Waffengleichheit

Bisher durften amerikanische Soldatinnen nicht an vorderster Front kämpfen. Jetzt hat Mary Jennings Hegar vor Gericht durchgesetzt: Auch Frauen dürfen töten und getötet werden.

Mary Jennings Hegar war als Soldatin dreimal in Afghanistan. Im Januar 2013 gewann sie einen Prozess gegen das Verteidigungsministerium. Künftig dürfen Frauen an Kampfeinsätzen teilnehmen. Seit 2001 kamen in Afghanistan und dem Irak 6668 US-Soldaten ums Leben, davon 149 Frauen.

»Wir wollten mit dem Rettungshubschrauber drei verletzte Soldaten aus dem Kampfgebiet ausfliegen, als mein Helikopter getroffen wurde. Das war im Juli 2009, in Afghanistan. Mein Team bestand aus sechs Männern und mir – einer Frau. Ich habe als Einzige zurückgeschossen. In dem Feuergefecht haben mich zwei Kugeln getroffen, eine in den Arm, eine ins Bein, aber wir sind alle lebend rausgekommen. Zu Hause wurde mir eine Medaille für Tapferkeit verliehen. Sind Frauen etwa bessere Soldaten als Männer?

Es gibt tatsächlich viele Männer, die nicht dafür gemacht sind, in einen Krieg zu ziehen – aber noch mehr Frauen. Das Geschlecht entscheidet nicht, ob ein Mensch ein guter Soldat ist. Darum bin ich mit drei anderen Veteraninnen vor Gericht gezogen: Bislang war es Frauen in der Armee der Vereinigten Staaten verboten, an Kampfeinsätzen teilzunehmen. Dadurch wurden Frauen viele Karrieremöglichkeiten genommen. Wer eine Führungsposition haben möchte, muss wissen, wie sich eine Schlacht anfühlt. Wir haben den Prozess gewonnen, bis spätestens Januar 2016 dürfen alle Frauen Seite an Seite mit Männern kämpfen. Wie jetzt schon in Deutschland und in einer Handvoll anderer Länder.

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Ich höre oft den Satz: ›Ich will nicht, dass meine Tochter in den Krieg zieht.‹ Dann frage ich: ›Wollen Sie, dass Ihr Sohn in den Krieg zieht?‹ Niemand will in den Krieg, das ist doch keine Frage des Geschlechts. Ich habe Frauen getroffen, die sagen: ›Ich könnte das aber nicht, auf jemanden schießen.‹ Diese Leute verstehen mich falsch, ich will doch nicht, dass jede Frau in den Krieg muss – genauso wenig will ich, dass jeder Mann in den Krieg muss. Ich habe darum gekämpft, gleichberechtigt behandelt zu werden, selber entscheiden zu dürfen. Da waren Leute, die meine Freiheit beschränkt haben, mit dem Argument, uns Frauen vor dem Krieg beschützen zu müssen. Aber Beschützen ist oft nur ein Vorwand, um die Grundrechte von anderen einzuschränken – wir würden doch nie ein Gesetz verabschieden, das Frauen verbietet, nachts alleine auf der Straße zu laufen, nur weil es gefährlich sein kann. In der US-Armee gibt es leider noch eine ausgeprägte Macho-Kultur: Viele sehen sich als harte Jungs, die anderen Länder sollen Angst davor haben, dass wir an ihre Tür klopfen – oder sie gleich eintreten. Solche Männer haben Angst, dass unsere Armee weniger gefährlich wirken könnte, wenn Frauen mitkämpfen. Soldatinnen gefährden ihr Männerbild.

Meinen Jungs, die mit mir im Einsatz abgeschossen wurden, war es unangenehm, danach professionelle Hilfe anzunehmen – aber sie kamen zu mir. Weil ich sie nicht dafür verurteilt habe, wenn sie Schwäche zeigten. Ich habe ihnen gesagt, ›ja, ich habe auch Albträume‹. So wenig ich Stereotype mag: Frauen gehen besser mit posttraumatischem Stress um – weil wir über das Erlebte, unsere Ängste, offen reden dürfen. Aus dem Nachteil, dass die Gesellschaft Frauen als schwächer ansieht und dazu erzieht, schwächer zu sein, wird also für Kriegsheimkehrerinnen ein Vorteil. Ich wurde nicht zu einem typischen Mädchen erzogen, bin Motorrad gefahren, habe viel Sport gemacht. Sehe ich mich als Feministin? Nein. Ich bin Humanistin. Es stört mich, wenn Menschen, egal warum, benachteiligt werden.

Die schönsten Momente in Afghanistan waren die, in denen ich vor Einheimischen meinen Pilotenhelm abgenommen habe. Die großen Augen, die mich musterten. Ich hoffe, dass es manche Afghaninnen nachdenklich gemacht hat: Vielleicht trauen sie sich nun auch mehr zu, als für sie vorgesehen ist.«

Illustration: Andreas Chwatal