Das Beste aus aller Welt

Selbst ein erzwungenes Lächeln macht glücklich, eine Kellnerin in rot bekommt automatisch mehr Trinkgeld - der Mensch ist oft simpler gestrickt als man denkt, findet unser Autor.

Unter den Experten für die Gründe, Ursachen und Anlässe menschlichen Glücks gibt es eine Schule, der zufolge sich Glück durch sehr einfache Maßnahmen herstellen lässt, die das Physische betreffen. Zum Beispiel sagen die Anhänger dieser Schule: Man lächelt, wenn man glücklich ist, aber man wird auch glücklich, wenn man lächelt.

Allein die Tatsache, dass das Gesicht lächelt, signalisiert dem Rest des Körpers: Aha, Glück! Wer also immer wieder im Laufe eines Tages ein Lächeln auf sein Antlitz, nun ja: zaubert (auch wenn er dazu keinen äußeren Anlass zu haben glaubt), der wird glücklicher sein als jene, die mit zu Boden gerichteten Mundwinkeln durchs Leben gehen.

Ich las (denn ich möchte 2013 noch glücklicher sein als 2012) zu diesem Thema ein Buch des britischen Psychologen Richard Wiseman: Wie Sie in 60 Sekunden Ihr Leben verändern. Wiseman berichtet darin von einem Experiment seines Fachkollegen Fritz Strack, der in den Achtzigerjahren Menschen gefragt habe, wie witzig sie die Cartoons aus der Reihe The Far Side von Gary Larson fänden. Strack veranlasste dabei eine Gruppe von Probanden, beim Betrachten der Zeichnungen einen Bleistift zwischen den Zähnen zu halten, ohne dass dieser dabei die Lippen berührte. Eine andere Gruppe musste den Stift zwischen den Lippen halten, ohne Zahnbenutzung. Der Grund ist klar: Die Angehörigen von Gruppe eins lächelten bei dieser Aktion, unwillkürlich. Sie waren es auch, die Gary Larsons Zeichnungen deutlich witziger fanden als die anderen.

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Man kann daraus verschiedenes schließen, vor allem: Wer das Leben schön finden will, sollte sich wie jemand verhalten, der das Leben schön findet – schon wird er es tatsächlich schöner finden.

Ein anderes Ergebnis: Der Mensch ist, wie man sieht, deutlich simpler strukturiert, als wir alle – vergraben in die Komplexität unserer Probleme – denken. Kürzlich zum Beispiel warf ich einen Blick ins Journal of Hospitality & Tourism Research, ein renommiertes Fachblatt für Fragen des Gastgewerbes, das eine Untersuchung zur Trinkgeldforschung veröffentlicht hat: Was muss das Personal im Gastgewerbe tun, um mehr Trinkgeld zu erhalten?

Das ist, nebenbei gesagt, ein intensiv untersuchtes Feld: Man weiß aus Studien, dass Kellner mehr Trinkgeld bekommen, wenn sie sich mit Namen vorstellen, wenn sie auch die Namen der Gäste sagen, wenn sie diese Personen leicht berühren, wenn sie die Bestellung wiederholen.

Hier kam ein weiteres Ergebnis hinzu: Kellnerinnen bekommen bis zu 26 Prozent mehr Trinkgeld, wenn sie rote Sachen tragen – allerdings nur von Männern, bei Frauen bleibt der Tip gleich. (Dieses Resultat haben die Leute vom Journal sogar in eine komplizierte mathematische Formel gegossen. Das aber nur am Rande; es zeigt, dass der Mensch, um sehr einfache Dinge zu erfahren, manchmal sehr schwierige Dinge tun muss.)

Der Grund ist simpel: Rot steigert die Attraktivität von Frauen auf Männer. Die daraus folgenden Fragen sind allerdings schon wieder kompliziert: Will ich Rot tragen, um von Männern mehr Geld zu bekommen? Möchte ich mich als Frau so verkaufen? Ist es ein Unterschied, ob ich einfach Rot trage oder ob ich dieses Rot bewusst einsetze, um Männerbörsen zu plündern? Und, anders herum: Will ich als Mann so primitiv sein, nur wegen eines Farbsignals mein Portemonnaie mehr als nötig zu leeren? Finde ich mein Mannsein akzeptabel, wenn es so simpel ist? Bin ich gerne ein Mann, wenn Männer so dumm sind? Möchte ich von Frauen nicht als komplexeres Wesen wahrgenommen werden? Muss ich nicht andererseits diese etwas, nun ja, einschichtigen Aspekte meines Wesens akzeptieren, um zum Glück zu gelangen?

Und möchte ich, während ich all diese Fragen für mich beantworte, den Bleistift lieber zwischen den Zähnen oder mit den Lippen halten?

Illustration: Dirk Schmidt