ob es beim Espresso mittelfristig die gleiche Entwicklung gibt wie bei dünnerem Kaffee. In den USA hat die Kaffeekette »Starbucks« im Mai eine neue Bechergröße eingeführt: Sie heißt »Trenta« und fasst beinahe einen Liter. Es ist, zugegeben, im Moment eher unwahrscheinlich, dass sich dieses Unmaß auch beim Espresso durchsetzt, der ja üblicherweise in Portionen zu 0,025 Litern getrunken wird. Falls aber doch, lautete die angenehm irre Gegenfrage auf die Bestellung dann: »Einen 40-Fachen?«