Kann ich meinen Stil einfach ändern?

Es muss ja nicht gleich eine 180-Grad-Wende sein: Die Schauspielerin Fritzi Haberlandt hat es für uns ausprobiert.

SZ-Magazin: Frau Haberlandt, Sie haben die Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« besucht und arbeiten viel am Theater. Können Sie uns erklären, warum Theaterschauspieler selten Spaß an Mode haben?
Fritzi Haberlandt: Am Theater muss man sich am Tag mehrmals an- und ausziehen. Tagsüber sind Proben, danach geht es wieder rein in die eigenen Klamotten. Am Abend schlüpft man ins Kostüm für ein anderes Stück, und es geht auf die Bühne. Wer hat da noch Lust, über ein modisches Alltagsoutfit nachzudenken?

Es ist also reiner Pragmatismus? Keine Haltung?

Na ja, Mode gilt in Intellektuellenkreisen schon als etwas Oberflächliches. Am Theater will man in die Tiefe gehen, sich mit Texten auseinandersetzen, nicht mit Trends.

Und deswegen hat man sich auf den Bertolt-Brecht-Look geeinigt: Schiebermütze, Lederjacke, gedeckte Töne?

Den sieht man meist bei Schauspielschülern, die noch dabei sind, ihre künstlerische Persönlichkeit zu entwickeln. Außerdem kann man sich als Anfänger von seinem Theatergehalt unmöglich ein Designerstück kaufen, da muss es der Secondhand-Look sein. Fernsehschauspieler sind besser bezahlt und können es sich leisten, modisch zu sein.

Wann haben Sie angefangen, sich für Mode zu interessieren?

Mit Ende zwanzig, als ich nicht mehr nur Theater gespielt habe, sondern anfing, Filme zu drehen. Plötzlich hatte ich mehr Zeit und damit auch mehr Lust, mir über meine Alltagskleidung Gedanken zu machen.

Kurz nach der Wende sind Sie mit Ihren Eltern von Berlin nach Hamburg gezogen. Hat das Ihren Stil verändert?
In Hamburg trugen damals alle diese grünen Wachsjacken von Barbour und Poloshirts von Lacoste. Dieser Popper-Look hat mich total kaltgelassen. Mit 16 Jahren habe ich mir die Haare abrasiert, weil ich Sinéad O’Connor so toll fand. Als Teenager war ich jeden Sommer im Ferienlager der Akademie der Künste. Dort ging es nie darum, so wie die anderen auszusehen, sondern möglichst individuell. Wir haben unsere T-Shirts selber gebatikt, uns Fantasieoutfits ausgedacht und untereinander die Schuhe getauscht.

Was ist typisch Fritzi?
Kurzes Kleid, hochgeschlossen, Stiefel. Der Twiggy-Look passt gut zu meiner Figur.

Und wie sehen andere Sie?

Genauso. Mein Freund mag meinen Sechzigerjahre-Look sehr. Ich habe gefühlt 400 Kleider. Am liebsten kaufe ich Originale. Meist in Vintage-Läden, aber auch auf Ebay. Oft sind sie zu groß, aber das ist egal, dann lasse ich sie umnähen.

Was meinen Sie: Hat der Name Fritzi auch Ihren Kleidungsstil beeinflusst?

Neulich habe ich gelesen, dass der eigene Name das Wort ist, das man in seinem Leben am meisten hört. Logisch, dass er einen prägt. Fritzi klingt lustig und heiter. Möglich, dass ich mich deshalb unbewusst für den flippigen Typ entschieden habe. Schon in der Schule war ich die Lustige im Zwiebel-Look. Für meinen Namen musste ich mich aber auch oft rechtfertigen: »Nein, das ist kein Spitzname. Nein, das ist keine Abkürzung.« Das stählt und hat mich darauf vorbereitet, für mich einzustehen.

Klingt nach einem Lebensmotto, nicht?

Zwangsläufig. Als Schauspielerin wird man auch ständig infrage gestellt. Beim Casting, von der Regie und auch von den Zuschauern. Es hilft, wenn man ein stabiles Selbstwertgefühl hat.

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In Ihrem nächsten Film, Fenster zum Sommer, unter der Regie Ihres Freundes Hendrik Handloegten, heißen Sie ganz weiblich Emily.
Der Name passt zu der Figur. Ich spiele eine alleinerziehende Mutter, die auf der Suche nach der großen Liebe ist. Sie ist naiv, offenherzig, unverblümt und trägt dementsprechend bunte und eher eigenwillige Kleider.

Oft Hängerchen, die nicht unbedingt sexy sind, oder?

Mir hat der Look gut gefallen. Nach dem Dreh habe ich der Produktion einiges abgekauft. Zum Beispiel das geringelte Häkelkleid von Marie-Louise Vogt, einer jungen Designerin aus Hamburg. Aber auch ein Basicstück wie den schwarzen Trenchcoat, den ich gut gebrauchen kann.

Machen Sie das oft?

Na klar. Das ist bei Schauspielern üblich. Wenn einem etwas gefällt, meldet man schon bei den Anproben an, dass man es gern haben würde. Erste Frage: »Kommt das in den Fundus?« Wenn ja, braucht man sich keine Hoffnungen zu machen. Für Ein spätes Mädchen, den ersten Film, den ich mit Hendrik gedreht habe und in dem ich eine Hauptrolle spiele, hat mir die Kostümbildnerin alle Stücke auf den Leib geschneidert.

Die Sachen durften Sie behalten?

Ja, aber ich musste sechzig Prozent des Originalpreises bezahlen. Das ist beim Filmabkauf meistens der Deal, verschenkt wird kaum etwas. Da Geld ja oft knapp ist, freut sich die Produktion, wenn etwas zurückfließt.

»Mein Aussehen regt die Fantasie von Regisseuren an«

Theaterschauspielerinnen wird nachgesagt, dass sie keine Hemmungen hätten, sich vor anderen auszuziehen. Wie ist das bei Ihnen?
Hinter der Bühne muss es schnell gehen, da ist keine Zeit, um sich zu schämen. Wenn ich arbeite, ziehe ich mich ohne Probleme vor den Technikern bis auf die Unterwäsche aus. Privat ist das was anderes und beim Film auch. Ich bin froh, dass mein Freund es bisher vermieden hat, mir eine Unterwäschenszene ins Drehbuch zu schreiben.

Sie haben mal gesagt: »Schön sein können andere besser.«
Weil ich im klassischen Sinne nicht hübsch bin. Ich bin wohl das, was man einen Typ nennt. Unter meinen Bildern stehen meistens Adjektive wie »herb«, »merkwürdig« oder »spröde«, aber nie die »hübsche« Fritzi Haberlandt.

Stört Sie das?
Nein. Ich profitiere davon! Mein Aussehen regt die Fantasie von Regisseuren an und verschafft mir interessante Rollen. Ich spiele nie einfach nur die hübsche Frau des Verdächtigen, die kein Eigenleben hat und lediglich dazu da ist, sich etwas anzuhören.

Mit einem markanten Gesicht eignet man sich besser zur Charakterdarstellerin, richtig?
Man ist nicht so austauschbar, und man bleibt wohl eher im Gedächtnis. Charakter hat für mich aber mehr mit inneren Werten als mit Äußerlichkeiten zu tun.

Würden Sie öfter das Objekt der Begierde spielen, wenn Sie mehr Dekolleté hätten?
Keine Ahnung, da habe ich noch nicht drüber nachgedacht! Ich weiß: Sexy kann man nur sein, nicht spielen. Aber es gibt Hilfsmittel. Enge Klamotten, hohe Schuhe auch. Weil man sich darin zwangsläufig anders bewegt und fühlt.

Haben Sie nie versucht, das, was Sie für Ihre Schwächen halten, zu kaschieren?
Davon halte ich überhaupt nichts. Meine Beine sind zu dünn, und trotzdem trage ich mit Vorliebe kurze Röcke. Gerade weil sie nicht perfekt sind, mag ich sie besonders gern.

In welchen Situationen geraten Sie in Stress?

Auf dem roten Teppich. Früher habe ich sogar bei meiner eigenen Premiere gedacht, dass ich da nicht hingehöre. Ich fand es einfach nur peinlich und habe mir vorgestellt, wie die Leute am Rand stehen und sich wundern, wer das Mädchen mit den dünnen Beinen ist. Mit einem Kleid, das ich bei einer Filmpreis-Gala trug, habe ich es schon in die »Sonderbar«-Rubrik der Bunten geschafft. An dem Abend trug ich eine helle Strumpfhose, die im Blitzlicht glitzerte. Unter meinem Foto stand: »Wie eine Eisprinzessin in den Achtzigern.« Meine Freunde wollten mich trösten und meinten, die Frau mit dem Prädikat »Wunderbar« habe viel schrecklicher ausgesehen.

Der beste Beweis dafür, dass Mode Geschmackssache ist, oder?

Klar. Ich hätte dennoch für solche Auftritte gern eine Stylistin. Einen Profi, der deine Figur und deinen Geschmack kennt und dir zehn Kleider zur Auswahl anschleppt. Shopping kostet wahnsinnig viel Zeit und kann schnell frustrierend sein, wenn man unbedingt ein Kleid braucht. Tilda Swinton geht garantiert nicht allein los und sucht sich ihre extravaganten Outfits zusammen. Sie hat jemanden, der das für sie macht.

Wollte bisher kein Designer Sie ausstatten?
Tja. Leider nein. Aber vermutlich bin ich auch kein guter Kleiderbügel. Fritzi Haberlandt in Designer XYZ – das würde mich nicht glücklich machen.

Was wäre mit Fritzi Haberlandt in Christian Louboutin? Schon mal gehört?
Ein französischer Schuhdesigner, der mit der roten Sohle. Ich besitze aber kein Paar.

Was ist eine Falabella Bag?
Da muss ich passen. Sagen Sie es mir!

Das ist eine angesagte Designerhandtasche von Stella McCartney, deren Kopie in diesem Sommer an italienischen Stränden verkauft wird.

Und bestimmt tausend Euro kostet, oder? Total krass. Das würde ich dafür nie ausgeben.

Warum nicht?

Da habe ich Skrupel. Das hat mit meinem Elternhaus, meiner DDR-Vergangenheit und sicher auch der Sozialisierung am Theater zu tun. Ein einziges Mal war ich kurz davor, 1300 Euro für eine Tasche auszugeben. Dann bin ich mit einer für 80 Euro nach Hause gegangen, die ich sieben Jahre lang getragen habe. Irgendwie bin ich darauf stolz.

Dabei sagt man: Wer billig kauft, kauft zweimal.

War aber nicht so. Ich finde: Teuer ist einfach, das können alle. Ich bin übrigens viel modischer, als die Leute denken.

Können Sie das etwas ausführen?
Ich lese gern Modezeitschriften, am liebsten im Zug. Bevor ich mit meiner Freundin Aino die wirklich wichtigen Dinge bespreche, diskutieren wir immer kurz durch, was bei »Net-A-Porter« gerade neu reingekommen ist. Ich bewundere Sophie Rois für ihr ausgeprägtes Stilbewusstsein und bin ein großer Fan von Chloë Sevigny.

Warum das?

Sie sieht immer herrlich eigen aus, als ob sie nicht wirklich über ihre Garderobe nachgedacht hätte. Hat sie aber natürlich. Das ist die ganz spezielle Kunst. Bei vielen Hollywood-Schauspielern verschwindet mit dem Erfolg oft auch die Persönlichkeit. Am Anfang ihrer Karriere hatte Scarlett Johansson noch Rundungen. In Lost in Translation fand ich sie hinreißend. Inzwischen ist sie das Gesicht von diversen Marken und hat für mich ihre Einzigartigkeit verloren.

Sie finden sie nicht glamourös?

Nein. Aber das Wort Glamour kommt in meinem aktiven Sprachschatz sowieso nicht vor. Ich lese das in Zeitschriften und akzeptiere es, aber es löst überhaupt nichts bei mir aus. Weder Sehnsucht noch Neid.

Ein Kompliment, das Sie wirklich überrascht hat?
Als ich am Thalia Theater in Hamburg in dem Stück Liliom ohne Schminke und in unmöglichen Klamotten die Julie spielte, haben mir einige Männer gesagt, dass ich toll aussehe. Anscheinend hatte ihnen nicht das Äußere der Figur, sondern meine Ausstrahlung gefallen.

Fritzi Haberlandt, 36, hat in den Ensembles des Berliner Maxim Gorki Theaters, des Hamburger Thalia Theaters und in New York gespielt. Auch in deutschen Filmproduktionen übernahm die Ostberlinerin große Rollen. Dafür bekam sie bereits mehrere Preise, etwa 2004 den Deutschen Filmpreis als beste Nebendarstellerin für ihre Leistung in
Liegen lernen. Die Grundlagen der Schauspielerei lernte Haberlandt an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Ihr neuester Film Fenster zum Sommer kommt im November in die Kinos.

Styling: Mody Al Khufash; Haare & Make-up: Sonja Shenouda / Bigoudi

Fotos: Alexandra Kinga Fekete