»Da war schon eine unglaubliche Konzentration«

Günther Jauch, Sandra Maischberger, Giovannni di Lorenzo, Amelie Fried: Sie alle begannen ihre Karriere einst bei derselben Sendung, Live aus dem Alabama. Ein Gespräch über 30 Jahre Fernsehen

Das passt gut zum Thema: Der Raum, in dem sich Günther Jauch, Amelie Fried, Giovanni di Lorenzo und Sandra Maischberger wiedergetroffen haben, befindet sich im Soho House in Berlin und heißt »Politbüro«.

Amelie Fried: Giovanni, ich soll dich herzlich von meinem Mann grüßen.
Giovanni di Lorenzo: Danke. Ich habe ganz begeistert seinen neuen Krimi gelesen.
Sandra Maischberger: Du kommst noch richtig dazu, Belletristik zu lesen?
di Lorenzo: Nachts. Muss ich. Weil ich sonst meinen Kopf nicht freikriege von dem ganzen aktuellen Müll.
Günther Jauch: Ich habe mich von allem Fiktionalen inzwischen völlig verabschiedet. Ich schaue auch im Fernsehen keine Spielfilme mehr.
Maischberger: Was guckst du denn dann, Günther? Fußball?
Jauch: Nein, ganz wenig Sport. Ich gucke den Nachrichtenkram, Dokumentationen, Talks, auch Unterhaltung. Und sehr viel 3sat, Arte, irgendwelche Geschichten aus Ostpreußen.

SZ-Magazin: Warum haben Sie keine Lust auf Fiktion? Ist das Zeitverschwendung?
Jauch: Ja, ich denke immer, das hat sich einer ausgedacht. Ich kann das gar nicht begründen. Es ist so ein Impuls. Es interessiert mich einfach nicht.
Fried: Dich interessiert die Wirklichkeit und nicht die Fantasie von irgendjemandem. Ich finde aber diese amerikanischen Serien klasse. Ich habe gerade drei Staffeln Breaking Bad geguckt.
Maischberger: Ich schaue keine Serien, weil es mich ärgert, dass die Folgen immer dann aufhören, wenn ich die Geschichte zu Ende erzählt bekommen möchte.
Jauch: Mir ist es egal, wie eine Serie ausgeht.

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Aber die amerikanischen Serien schaut doch inzwischen eh jeder am Stück, auf DVD oder im Netz.
Maischberger: Trotzdem, ich habe es mir völlig abgewöhnt. Ich gucke Nachrichten, Dokumentationen und Spielfilme. Sonst eigentlich nicht viel. Das ist auch ein richtiges Manko, weil mir meine Redaktion Serienschauspieler immer erst nahebringen muss.

Sie haben alle in den Achtzigerjahren bei der gleichen Jugendsendung des Bayerischen Rundfunks als Fernsehmoderatoren begonnen: bei Live aus dem Alabama und Live aus dem Schlachthof, wie die Sendung später hieß. Sind Sie bis heute miteinander befreundet?
Fried: Ich glaube, Giovanni und ich würden uns als Freunde bezeichnen; Giovanni und Sandra wahrscheinlich auch. Wir, Günther, kennen uns gar nicht so gut. Jauch: Mit mir möchte niemand befreundet sein… Nein, Amelie und ich haben uns schon jahrelang nicht mehr gesehen. Sandra und Giovanni sehe ich immer mal wieder.
di Lorenzo: Beim Wegzappen.
Jauch: Freundschaft müsste man auch ganz anders pflegen. Wir haben uns außerdem, was die Sendung angeht, sowieso fast alle verpasst.

Frau Fried und Herr di Lorenzo haben Live aus dem Alabama seit 1984 von Beginn an moderiert; Herr Jauch hat 1987 übernommen, Frau Maischberger 1989. Wenn man die gleichen Wurzeln im Fernsehen hat, bleibt dann die Bindung enger als bei anderen Kollegen, die man auch seit Jahren kennt?
di Lorenzo:
Dazu muss man wissen: Beim Fernsehen herrscht so ein Klima »Wir sind alle Freunde«, es wird sofort geduzt. Und einige sind unglaublich begabt darin, diese Illusion von Nähe zu vermitteln.

Aber umgekehrt geht’s? Man kann befreundet sein, obwohl man sich über die Arbeit im Fernsehen kennt?
di Lorenzo:
Absolut, aber dann muss man, glaube ich, biografisch was teilen, wie Amelie und ich, die sozusagen aus der Gosse zum Fernsehen kamen, ohne jede Ausbildung.
Maischberger: Also, ich halte die Branche nicht für verlogener als andere. Es ist vielleicht verführerischer, sich Sachen zu erzählen, die man so nicht meint, weil es eine Kommunikationsbranche ist. Und es ist schwieriger, in diesen Kreisen Freundschaften aufrechtzuerhalten, einfach weil es sehr zeitintensive Berufe sind.

Herr Jauch, sind Sie mit jemandem befreundet, den Sie über das Fernsehen kennen?
Jauch:
Mit Thomas Gottschalk, aber noch aus Radiozeiten. Ich bin auch mit einigen befreundet, die nicht vor der Kamera arbeiten. Aber um noch mal auf unsere gemeinsamen Anfänge zurückzukommen: Ich weiß nicht, ob der Vergleich stimmt, aber wir sind jetzt Ingenieure auf verschiedenen Baustellen und waren irgendwann alle mal bei Siemens.

Live aus dem Alabama war also eine Art Kaderschmiede.
Jauch: Anscheinend.
di Lorenzo: Da war schon eine unglaubliche Konzentration.Fried: Ich fühle mich mit euch allen schon besonders verbunden.
Jauch: Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man zu Menschen, die man sehr früh im Berufsleben kennengelernt hat, doch eine engere Bindung hat, weil man das als ursprünglicher empfindet. Das ist aber wie im Privatleben. Natürlich traut man den Menschen, die man noch aus der Schule oder aus der Studienzeit kennt, mehr als denjenigen, die mit fliegenden Fahnen vor einem halben Jahr zu einem übergelaufen sind.

Weil Sie damals noch nicht prominent waren?
Jauch:
Auch.
di Lorenzo: Bei jedem, der hier sitzt, würde ich mich trauen hinzugehen und zu sagen: »Ich weiß nicht weiter, kannst du mir einen Rat geben?«
Maischberger: Dem stimme ich zu. Habe ich übrigens auch schon gemacht. Was mir aber bis heute nicht ganz klar ist: Hat der BR bestimmte Typen ausgesucht? Oder sind wir uns durch diese Sendung ähnlich geworden, die ja Themen unterschiedlichster Art gebündelt hat? Ich erinnere mich an Abende, wo wir von der ersten Liebe bis zum Konflikt zwischen Aserbaidschanern und Armeniern wirklich alles untergebracht haben in 105 Minuten Sendezeit. Diese Prägung, mit verschiedenen Themen in der gleichen Intensität umgehen zu müssen, ist eine journalistische Mitgift, die wir alle in frühem Stadium erhalten haben.
Jauch: Was man Live aus dem Alabama auch zugutehalten muss: Mit der Sendung hat der Bayerische Rundfunk versucht, den tiefen Graben zwischen E und U zuzuschütten. Das ist aber nur teilweise gelungen, weil wir zwar recht ordentliche Einschaltquoten gehabt haben, aber wohl in erster Linie bei Eltern und Großeltern.
Maischberger: Du hast es doch sogar ausprobiert, Günther. Du hast ein Quiz eingeführt, bei dem die Leute anrufen und was gewinnen konnten. Das ist dann zu meiner Zeit eingestellt worden, weil viel zu viele alte Leute anriefen und das schlecht fürs Image war.
di Lorenzo: Diesem Eindruck muss ich widersprechen. Immer wieder kommt es vor, dass ich am Bahnhof oder Flughafen stehe, und es reden mich Menschen mit grauen Haaren und Halbglatze an und sagen: »Ich bin mit Ihnen aufgewachsen.« Da erschrecke ich manchmal, weil ich denke: So alt sind wir doch auch nicht!
Jauch: Am schlimmsten sind die mit der Glatze, die sagen: »Ich habe Sie als Kind verehrt.« Warum gibt es eigentlich eine solche Jugendsendung heute nicht mehr?
di Lorenzo: Wegen erwartbarer Erfolglosigkeit?
Jauch: Vielleicht. Aber man darf bei allen rührseligen »Weißt du noch?«-Erinnerungen nicht vergessen: Wenn man tatsächlich mal ein paar alte Schnipsel der Sendung im Netz sieht, findet man die gar nicht mehr so unterhaltsam.
Fried: Du wärst auch nicht die Zielgruppe. Aber meine 17-jährige Tochter hat kürzlich mit mir einen halbstündigen Ausschnitt aus der berühmten Alabama-Sendung über Rechtsradikalismus gesehen, mit Mitgliedern der Wiking-Jugend. Die saß wie gebannt davor und sagte: »Boah, ist das cool! Wieso gibt es so was heute nicht?« Denn die Generation unserer Kinder, bilde ich mir ein, ist auch wieder ein bisschen politischer als die dazwischen. Und die hätte heute wirklich Spaß an so einer Art Sendung. Die müsste natürlich ein bisschen anders sein, moderner, vielleicht schneller.
Maischberger: Das mit der Schnelligkeit ist ein guter Hinweis. Eine der Hauptdiskussionen mit meiner Redaktion ist: Wie viele Gäste für wie viele Minuten? Gespräche, bei denen zwischen den Gesprächspartnern was Ungeplantes passieren soll, brauchen Zeit. Und genau die Zeit hatten wir in den Achtzigerjahren noch, weil es weniger Möglichkeiten gab, umzuschalten. Man hat gewartet, bis etwas passiert. Heute sagt man immer, es müsste alles schneller sein. Aber damit ist das Gesprächsformat, in dem etwas Ungeplantes geschehen kann, schon nicht mehr möglich.
di Lorenzo: Wichtig ist doch: Wir hatten damals noch einen erklärten Gegner. Gerade in den Anfangsjahren von Alabama war das die bayerische Staatsregierung. Nach kontroversen Sendungen kriegten wir von den darüber tief erschrockenen Chefs im BR gelegentlich eine Reaktion aus dem Kabinett zugespielt, zum Beispiel den Satz: »Lasst uns den Saustall dichtmachen!«
Jauch: Viele Jahre später hat mir der Stoiber diesen weißen oder blauen Panther für die großen Verdienste beim Bayerischen Rundfunk verliehen. Auf der Bühne habe ich gesagt, hier steht einer neben mir, der hat mir das Leben früher ganz schön schwergemacht. Wenn ich überlege, dass der Stoiber heute im Beirat von Pro7/SAT. 1 sitzt: Hätten wir damals auch nur ansatzweise das gemacht, was da gang und gäbe ist, dann wären wir auf den Mond geschossen worden!
di Lorenzo: Wir gingen bei Live aus dem Alabama jedenfalls immer mit dem Risiko in die Sendung: Wenn es wieder Ärger gibt, sind wir danach vielleicht weg vom Fenster. Und dieser politische Druck ist heute komplett weg. Es ist zwar auch Druck da. Aber der kommt einerseits von den Quoten, andererseits von was ganz anderem. Und das ist eine dramatische Umkehrung: Er kommt nämlich von der Angst, die Zuschauer zu vergraulen. Viele Moderatoren - gerade die jüngeren - passen heute auf, dass ihre Marke nicht beschädigt wird, zum Beispiel durch unbotmäßige Fragen. Bei Live aus dem Alabama haben wir immer die prominenten Gäste gescannt: Wo ist ihre Schwachstelle? Um genau da reinzugehen. Heute heißt es bei der Vorbereitung: Wichtig ist gute Stimmung!
Maischberger: Da widerspreche ich vehement: Wir versuchen in meiner Sendung vielleicht nicht unbedingt, alle Schwachstellen der Gäste aufzudecken, aber natürlich überlegen wir uns bei jedem: Wo ist der kritische Punkt? Ob wir ihn dann bringen, ist eine andere Frage. Und ich kriege von der öffentlichen Meinung immer dann eins auf die Nase, wenn ich Menschen in meine Sendung einlade, die nach dem Achtzigerjahre-Prinzip ausgesucht sind, die also ein wenig gegen die politische Correctness oder auch nur gegen den guten Geschmack verstoßen.
Jauch: Mir gehen vor allem die Leute in den Sendern auf die Nerven, die immer schon vorher wissen, was da kommen könnte, diese Reichsbedenken-träger. Im Vorhinein schon mal warnen, mahnen, verhindern wollen …
Fried: Gibt’s die heute noch?
Jauch: Die gibt es leider immer noch. Die Aversion dagegen, die habe ich mir im Grunde mit dem gleichen Kampfeswillen bewahrt, den ich schon bei Live aus dem Alabama hatte. Da bin ich seitdem um keine sechs Monate gealtert!
Maischberger: Aber die Frage ist ja auch: Womit könnte man in heutigen Talkshows noch ähnliche Aufregung hervorrufen? Ich weiß noch, dass ich 1989 die erste Live aus dem Alabama-Sendung gemacht habe, in der Schwule eingeladen waren. Das habt ihr, Amelie und Giovanni, offensichtlich schon lange versucht gehabt. Günther war, glaube ich, nicht so interessiert.
di Lorenzo: Günther war da immer schon phobisch.
Maischberger: Jedenfalls war es ein Riesenaufwand, die Sendung überhaupt machen zu dürfen. Und die Maßgabe des Senders war: Ihr dürft jemanden einladen, der schwul ist, aber es muss auch jemand von der Kirche dabei sein.


Selbst die Könige der Branche kommen an Grenzen.

Live aus dem Alabama fiel es noch leicht, Konflikte zu erzeugen. Ist die völlige Offenheit und Toleranz also das größte Problem der aktuellen Fernseh-Talkshow?
Maischberger: Inzwischen haben sich alle Tabus erledigt.
Jauch: Mit einem Tabubruch muss ich jedenfalls in keine Sendung mehr gehen. Da mache ich mich ja lächerlich.
Fried: Vielleicht ist das wirklich die schlüssigste Erklärung dafür, dass es eine Sendung wie Live aus dem Alabama heute nicht mehr geben kann.

Trotz aller Veränderungen sind Sie dem Format aber seit einem Vierteljahrhundert erhalten geblieben. Weil ein Leben ohne Fernsehen, wenn man einmal prominent war, nicht mehr vorstellbar ist? Oder weil man nichts anderes gelernt hat?
Maischberger: Sie haben als Argument ausgelassen: Weil es auch Spaß macht.
Fried: Auf mich trifft das nicht zu. Ich bin seit zwei Jahren nur noch sporadisch im Fernsehen tätig. Und ich habe mir schon vor 15 Jahren sehr bewusst einen zweiten Beruf gesucht, das Schreiben, in dem ich glücklicherweise erfolgreich genug bin, um mich davon gut zu ernähren. Ich hatte immer ein gespaltenes Verhältnis zu diesem Medium. Giovanni hat mir bei 3 nach 9 oft vorgeworfen, ich würde nicht genug fernsehen. Und das mag stimmen. Ich wollte das Moderieren nie als meinen einzigen Beruf anerkennen - was sich bewährt hat, weil man jenseits der 50 nicht mehr die große Auswahl an tollen Angeboten hat. Du bist ja noch ein Stück davon entfernt, Sandra.
Maischberger: Da stimme ich zu, dieses Alter ist eine heikle Schwelle für Fernsehfrauen. Ich habe sogar mal eine Lebensversicherung abgeschlossen, die wird mir mit 50 ausbezahlt.
Jauch: Ich habe nie eine Lebensversicherung abgeschlossen.
di Lorenzo: Günther ist ja auch der Einzige von uns, der keine braucht.
Maischberger: Für mich ist das Fernsehen als Medium gar nicht erste Wahl gewesen. Ich habe im Radio begonnen und bin durch Zufall zum Fernsehen gekommen.
di Lorenzo: Ich höre euch gern zu, weil ich aus dieser kleinen Gruppe ja der Einzige bin, der nach Alabama nicht mit Fernsehen weitergemacht hat. Ich habe bei der Süddeutschen als Redakteur angefangen und erinnere mich sehr gut an den Wirbel, als Amelie zum ZDF ging, zu Live aus der Alten Oper.
Fried: Das war die erste bundesweite Talkshow.
di Lorenzo: Ich finde aber im Nachhinein, dass Kollegen wie Sandra und Günther die absolute Ausnahme sind, weil sie sich dauerhaft gehalten haben.
Maischberger: Ich kann nach zwei Sendungen Mitte der Neunziger, die gigantisch gefloppt sind, immerhin drei komplett fernsehfreie Jahre vorweisen, das ist doch auch was, oder?
Jauch: Ich fast zehn!

Sie meinen die Zeit, bevor Sie ins Gymnasium kamen?
Jauch:
Leute, ich war neun Jahre und sieben Monate fest angestellt beim Radio des Bayerischen Rundfunks.
Fried: Günther, das war vor deiner Fernsehkarriere. Wir meinten, seit du Fernsehen machst, warst du ununterbrochen auf dem Schirm.
Jauch: Ach so, ja, das stimmt natürlich.
di Lorenzo: Sandra, würde es dich treffen, wenn du nicht mehr auf dem Bildschirm wärst?
Maischberger: Das kann ich nicht sagen. Es ist sehr bequem, im Fernsehen zu sein, weil man eine unmittelbare Resonanz auf seine Arbeit bekommt. Und ich schätze natürlich das Privileg, als bekannter Mensch - wie soll ich sagen - nett behandelt zu werden. Aber da ich es schon einmal ohne Fernsehen ausgehalten habe, könnte es sein, dass es möglich ist.

Frau Fried, Sie können ja beurteilen, ob das geht.
Fried:
Wie Sie sehen. Ich habe überlebt und bin noch ganz fröhlich. Und jetzt schreibe ich Bücher und halte Vorträge. Apropos, ich coache übrigens einige von euren Gästen, wenn sie bei euch eingeladen sind.
Maischberger: Was? Welche Gäste denn?
Fried: Das kann ich natürlich nicht sagen, aber es gibt Leute, die meisten aus der Wirtschaft, die müssen in Talkshows und haben Angst davor. Und jetzt gebe ich meine Kenntnisse an diese Leute weiter.
Maischberger: Ach! Verräterin!

Herr Jauch, wie ist das bei Ihnen? Ist ein Leben ohne Fernsehen denkbar?
di Lorenzo:
Jetzt bin ich gespannt, ob er ehrlich ist.
Jauch: Ich glaube, dass ich es gut könnte, aber weiß es natürlich nicht genau. Auch in dieser Hinsicht habe ich viel von Thomas Gottschalk gelernt, der eine Zeit lang wirklich in hoher Frequenz Sendungen gemacht hat, und den ich dann zu Hause in Amerika derart tiefenentspannt erlebt habe …
Maischberger: Ich kenne Thomas Gottschalk weniger gut als du, aber von dem würde ich behaupten, er hat sein Malibu in sich, vom Wesen her.
di Lorenzo: Immer schon. Das ist ein Geschenk des Himmels. Seine Frau hat mal gesagt, der ist noch nie schlecht gelaunt aufgewacht. Das musst du dir mal vorstellen!
Jauch: Ich habe mal mit ihm zusammen ein Haus angeschaut, für das er sich interessierte. »Wie findest du es denn?«, hat er mich gefragt. Hinter dem Haus war ein Berg, und ich wollte sofort wissen: Wo ist hier Süden? Weil ich bei der Schattenbutze die Sonne gesucht habe. »Süden? Keine Ahnung«, sagt Thomas. Sag ich: Du musst doch gucken, wenn du morgens aufwachst oder nachmittags wo sitzt, dass es da einigermaßen hell ist. Sagt er: »Wo ich bin, scheint immer die Sonne!«
Fried: Warum hat er sich das jetzt angetan in der ARD? Weißt du es, Günther?
Jauch: Ich glaube, es war seine Sehnsucht nach der kleinen Form, ähnlich wie im Radio. Vielleicht hat sich herausgestellt, dass über diese Form die Zeit hinweggegangen ist.
Maischberger: Nee, er ist einfach zu groß für die kleine Form. Dafür müsste er sich jetzt drei Jahre rausziehen, in Ehren ergrauen und dann wiederkommen, und dann kann er vielleicht eine kleine Form machen.

Gerade ist auch Harald Schmidt abgesetzt worden.

Maischberger: Ich habe das zwischendurch fast als tröstlich empfunden, dass selbst die Könige der Branche mit gewissen Dingen an Grenzen kommen.

Haben die beiden ein Alter erreicht, in dem sie nicht mehr das große Publikum ansprechen?
Jauch:
Ich glaube, dass es mit dem Alter nichts zu tun hat, weil ja die Zahl der älteren Fernsehzuschauer ständig wächst.
Fried: Moment, da gibt es schon einen kleinen, feinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Männer dürfen moderieren, bis ihnen die Zähne ausfallen und sie scheintot aus dem Studio getragen werden. Bei uns Frauen wird es ab Anfang, Mitte 50 ein bisschen schwieriger.
Jauch: Was ich übrigens merkwürdig finde: Es gibt Moderatoren, die im Fernsehen erfolgreich sind, dann mit der identischen Sendung auf einem anderen Sender weitermachen und Riesenprobleme kriegen. Wie Kerner.
di Lorenzo: Aber das ist doch völlig verständlich. Wenn ein Spieler von Schalke zu Bayern wechselt, dann halten doch nicht plötzlich die Schalke-Fans zu Bayern.
Jauch: Das ist das schiefe Bild des Tages. Der Punkt ist doch: Ich mag einen Menschen und dessen Sendung. Wenn die ab nächster Woche statt auf Knopf 5 auf Knopf 6 kommt, würde ich doch sagen: Das ist mir völlig egal. Das scheint aber nicht der Fall zu sein.
Maischberger: Deine jungen RTL-Zuschauer bei Stern TV, Günther, sind auch nicht mit in die ARD gekommen. Obwohl sie dich schätzen.
Fried: Aber das ist was anderes als bei den Sendungen von Kerner oder Schmidt, die waren praktisch identisch mit denen auf dem früheren Kanal.
Jauch: Schmidt ist der Klassiker! Wenn man heute eine alte Sendung sehen würde, könnte kein Mensch sagen: War das jetzt bei der ARD? War das eine ursprüngliche SAT.1-Sendung? Oder eine aktuelle? Ich jedenfalls bin weiterhin Fan von ihm.
Fried: Aber dass er bei SAT.1 aufhören musste, wird ihn sicher ärgern.
Jauch: Alle Leute, die behaupten, sie seien berufsmäßige Nahesteher von Harald Schmidt, haben auch nicht mehr Ahnung als der Rest. Der Mann ist einfach ein völliges Rätsel. Vermutlich weiß nicht mal seine Frau, wie der wirklich tickt.

Amelie Fried sagte eben, dass Männer moderieren dürfen, bis ihnen die Zähne ausfallen, Frauen aber nicht. Hat die Redaktion bei 3 nach 9 vor drei Jahren bewusst eine jüngere Moderatorin gesucht, nachdem Frau Fried aufgehört hat?
Fried:
Da haben sich Hunderte gemeldet.
di Lorenzo: Ich wusste gar nicht, dass es so viele Moderatorinnen gibt.
Fried: Dann muss sich ja jede, die schon mal ein Mikro in der Hand gehalten hat, beworben haben.

Herr di Lorenzo, Sie sind der Einzige, der mit seiner Talkshow immer in einem dritten Programm geblieben ist. Hatten Sie nach Live aus dem Alabama nie größere Angebote?
di Lorenzo: Doch, immer wieder, das erste große Angebot kam von Pro7, ich sollte Chefredakteur und Anchorman werden. Die boten so unglaublich viel Geld, dass sogar meine Familie sagte: So was kann man nicht ausschlagen!
Maischberger: Und warum hast du es nicht gemacht?
di Lorenzo: Eine Bauchentscheidung, letztlich hing mein Herz an Print.
Fried: Ich kann nur damit protzen, dass ich mal Stefan Aust abgesagt habe. Wenn man neben dem Beruf noch ein Privatleben will, ist es manchmal wichtig, Nein sagen zu können.
Maischberger: Schau dir Günther an, der hat vier Kinder. Und ist was Großes geworden im Fernsehen. Giovanni und ich sind ja Spätgebärende.
di Lorenzo: Ich hatte neulich eine Veranstaltung an der Universität Frankfurt mit ihm. Es war ein Gespräch über den eigenen Werdegang. Und da kamen 3000 junge Leute und haben gejubelt.
Jauch: Meine These ist, dass sie wegen dir gejubelt haben.
di Lorenzo: Du hast dann auf der Heimfahrt etwas sehr Nettes gesagt - du erlaubst, dass ich das erzähle: Du würdest dir wünschen, dass deine Kinder mal bei so einer Veranstaltung dabei wären und mitkriegen würden, was ihr Vater für einen Ruf hat! Das fand ich sehr anrührend.

Gibt es eigentlich heute noch so eine Kaderschmiede, wie es Live aus dem Alabama war?
di Lorenzo: In Ansätzen bei ZDFneo.
Maischberger: Ich finde auch, ZDFneo ist im Moment der beste Anwärter dafür. Man kann sich ausprobieren, ohne dass man das große Publikum sofort verschreckt.
Nehmen Sie Moderatoren wie Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt wahr?

Fried: Mein Sohn guckt sich das an.
Maischberger: Klaas war jetzt gerade bei Anne Will in einer Sendung. Ich habe ihn da zum ersten Mal in einer anderen Form gesehen und fand ihn sehr erfrischend.
Jauch: Ein anderes Beispiel, auch wenn einem sofort geballter Widerstand entgegenkommt: Für mich ist Oliver Pocher ein Typ. Er wollte immer unbedingt Fernsehen machen. Dem haben sie die Türen vor der Nase zugeknallt, und zwar so, dass die Nase noch dazwischen war. Und er hat sich als anscheinend völlig schmerzfrei erwiesen und war sich für nichts zu schade. Bis heute. Aber der ist ein Talent.
di Lorenzo: Pocher ist Anfang 30. Jemand wie Matthias Opdenhövel, der ebenfalls als neues Talent gilt, ist, glaube ich, schon um die 40. Und das ist vielleicht der Unterschied zu uns damals: Die jetzigen Hoffnungsträger sind schon ziemlich alt. Wir waren bei Live aus dem Alabama Anfang oder Mitte 20.
Jauch: Ich nicht!
Maischberger: Du warst 19, ich weiß.
Jauch: Ja, optisch eindeutig! Aber ich habe mit 31 angefangen. Und sollte mich mit Taschengeldproblemen von 13-Jährigen beschäftigen.
di Lorenzo: Obwohl du als Anlageberater unschlagbar gewesen wärst. Damals schon.
Jauch: Eine Frage ist doch ganz schwer zu beantworten: Wo sind die 25- oder 35-Jährigen, vor denen wir uns jetzt fürchten müssten? Das sagt auch der Gottschalk immer: Wenn doch einer da wäre, bei dem ich ehrlichen Herzens sage, der könnte es mindestens genauso wie ich!

War es in den Achtzigerjahren einfacher als heute, ins Fernsehen zu kommen? Giovanni di Lorenzo zum Beispiel wurde ja als Diskussionsgast zu Live aus dem Alabama eingeladen und in der nächsten Sendung war er Moderator.
Maischberger: Nein. Schauen Sie sich bitte auf RTL2 und Vox all die Menschen an, die wirklich gar keine Hürde übersprungen haben und eine eigene Fernsehsendung bekommen. Sie heißen zum Beispiel Katzenberger. Wenn die sich bewähren, sind die ganz schnell da. Ob sie sich halten, ist was anderes.
Jauch: Grundsätzlich glaube ich: Beim Fernsehen wirst du dich halten, wenn du etwas Eigenes mitbringst, was du schon hattest und dir über die Jahre bewahrst. Oft werde ich gefragt: Wie viele Berater haben Sie eigentlich? Durch welches Coaching kommen Sie zu welchen Meinungen? Die haben den bizarren Eindruck, dass ich Chef eines militärisch-industriellen Kommunikationskomplexes bin.
di Lorenzo: Was ja auch stimmt!
Jauch: Ich finde das eine absurde Vorstellung, die aus der Wirtschaft kommt. Für viele ist es kaum vorstellbar, dass Menschen ungefähr so durch die Welt tappen, wie wir vier das von Anfang an gemacht haben und es - bilde ich mir ein - noch bis heute tun.
di Lorenzo: Wenn das SZ-Magazin übrigens auf den Gedanken kommen sollte, diese Veranstaltung in zehn Jahren zu wiederholen, dann würde ich jetzt eine Wette anbieten: Sandra wird in zehn Jahren ARD-Intendantin sein! Sie hat sich nämlich mit den Jahren immer mehr zu einem Feldwebel entwickelt. Deshalb glaube ich, dass sie die geborene Intendantin ist, und zwar eine sehr gute.
Maischberger: Was glaubst du hier eigentlich machen zu müssen? Nur, weil wir in der ARD eine Talkshow zu viel haben, will ich nicht weggelobt werden! Und was ist mit euch in 15 Jahren?
di Lorenzo: Am liebsten würde ich dann ein Talkformat mit jungen Leuten machen, im Ernst.
Maischberger: Nein, Giovanni wird Herausgeber der Zeit und Amelie noch größere Bestseller schreiben.
di Lorenzo: Ich kann nur frei nach Helmut Schmidt sagen: In meinem Alter ist jeder Tag ein Geschenk.
Jauch: Ich glaube ernsthaft, dass ich in 15 Jahren mit Fernsehen absolut nichts mehr zu tun haben werde.
Maischberger: Günther, du wirst, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, sicher die Tagesthemen moderieren.
Jauch: Einen Fünfhunderter dagegen!
di Lorenzo: Das ist für ihn eine unvorstellbar große Summe. Normalerweise riskiert er zehn Cent!

Haare & Make-up: Christian Fritzenwanker/Perfectprops und Manuelea Kopp/Agentur Nina Klein


Live aus dem Alabama

Live aus dem Alabama

Jüngere kennen sie nicht mehr, Ältere weinen ihr bis heute nach: Live aus dem Alabama, eine Legende unter den Jugendsendungen; ausgestrahlt montags vom Dritten Programm des Bayerischen Rundfunks aus der Alabama-Halle in München. Ihre große Zeit hatte die Sendung in den Achtzigerjahren, eine Mischung aus hitzigen Diskussionen und Live-Musik. 1997 war Schluss. Was bleibt: Einige der heute berühmtesten Moderatoren haben dort ihre Fernsehkarriere begonnen: außer Günther Jauch, der durch die gleichnamige Talkshow sowie die Quizsendung Wer wird Millionär? führt, auch Amelie Fried, früher bei Stern TV sowie bei Live aus der Alten Oper oder dem Literaturmagazin Die Vorleser. Sie moderierte auch elf Jahre die Talkshow 3 nach 9 von Radio Bremen. Dort traf sie wieder auf Giovanni di Lorenzo, schon seit 23 Jahren dabei und im Hauptberuf Chefredakteur der Zeit. Sandra Maischberger moderierte vor ihrer Talkshow Menschen bei Maischberger Sendungen wie Talk im Turm oder 0137 bei Premiere. Dass sie sich nun für das SZ-Magazin wiedertrafen, hat, sagen sie, alle gefreut.

Fotos: BR/Sessner

Foto: Alexandra Kinga Fekete