»Der Patriarch sitzt immer noch hier«

Sascha Hehn ist zurück. Ein Gespräch über Traumschiff, Schwarzwaldklinik und seine Zeit im Gefängnis. Und über die Frage, warum er manchmal einfach jemanden verprügeln will.

Zweite Heimat: Sascha Hehn in seinem VW-Bus. »Mit dem Bus bin ich unabhängig. Damit fahre ich nach Rumänien und Spanien zum Jagen und kann auch mal drin schlafen.«

SZ-Magazin: Herr Hehn, als Traumschiff-Steward Victor wurden Sie vor dreißig Jahren zum Sexsymbol. Jetzt gehen Sie als Kapitän wieder an Bord. Darf man nach dem Costa-Concordia-Unglück ausgerechnet einen Schwerenöter wie Sie noch als Kapitän auf die Kommandobrücke eines Kreuzfahrtschiffs lassen?
Sascha Hehn: (lacht) Das ist bestimmt der Grund, warum sie mich engagiert haben: dass wir dieses Ding endlich gegen irgendeinen Felsen steuern.

1991 verließen Sie die Traumschiff-Mannschaft mit einem Kopfsprung vom Achterdeck.
Jugendlicher Leichtsinn, ich bin bestimmt aus zwölf Metern gesprungen. Ich musste zu Iris Berben schwimmen, die in einem Boot wartete. Das war noch viel gefährlicher. Wir drehten die Szene in der Acapulco Bay, und ich hatte eine weiße Hose an. Wenn du vor Acapulco mit einer weißen Hose schwimmen gehst, ist das ungefähr so, als ob du einen Blinker durch ein Hechtwasser ziehst.

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Sie wurden ausnahmsweise von Haien verfolgt und nicht von Frauen?
Viel schlimmer war die Strömung. Ich musste 200 Meter zu dem Boot schwimmen, in dem Iris saß, als mich plötzlich die Kanalströmung wegzog. Ich habe mich mit letzter Kraft ins Boot gerettet.

Als Dr. Udo Brinkmann in der Schwarzwaldklinik wurden Sie dann zum Lieblingsschwiegersohn deutscher Muttis.
Und als Frauenarzt Merthin gab es sogar noch mal eine Steigerung.

Kann man sagen, dass die ewige Wiederkehr des Gleichen das Grundmuster Ihrer Fernsehkarriere ist?
Nein, bei mir ist immer Premiere. In meiner Arbeit hat sich nichts wiederholt.

Moment: Sie kehrten 2005 als Chefarzt wieder in die Schwarzwaldklinik zurück und jetzt als Kapitän aufs Traumschiff.
Aber dieser Kapitän ist um 28 Lebensjahre gereift! Dass mich die Macher immer wieder aus der Schublade ziehen und in die gleiche zurücklegen, gefällt mir ganz gut. Ab und zu darf ich dann ja wieder ins kalte Wasser springen.

Sie haben mal Goethes Egmont in Hamburg und den Orlando in Shakespeares Wie es euch gefällt bei den Salzburger Festspielen gegeben. Trotzdem sind Sie auf der Bühne nie heimisch geworden. Warum nicht?
Der Intendant Ernst Haeusserman wollte mich damals an das Theater in der Josefstadt nach Wien holen, aber ich habe gesagt: Nein, Herr Professor, das ist nicht mein Weg. Ich will in den Kommerz, Geld verdienen. Das ist die einzige Ausrede, die ich gelten lasse, hat er da gesagt.

Es war Ihnen nie wichtig, als ernster Schauspieler zu gelten?
Vielleicht war ich nicht eitel genug. Jedenfalls war mir immer wichtig, einen guten, professionellen Job abzuliefern. Es ist so einfach, ernst oder theatralisch zu sein, irgendeinen Verletzten an einem Kriegsschauplatz im Arm zu halten und zu heulen. Und dann kriegt man einen Staubfänger-Preis und wird als großer Schauspieler gefeiert.

Sie haben das deutsche Fernsehen mal als »Hartz-IV-Programm« bezeichnet.

So habe ich eine Musiksendung genannt, in der ich selbst mitgespielt habe. Viele Formate heute sind bloß Fastfood. Aber wenn das Dschungelcamp für den Grimme-Preis nominiert ist, darf man sich nicht wundern, dass Preisverleihungen von niemandem mehr ernstgenommen werden. Ich gehe zu so was nur hin, wenn sie mir meine Tagesgage bezahlen.

Billy Wilder hat mal gesagt, Preise seien wie Hämorrhoiden: Irgendwann kriegt sie jeder Arsch.
Oder immer dieselben Ärsche. Gutes Handwerk ist selten. Nehmen Sie Lerchenberg. Die Redaktion »Kleines Fernsehspiel« hat kaum Geld, also mussten wir eine Folge in nur fünf Tagen abdrehen. Leider haben wir auch diesmal wieder bewiesen, dass es geht.

Sie spielen in Lerchenberg einen gealterten Star, dessen Ruhm lang verblasst ist und der sein Gnadenbrot beim Haussender ZDF bekommt. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind natürlich rein zufällig.

Natürlich. Alles fiktiv. Einige Zuschauer werden sicher sagen: Ja, genau so habe ich mir den Hehn immer vorgestellt. Aber das ist mir egal. Ich spiele bloß jemanden mit meinem Namen, von dem jeder glaubt, dass ich es bin, nur ich selbst nicht.

Jetzt wird es philosophisch. Worin unterscheidet sich der fiktionale Sascha Hehn in Lerchenberg denn von Ihnen?

Zum Beispiel hat er ein Verhältnis mit seiner Chefredakteurin. So ehrgeizig wäre ich nie.

Sie haben immerhin einen Ruf zu verlieren. In den Achtzigerjahren galten Sie als Sexsymbol, Playboy der Nation und Skalpell-Casanova. Ihre Traumschiff-Kollegin Heide Keller sagte damals über Sie: »Es stimmt nicht, dass Sascha hinter jedem Rock herläuft; jeder Rock läuft hinter ihm her.«
Ja, das waren harte Zeiten …

Sie haben sich selber mal als männliches Luder bezeichnet.
Falls ich das mal gesagt habe: Was für eine dumme Aussage.

Das war noch harmlos im Vergleich zu dem, was Sie sich von mancher Kollegin nachsagen lassen mussten. Sie wurden als Lackaffe und Kotzbrocken beschimpft.
Von zwei älteren Kolleginnen, denen ich nicht genügend Aufmerksamkeit habe zukommen lassen.

Damals drehten Sie Filme mit Titeln wie Mädchen beim Frauenarzt und Nackt und heiß auf Mykonos.

Immerhin hat das Privatfernsehen damit in seinen Anfängen die besten Quoten erzielt. Leider konnten die sich inhaltlich bis heute noch nicht verbessern.

Frauen, die sich für den Playboy ausziehen, sagen gern: Ich will meinen Enkeln mal zeigen, wie gut ihre Großmutter früher aussah.
Warum sagen die nicht einfach, ich habe es getan, damit ich ein paar Nullen mehr auf meinem Konto habe? Früher war der Playboy cool, aber seitdem sich da 50-Jährige ausziehen … Ich weiß nicht. Für mich ist eine Frau nur dann erotisch, wenn alles echt ist und sie nicht langweilig wirkt.

Sie leben seit zwölf Jahren mit einer Mathematikerin zusammen.
Ja, ist nicht ganz einfach.

Der Schöne und das Intelligenzbiest – ein schöner Rollentausch.

Moment, der Patriarch sitzt immer noch hier. Das muss man sich erarbeiten.

Ihr Vater Albert Hehn war studierter Theologe und arbeitete als Missionar in Südamerika, bevor er Schauspieler wurde. Wie kam es dazu?
Er hat mir die Geschichte erzählt, als ich 14 war. Jemand hatte bei uns in Grünwald eine Frau ermordet, die wir kannten, und ich sagte meinem Vater: Wenn ich so einen erwische, dann bringe ich ihn um. Da sagte er: Mit dem Umbringen musst du vorsichtig sein, Junge.


»In dem Moment hat er rot gesehen, die Deichsel herausgerissen und zugeschlagen.«

Sascha Hehn heißt eigentlich Alexander Josef Alberto Hehn und stand schon als Fünfjähriger vor der Kamera. Anfang der Achtzigerjahre spielte er den »Traumschiff«- Steward Victor, später Dr. Udo Brinkmann in der »Schwarzwald-klinik« und den Frauenarzt Dr. Markus Merthin. In der neuen ZDF-Satire »Lerchenberg« (ab 30.3. auf ZDFneo, ab 5.4. auf ZDF) spielt der 58-Jährige sich selbst als gealterten Schauspielstar, der eine Fernsehredaktion mit seinen Allüren zur Verzweiflung bringt.

Ihr Vater hat jemanden getötet?
Er läutete gerade die Glocke in der Missionsstation, als ihm eine Frau mit einem Kind auf dem Arm schreiend entgegenlief, hinter ihr ein Mann mit Machete. Mein Vater wusste nicht, dass dieser Amokläufer vorher schon drei Menschen erschlagen hatte. Er wollte der Frau helfen und den Mann aufhalten. Dabei sprang er von der Missionsmauer auf eine Fahrdeichsel, und die schlug ihm ins Gesicht. In dem Moment hat er rot gesehen, die Deichsel herausgerissen und zugeschlagen.

Er hat den Mann mit einer Deichsel erschlagen?
Ja. Er hätte sich eigentlich opfern sollen, das war jedenfalls die Meinung seiner Glaubensbrüder. Er verließ dann die Mission, ging zu den Gauchos in den Busch und landete schließlich im Hafen von San Salvador, von wo aus er als Heizer die Fahrt zurück nach Hamburg antrat. Dort fing er als Schauspieler an.

Wären Sie fähig, jemanden umzubringen?
So wütend kann ich nicht werden, dass ich einem Menschen nach dem Leben trachte. Aber zur Selbstverteidigung? Kann sein. Ich bin Jäger, und wenn man mal auf Wildschweine geschossen hat, dann hat man auch kein Problem mit einem Zweibeiner. Ich hoffe, dass ich nie in eine solche Situation gerate.

Ihr Vater war Schauspieler, Ihre Mutter Regieassistentin. War Ihr Berufsweg damit vorgegeben?

Es war eher Zufall. Ich habe mit meinem Vater Minigolf gespielt, dabei trafen wir einen befreundeten Produzenten. Der sagte: Der Junge ist genau der Richtige für meinen Film. Nein, hat mein Vater gesagt, das ist mein Sohn, den lässt du gefälligst in Ruhe. Aber wie das so ist: Schwuppdiwupp war ich dabei.

Als Sie 1959 im Heimatfilm Hubertusjagd debütierten, waren Sie gerade mal fünf Jahre alt. Als Zehnjähriger drehten Sie bereits fünf Filme im Jahr. Da blieb nicht viel Zeit für Kinderspiele.
Es war aufregend. Ich bin in den Studios aufgewachsen. In der Kantine habe ich Tickets für die Beleuchterbrücke verkauft, wenn Sabine Sinjen eine Badeszene hatte. Irgendwann bin ich die Feuerleiter hochgekrabbelt aufs Dach der Halle 7 und habe gesagt: Ich will jetzt heiße Himbeeren, sonst komme ich nicht mehr runter. Der Boss der Bavaria hat mir dann Hausverbot erteilt. Wäre mir was passiert, hätten die dichtmachen können. Aber ich bin durch den Hintereingang immer wieder reingekommen.

Sind Sie antiautoritär erzogen worden?
Nein, sehr autoritär. Und ich bin dankbar für jede Watschen. Es waren nicht viele, aber ich hatte jede verdient.

Austeilen konnten Sie auch. Es heißt, Sie hätten sogar mal Ihren Lehrer verprügelt.
Wir hatten einen cholerischen Chemielehrer, der wollte einen lieben Freund von mir aus dem Fenster schmeißen. Da habe ich den gepackt, hinter die Wandtafel gestellt und ordentlich draufgedrückt.

Später haben Sie dann Fotografen verprügelt.
Ich habe eine einfache Regel: Solche Leute können bei mir an der Tür läuten und höflich fragen, dann bekommen sie eine Antwort. Aber wenn einer heimlich um meine Hütte schleicht, gibt es einen Klaps auf den Arsch.

Was bringt Sie richtig in Rage?
Wenn ich lese, dass in der S-Bahn Leute totgeschlagen werden, dann möchte ich am liebsten am nächsten Tag S-Bahn fahren, bis mir hoffentlich drei, vier von diesen Idioten begegnen, die dann mal eine richtige Tracht Prügel kriegen. Man müsste mal einen Film machen, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt. Der müsste so brutal sein, dass diesen Leuten jede Lust vergeht, sich an Wehrlosen zu vergreifen.

Sie würden einen S-Bahn-Rächer spielen, der Selbstjustiz übt?
Genau, ein Mann sieht rot.

1982 saßen Sie drei Wochen im Gefängnis, weil Sie sich vorsätzlich der Wehrpflicht entzogen hatten. Wie war das, als TV-Star in Handschellen vor Gericht geführt zu werden?
Ich habe dem Polizisten gesagt: Halt dich fest, dass du nicht verloren gehst. Das war Showtime mit über 80 Fotografen und Hunderten von Zuschauern. Sehr zum Leidwesen meiner Mutter.

Stimmt es, dass sich damals Franz Josef Strauß persönlich für Sie eingesetzt hat?
Erst später. Die Bayerische Staatskanzlei schickte mir die Einladung zu irgendeinem Ball. Da habe ich das Abzeichen der Gebirgsjägerdivision draufgeklebt und geschrieben, leckt mich am Arsch. Strauß war wütend. Wir haben uns dann im »Bratwurst Glöckl« ausgesprochen und die Sache war erledigt. Strauß hat immer versucht, die Dinge zu regeln.

Bei der Bundeswehr wurden Sie dann wie ein Star behandelt und bekamen Sonderurlaub, um zum Festival nach Cannes zu fahren. Waren die Kameraden neidisch?
Die Bauernsöhne durften zur Heuernte, ich nach Cannes. Nur der General war sauer. Als ich zurückkam, musste ich antreten, weil ich barfuß im Smoking über den roten Teppich gelaufen war. Mir wurde vorgeworfen, ich hätte die Ehre der deutschen Armee beschmutzt. Dabei ging ich nur deshalb barfuß, weil ich mir beim Marschieren mit den Knobelbechern eine Art Fußpilz eingefangen hatte.

Mit 25 haben Sie mal versucht, Ihre Angst vor Schlangen zu therapieren, indem Sie sich einen Tigerpython gekauft haben. Hat es funktioniert?
Als Kind wurde ich in der Isar von einer Wassernatter gebissen. Und in Australien hat mich mal ein Python angepisst, den man mir um den Hals gehängt hatte. Seitdem hatte ich eine kleine Phobie. Als wir den Shakespeare in Salzburg probten, monierte der Regisseur, dass man mich nur bis Reihe 7 verstehen könne. Also kaufte ich mir eine Woche vor der Premiere einen Python. Dann habe ich mich vor das Terrarium gesetzt und nach zwei Stunden den Mut gehabt, da reinzugreifen.

Sie haben Ihr Lampenfieber mit einer Schlangentherapie kuriert?
Die Probe am nächsten Tag lief wunderbar, und der Python wurde mein Haustier. Später habe ich ihn an einen Tierpark verschenkt.

Ihre Eltern haben sich getrennt, als Sie noch sehr jung waren. Haben Sie deswegen nie Kinder gewollt?
Sind wir nicht sowieso schon zu viele Menschen auf der Welt? Für mich ist das Lebensziel meine Zufriedenheit. Ich könnte auf alles verzichten, nur nicht auf meine Frau, mein Dach über dem Kopf und meinen VW-Bus.

Ein VW-Bus? Früher fuhren Sie Ferrari, Porsche, Jaguar. Mit 35 hatten Sie bereits drei Dutzend Autos besessen und zweimal den Führerschein wegen Raserei verloren.
Es war Leidenschaft und hat die Wirtschaft gefördert. Außerdem hatte ich Spaß an illegalen Autorennen. Ich habe mal 4 Stunden 16 Minuten von München bis Hamburg gebraucht. Aber nach zwei bestandenen Idiotentests war mir klar, dass ich vom Tempo runtermuss.

Sie sind auch die deutsche Synchronstimme von Shrek. Gibt es da Gemeinsamkeiten?
Der hat auch eine Hütte im Sumpf wie ich und freut sich des Lebens.

Sie sollen Ihre gesamte Fanpost verbrannt haben, als Sie vor 23 Jahren von München aufs Land zogen.
Stimmt nicht. Ein Fanclub, der alle Zeitungsausschnitte über mich gesammelt hatte, schickte mir acht Aktenordner davon. Nach dem dritten Ordner wollte ich den Unsinn nicht mehr lesen und habe den Kamin angemacht. Das hat lange gebrannt, und kräftig geraucht hat’s.

Wie möchten Sie sterben?
Lautlos und schnell.

Und dann?
Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses. Auf meinem Grundstück.

Ist das erlaubt?
(lacht) Einem Schwarzfischer und Wilderer wird das egal sein.

Foto Hehn, jung: Agentur Bischoff

Foto: Niko Schmid-Burgk