Die Gewissensfrage

Sollte man seinen Freunden von Reisen günstige Zigaretten mitbringen und so indirekt deren Gesundheit schaden? Unser Leser würde sich gerne weigern, aber geht es bei diesem Mitbringsel nicht viel mehr um die Geste?

Ich reise viel und werde von Freunden oft gebeten, billige Zigaretten von meinen Auslandsreisen mitzubringen. Ich bin selbst Nichtraucher und habe schon einige liebe Menschen durch Lungenkrebs verloren. Seit einiger Zeit weigere ich mich, Zigaretten zu kaufen. Bin ich spießig? Die Leute sind ja alt genug, selbst zu bestimmen, ob sie rauchen oder nicht. Andererseits sind es meine Freunde, denen ich Gesundheit und nicht Krebs wünsche. Holger T., Bonn

Vielleicht sollte ich voranstellen, dass ich Nichtraucher bin und mich über jede Zigarette freue, die in meiner Gegenwart nicht geraucht wird. Zudem halte ich Rauchen für eine Sucht und gesundheitsschädlich, für den Raucher selbst wie für seine passiv mitrauchende Umgebung. Etliche meiner Freunde rauchen, und ich bestärke sie darin, aufzuhören.

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Wenn ich dennoch diesen Freunden von Auslandsreisen Zigaretten mitbringe, bin ich dann inkonsequent? Oder warum sollte ich es tun? Am allerwenigsten wegen des Sparens; objektiv betrachtet macht das bei der Menge, die ein Raucher für seine Sucht ausgibt, nicht viel aus. Auch nicht, wenn man die Zigaretten als Geschenk mitbringt, zumal sich ja die Mitbringsel über die Male auf mehrere Freunde verteilen. Sondern wegen der Freundschaft – die hier übrigens stellvertretend für die verschiedensten Beziehungen steht. Die Zigaretten sind nicht mehr als eine Geste. Aber eben eine sehr wertvolle: Sie zeigen, dass man den anderen schätzt, und das umso deutlicher, wenn der oder die weiß, dass man das Rauchen grundsätzlich ablehnt. Es liegt darin die schöne Aussage: Ich mag dich als Person, so wie du bist, und dazu gehören eben auch die Eigenschaften, die ich eigentlich nicht schätze.

Nun ist die Schilderung, wie und warum ich etwas mache, keine ausreichende Begründung dafür, was moralisch richtig wäre. Ich wollte Ihnen lediglich diesen Aspekt aufzeigen, der mir persönlich sehr wichtig ist: dass Freundschaft und Zuneigung nicht nur die Sorge um die Gesundheit beinhalten, sondern eben auch oder gerade das Respektieren des Andersseins des anderen – einschließlich dessen möglicher Unvernunft. Und dass Beziehungen auch von Gesten der Zuneigung leben. Dennoch dürfen und sollen Sie Ihre persönlichen Überzeugungen haben und ihnen folgen. Wenn Sie das Rauchen aus Überzeugung komplett ablehnen, halte ich das für einen ausreichenden Grund, sich zu weigern, damit irgendetwas zu tun zu haben. In diesem Fall erachte ich es sogar umgekehrt als falsch, dass Ihre Freunde, wenn sie Ihre Haltung kennen, Sie bitten, Zigaretten mitzubringen und Sie damit zumindest unter Rechtfertigungsdruck setzen. Ihre Freunde sollten Sie als Rauchgegner ebenso respektieren wie Sie Ihre Freunde als Raucher. Unabhängig davon, wer die besseren Argumente auf seiner Seite hat.

Quellen:

Für die Freundschaft als Modell für soziale Beziehungen siehe Anton Leist, »Ethik der Beziehungen. Versuche über eine postkantianische Moralphilosophie«, Akademie Verlag, Berlin 2005. Dort besonders das Kapitel 7 Moralische Beziehungssystem in der Gesellschaft. 1. Das Modell der Freundschaft, S. 140ff.

Zur Frage der richtigen Verhaltens von Ethikern und dessen Bedeutung – oder eben Bedeutungslosigkeit – ist kürzlich ein sehr lesenswerter Sammelband erschienen: Christoph Ammann, Barbara Bleisch, Anna Goppel (Hrsg.), »Müssen Ethiker moralisch sein? Essays über Philosophie und Lebensführung«, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2011

Illustration: La Tigre