»Sex war der Dynamo für fast alles in meinem Leben«

Für den Schauspieler Rupert Everett zählte viele Jahre lang vor allem eines: der Exzess. Heute geht er es etwas ruhiger an, aber die innere Spannung hat er nicht verloren. Ein Gespräch über Shakespeare und Oscar Wilde. Und über Sex, natürlich (was dachten Sie denn?).

»Ich bin eine gehässige Tunte, die bei anderen zwanghaft nach Fehlern Ausschau hält«: Sich selbst hat Rupert Everett aber auch nie geschont.

SZ-Magazin: Mr. Everett, zunächst möchten wir Ihnen gratulieren. Nach künstlerisch mageren Jahren haben Sie am Londoner Hampstead Theatre als Oscar Wilde in The Judas Kiss die Rolle Ihres Lebens gespielt.
Rupert Everett:
Mein altes Ich rief bei schmeichelhaften Kritiken immer: »Grandios gemacht, Rupert! Und als Nächstes spielst du Hamlet!« Wenn ich heute höre, ich sei für diese Rolle geboren, sagt mein neues Ich: »Vorsicht! In Wahrheit will man dir zu verstehen geben: Du wirst garantiert an deiner nächsten Rolle scheitern – also versuch’s gar nicht erst.«

Sie haben früher mal auf den Tadel einer Theaterbesucherin reagiert, indem Sie der Dame ein paar Ihrer Schamhaare nach Hause schickten. Wie sehr verletzt Sie Kritik?
Selbst bösartigste Verrisse berühren mich nicht mehr. Aber das liegt lediglich daran, dass ich so oft gefickt wurde, dass ich völlig unempfindlich geworden bin. Ich denke dann: Okay, was soll’s, bück dich halt und lass es mal wieder über dich ergehen.

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Nach The Judas Kiss wollen Sie nun auch einen Kinofilm über Oscar Wilde drehen, als Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller. Was fasziniert Sie so an Wilde?
Der Film zeigt die letzten drei Wochen in Oscars Leben. Nachdem er wegen Unzucht mit männlichen Prostituierten zwei Jahre Zuchthaus mit schwerer Zwangsarbeit hinter sich hatte, lebte er als verwahrloster Vagabund in Paris. Er schnorrte in den Cafés Gäste an, weil er seine Rechnung nicht bezahlen konnte. Einer seiner Sprüche war: »Ich bin Oscar Wilde, und ich werde nun etwas Furchtbares tun. Ich werde Sie um Geld bitten.« Um die Dramatik dieses Niedergangs zu verstehen, muss man sich klarmachen, dass er fünf Jahre zuvor noch ein umschwärmter Superstar war. Als der Staatsanwalt die Jagd auf ihn eröffnete, liefen in London drei seiner Stücke gleichzeitig. Aber wie alle Stars ließ er sich von seinem Erfolg blenden und lebte mit dem Kopf in den Wolken. Als der Prozess gegen ihn begann, brüstete er sich gegenüber einem Freund: »Mir wird nichts passieren, denn die arbeitenden Klassen stehen geschlossen hinter mir.« Deutlicher kann Hybris sich nicht offenbaren.

Wildes Verhängnis war seine an Hörigkeit grenzende Liebe zu Lord Alfred Douglas, genannt Bosie. Wie erklären Sie diese Amour fou?
In England blickt man auf Iren herab, und Oscar hatte das Pech, in Dublin geboren zu sein. Deshalb war es für ihn ein Triumph, Sex mit einem englischen Aristokraten zu haben. Hinzu kam, dass Bosie Stil und Witz hatte und blendend aussah. Dass ein Mensch mit Anfang zwanzig schon so snobistisch und dekadent sein konnte, faszinierte Oscar. Bosie wurde sein Gott. So hochmütig und aasig wie dieser prächtig parlierende Dorian Gray wollte er auch werden. Die Kunstfigur, die Oscar aus sich machte, war indirekt Bosies Schöpfung. Als Oscar im Laufe der Jahre dahinterkam, dass Bosie ein infamer Opportunist war, schwankten seine Gefühle zwischen Jähzorn, Liebe und vollständigem Abscheu.

Als Wilde im Sommer 1895 in seine Zelle gesperrt wurde, lernte der Snob Speisen kennen wie braune Mehlgrütze mit Nierenfett.
Er empfand das Gefängnis als Grab für Noch-nicht-Tote und litt unter Unterernährung, Schlaflosigkeit, Gicht und Diarrhö. Nur alle drei Monate durfte er einen Brief empfangen, die Besuchszeit betrug zwanzig Minuten. Weil er immer wieder gegen die Anstaltsordnung verstieß, sperrte man ihn in eine Dunkelzelle und gab ihm nur Brot und Wasser. Seine größte Furcht war, dem Wahnsinn zu verfallen.

Von einer mittelmäßigen Ballade abgesehen hat Wilde nach dem Gefängnis nichts mehr geschrieben. Wurde er gefragt, weshalb er literarisch verstummt sei, war seine Antwort, er leide an »cacoethes tacendi«, unheilbarer Schweigesucht.
Wer seine Selbstachtung verliert, wird bitter. Oscar leugnete vor Gericht, homosexuell zu sein und machte sich damit zum Idioten, denn jeder in London wusste, dass er eine hoffnungslos hedonistische Tunte war. Statt juristische Argumente vorzubringen, wollte er die Zuschauer im Saal mit geistreichen Aperçus beeindrucken. Mit anderen Worten: Er gab den großen Star. Russell Crowe hätte es nicht schlechter machen können. Zu dieser Selbsterniedrigung kamen die Demütigungen im Gefängnis. Mit seinem Stolz zerbrach auch sein Esprit und die Lust am Fabulieren. Im Exil in Frankreich und Italien lebte er in Schmach und Verachtung wie ein Paria. Täglich musste er Affronts von Leuten erdulden, die er früher von oben herab verlacht hätte. Wie seine Mutter kam er erst nachmittags aus dem Bett und griff dann zügig zu Absinth und Brandy. Bei einem Diner zwei Jahre vor seinem Tod sagte er, die Grausamkeit einer Gefängnisstrafe beginne erst mit der Freilassung.

In den dreieinhalb Jahren, die Wilde nach dem Gefängnis noch blieben, hätte er dank seiner Gönner ein halbwegs komfortables Leben führen können. Stattdessen ruinierte er sich, indem er Villen mit Personal anmietete.

Er war ein selbstzerstörerischer Charakter. Etwas in ihm hatte das unbezwingbare Verlangen, durch extravagante Exzesse in der Gosse zu enden. Kaum hatte sich das Gefängnistor geöffnet, steckte er eine Blume ins Knopfloch und erstand zwei Dutzend weiße und ein Dutzend farbig geränderte Taschentücher. Leben hieß für ihn, über die eigenen Verhältnisse zu leben. Je begrenzter seine Mittel, desto mehr warf er mit Geld um sich. Eigentlich sehr sympathisch.

Sie kennen Wildes einzigen Enkel. Wie ist er?
Merlin ist so, wie man sich Oscar heute vorstellen würde. Er hat sinnliche Lippen und eine süßlich-sanfte Stimme, die die Haare auf meinen Unterarmen senkrecht stehen lässt. Ich möchte nicht esoterisch klingen, aber man fühlt Oscar und seine Sünden, wenn man mit seinem Enkel spricht.

Nach Shakespeare ist Wilde der meistzitierte Autor englischer Sprache. Seine Bücher dagegen liest kaum noch jemand.
Was ein großer Fehler ist. Seine Süffisanz und seine sarkastische Noblesse sind Haltungen, die einem helfen, den Gemeinheiten des Lebens zu trotzen. Noch kurz vor seinem Tod formulierte er den unsterblichen Satz: »Meine Tapete und ich fechten gerade ein Duell auf Leben und Tod aus. Einer von uns muss verschwinden.«

Erkennen Sie sich in Wilde wieder?
Ja und nein. Oscar war großzügig und konnte verzeihen. Ich bin eine gehässige Tunte, die bei anderen zwanghaft nach Fehlern Ausschau hält. Andererseits wird uns beiden ein fataler Hang zur Selbstsabotage nachgesagt.

Sie gelten als schwieriger Schauspieler. Wollen Sie jetzt selbst Regie führen, weil kaum noch einer mit Ihnen arbeiten möchte?

Ich habe mich geändert. Dass ich früher ein hysterischer Hypochonder war, lag daran, dass gleich zu Beginn meiner Karriere die große Aids-Epidemie ausbrach. Mein Sexleben war so ausschweifend, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, nicht infiziert zu sein. Fast jeder, mit dem ich geschlafen hatte, lag im Sterben. Ich rechnete täglich damit, die ersten Symptome der Seuche an mir zu entdecken. Einmal wurde ich bei Dreharbeiten von einer Mücke gestochen. Ich dachte: Das ist es jetzt, ein Karposi-Sarkom, der Anfang vom Ende! Man kann im Film sehen, dass mir von dem Moment an alles egal war. Meine Angst machte mich unberechenbar. Eine missverständliche Bemerkung von einem Beleuchter am Set, und ich bin sofort explodiert und habe eine Fatwa erlassen. Man hielt das für die Launen einer verzickten Diva, in Wahrheit war es Ausdruck totaler Verunsicherung. Fünf Jahre lang habe ich dann überhaupt keinen Sex mehr gehabt.

Was werden Sie machen, wenn Ihr Film über Wilde fertig ist?
Glauben Sie bitte nicht, dass der Film mein Sprungbrett für eine Karriere als Hollywood-Regisseur sein soll. Ich habe nicht vor, The Hobbit III zu drehen. Ich werde den dritten Band meiner Memoiren schreiben und mich dann zur Ruhe setzen, vielleicht als Hotelbesitzer im Norden von Brasilien. Von dort stammt mein Freund, mit dem ich seit vielen Jahren zusammen bin. Ich spüre mit jeder Minute deutlicher, dass ich den Anschluss an die heutige Kultur verloren habe. Es gibt nicht viel Zukunft für jemanden wie mich.

Ist Ihre Melancholie eine Pose?
Immer wenn ich in Selbstmitleid versinke, weil mir Freunde von ihren Dreharbeiten mit Stars wie Nicole Kidman erzählen, schalte ich den amerikanischen Entertainment-Kanal E! ein. Da sieht man, was man tun muss, um in den USA Erfolg zu haben: Fernsehteams in die eigene Küche einladen und mit einem Dauergrinsen das Lieblingsgericht kochen. Bei so etwas siegt meine Selbstachtung über meinen Ehrgeiz.

Wir führen dieses Gespräch in Rom. Wo leben Sie zurzeit?
Nirgends richtig. Ich muss in Bewegung sein, weil ich es nicht aushalte, längere Zeit an einem Ort zu bleiben. Für den Fall, dass ich mal meine Koffer auspacken möchte, habe ich ein Apartment in London, eine Wohnung in Santos in Brasilien und ein Haus in New York.

In Brooklyn?
Nein, Darling, im West Village. Dank meines Vaters bin ich ein bisschen wie Claudia Schiffer. Ich habe mein Geld konservativ angelegt.

»Sex kommt mir heute vor wie Windows 2.«

RUPERT EVERETT Queen of Mean Das Internat brach er mit 16 Jahren ab, von der Schauspielschule in London flog er wegen unzähliger Regelverstöße, sein Geld verdiente er sich eine Zeit lang als Callboy. Sein Ruf als Außenseiter verhalf dem 1959 in England geborenen Rupert Everett zur Rolle des homosexuellen Internatszöglings Guy Bennett in dem Film Another Country (1984), in dem er neben Colin Firth debütierte. Die darauf folgende Karriere als Schauspieler, Popsänger, Romanautor und Model gleicht einer Achterbahnfahrt. Everett drehte viele sehr schlechte Filme und einige sehr gute. Den größten Kassenerfolg hatte er 1997 als schwuler Freund von Julia Roberts in Die Hochzeit meines besten Freundes. Mit seinen 2006 erschienenen Memoiren Rote Teppiche und andere Bananenschalen bestätigte er seinen Ruf als begnadete Lästerzunge. Nach Veröffentlichung kündigte Madonna ihm prompt die Freundschaft auf.

Wie hat sich die Schwulenkultur in den letzten Jahrzehnten verändert?
Heterosexuelle sind die neuen Schwulen. Sie suchen ständig Sex und sind dabei ziemlich wahllos. Die Schwulen dagegen heiraten, adoptieren Kinder und leben monogam. Wenn ich das mit den Siebzigern und Achtzigern vergleiche, steht die Welt Kopf. Aus der Gay Community ist ein Klassensystem geworden. Es gibt eine große Mittelschicht, die Babys adoptiert oder für 75 000 Dollar eine Gebärmutter mietet. Und dann gibt es die Clubgänger und Partysüchtigen, denen ihr Hedonismus wichtiger ist als Söhne oder Tochter zu haben. Das Langweilige ist, dass sich die beiden Milieus nicht mehr mischen – außer in Berlin. Im »KitCatClub« oder im »Berghain« stehen Grafen mit Einstecktuch neben Fahrradkurieren mit nacktem Oberkörper.

Sie sind 54. Gehen Sie immer noch ins »Berghain«?
Nein. Ich kann keine Drogen mehr nehmen, weil ich den Kater am nächsten Tag nicht mehr aushalte.

Vermissen Sie den Rausch?
Natürlich. Andererseits möchte ich retten, was von meinem Hirn noch übrig ist. Es ist keine gute Idee, morgens um neun mit einem schmerzenden Crystal-Meth-Schädel in ein Meeting zu gehen, in dem Ihnen Leute von der Bavaria gegenübersitzen, die darüber entscheiden, ob Sie Geld für Ihren Film bekommen oder leer ausgehen.

Sie sprechen Französisch und Italienisch. Wie steht es um Ihre Deutschkenntnisse?
Da ich viel Zeit in Berlin verbringe, habe ich versucht, Deutsch zu lernen, aber mein Gehirn hat seine Pforten für Neues geschlossen. Selbst wenn ich mich vom einem Taxifahrer ins »Diener« oder »Adnan« fahren lasse, sage ich statt Dankeschön lieber Grazie.

Vergangenes Jahr haben Sie in Großbritannien mit Vanished Years den zweiten Band Ihrer Memoiren veröffentlicht. Nach der Lektüre hat man den Eindruck, Sie seien sexmüde.
Bin ich auch. Ich habe seit meinem zehnten Lebensjahr hauptsächlich an Sex gedacht. Er war der Dynamo für fast alles in meinem Leben – und ich habe meist den Al-fresco-Stil bevorzugt.

Den was?
Ich spreche von Sex im Freien. Und Gruppensex. Entweder bin ich jetzt in den Wechseljahren oder ich hatte so viel Sex, dass er fade für mich geworden ist. Sex kommt mir heute vor wie Windows 2. Das Beunruhigende ist, dass ich genau weiß, dass mein Appetit auf Sex in zehn Jahren mit aller Macht wiedererblühen wird. Und dann wird es zu spät sein, weil mein Aussehen im Eimer ist.

In Vanished Years schildern Sie, wie das amerikanische Revolverblatt National Enquirer Ihnen mit der Veröffentlichung von Fotos droht, die Sie beim Sex in der Toilette eines Schwulenclubs in Miami zeigen.

Wenn Sie Krieg mit einem Magazin haben, wollen Sie nicht verlieren. Denken Sie an die arme Britney. Kaum ließ sie sich den Kopf kahl scheren, war ihre Karriere für immer dahin. Um ihrem Schicksal zu entgehen, bin ich mit einem Freund zum Haus des betreffenden Journalisten gefahren. Es war zufällig derselbe, der Britney beim Koksen in der Toilette des »Delano« erwischt hatte. Der Mann reagierte höchst verdutzt, als wir vor seiner Tür standen. Ich riet ihm nachdrücklich, die Geschichte über mich nicht zu veröffentlichen, und mein Freund wollte ihm zum Abschied eine mitgebrachte Torte ins Gesicht schmeißen. Die Torte verfehlte Gott sei Dank ihr Ziel, denn auf der Rückfahrt mussten wir feststellen, dass wir uns in der Hausnummer geirrt hatten.

Sie haben sich früh geoutet. Hätten die Toiletten-Fotos Ihre Karriere wirklich ruiniert?
In den USA gibt es eine akzeptierte Art, schwul zu sein, und Toilettensex gehört nicht zu den Dingen, die Ihnen als Schwuler erlaubt sind. Die Einzigen, die mit allem davonkommen, sind schwarze Rapper. Jeder weiß, dass sie alles von hinten und von vorne vögeln, was ihnen in die Quere kommt, aber die einzige Reaktion ist: Na ja, was soll’s, es sind halt Rapper.

In Vanished Years nennen Sie Ihre Kollegin Helen Hunt »Helen Cunt«, spekulieren über die Penisgröße des schwarzen Modepapstes André Leon Talley und behaupten, Madonna würde für alles in ihrem Leben ein Zeitlimit haben, »ihren Orgasmus eingeschlossen«. Wie haben Sie das an den Rechtsanwälten Ihres Verlages vorbeigebracht?
Ich musste gar nicht so viel streichen. Wenn man irgendwo im Satz das Wort »wahrscheinlich« einfügt, stellt man nur eine Vermutung an, und dafür kann einen niemand belangen.

Sie kommen aus einer strikt konservativen Familie. Wie haben Ihre Eltern reagiert, als sie erfuhren, dass Sie schwul sind?
Mein Vater war Major und sang zu Hause Soldatenlieder aus dem Zweiten Weltkrieg. Ich gebe Ihnen eine Kostprobe: »Hitler has only got one ball. The other is in the Albert Hall. Himmler has something similar and Göring has no balls at all.« Meine Mutter ist eine sehr, sehr strenge Katholikin. Nachdem sie die Pille genommen hatte, ging sie nie wieder in die Kirche. Sie empfand Verhütung als Todsünde. Inzwischen habe ich Waffenstillstand mit meiner Familie. Mein Freund darf sogar zu Weihnachten nach Hause kommen. Nur wenn meine Mutter uns dabei erwischt, wie wir Händchen haltend vor dem Fernseher sitzen, wird sie richtig böse.

Stimmt es, dass Sie in jungen Jahren als Callboy gearbeitet haben?

Ja. Die Theaterszene in den Siebzigern war linksradikal. Ich hasste es, aus einer gutbürgerlichen Familie zu kommen. Ich wollte mein altes Leben zerstören und werden wie Arthur Rimbaud. Außerdem war ich eine Schlampe. Als ich eines Tages vor einer U-Bahn-Station im Regen stand, hielt neben mir ein Rolls-Royce. Der Mann am Steuer lud mich ein, mich mitzunehmen. Im Wagen bot er mir 25 Pfund, wenn er mich zweimal ficken dürfe. 25 Pfund waren Mitte der Siebziger eine Menge Geld, also sagte ich sofort ja. Er tat, als sei er eine wichtige Persönlichkeit. Erst beim Aussteigen entdeckte ich seine Dienstmütze – er war der Chauffeur und führte mich direkt in die Dachstube. Es ging alles ganz einfach.

Hatten Sie das Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben?
Nein, ich hatte nie ein schlechtes Gewissen. Jeder Mann betrügt seine Frau, kauft ihr anschließend Blumen und tut so, als sei nichts geschehen. Was Sex angeht, habe ich eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung. Früher nannte man das Promiskuität. Sex ist für mich der Weg, Leute kennenzulernen. Ich verstehe Paare nicht, die nach dreißig Jahren immer noch Sex haben und behaupten, dass es ihnen Spaß macht. Eine grauenerregende Vorstellung. Einfach ekelhaft. So etwas finde ich wirklich unnatürlich. Sex ist nur dann interessant, wenn man jemanden noch nicht kennt. Ich sehe jemanden und will ihn besitzen oder von ihm besessen werden. Wenn ich ihn erst entdeckt habe, was hat Sex dann noch für einen Sinn?

Sagen Sie es uns.
Keine Ahnung. Überhaupt glaube ich nicht mehr an horizontalen Sex. Er geht zu sehr auf die Ellbogen.

Foto: Richard Burbridge