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Wer sich auf Firmenseiten im Internet vertippt, gelangt nicht selten zu humorigen Fehlermeldungen. So hat sich ein ganz eigenes Witze-Genre entwickelt - das viel über die Unternehmen verrät.

Wenn Unternehmensberater ohne viel Aufwand wissen wollen, wie es einer Firma geht, schauen sie sich dort um, wo Besucher normalerweise nie hinkommen: In Kaffeeküchen, Kopierräumen, Abstellkammern. Liegt dort nur Müll herum und herrscht Chaos, muss man sich Sorgen machen: Den Mitarbeitern scheint ziemlich vieles ziemlich egal zu sein. Aber im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn sich sogar dort Mühe gegeben wird, wo kaum einmal Gäste hinschauen, kann es um die Arbeitsmoral nicht so schlecht bestellt sein.

Inzwischen gilt dieser Trick auch für Firmenseiten im Internet. Denn auch dort gibt es eine Seite, die Besucher eigentlich gar nicht sehen sollten – die aber viel über die Firma verrät: die Seite, die angezeigt wird, wenn die Server spinnen, man sich vertippt oder auf einen Link klickt, den es nicht mehr gibt. Fast jeder ist schon mal auf so einer Fehlerseite gelandet, meist steht da der Satz: »Seite kann nicht gefunden werden«, oft auf grauem Hintergrund. Solche Fehlerseiten sind die Abstellkammern des Internets: ein vergessener Fleck, für den sich keiner so recht zuständig fühlt. Bis vor ein paar Jahren ein kleiner Wettbewerb unter Programmierern und Designern ausgebrochen zu sein schien: Wer gestaltet die lustigste Fehlerseite?

Zuerst waren es vor allem kleinere Start-ups, die sich dort Späße erlaubt haben. Beispiel: ein Bild von einer einzelnen Socke ist zu sehen, dazu der Satz: »Glückwunsch – Sie haben meine verlorene Socke gefunden (Aber leider kann ich die Seite nicht finden, die Sie anklicken wollten)«. Auch beliebt: Cartoons – etwa ein Pandabär mit dem Spruch »Ich habe diese Seite nicht gefressen, versprochen!« Eine amerikanische Humorseite geht sogar so weit, anhand ihrer Fehlerseite theologische Fragen zu klären. Da steht:
– Sie müssen ein Sünder sein – jeder andere kann die Seite problemlos öffnen (baptistische Erklärung)
– Gott will nicht, dass Sie diese Seite öffnen (presbyterianische Erklärung)
– Sie bilden sich nur ein, dass diese Seite existiert – weil Sie den Drang verspürt haben, sie zu erfinden (atheistische Erklärung)

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Auch immer mehr Firmen in Deutschland stellen lustige Fehlerseiten ins Netz. Bei MAN ist ein Handwerker zu sehen, der versucht, die Webseite zu reparieren. Und wer zum Beispiel www.ikea.de/Billie eingibt, landet nicht bei dem Regal (das sich Billy schreibt), sondern auf der Fehlerseite, die einen Mann zeigt, der sich beim Streichen seines Zimmer sehr dämlich anstellt.

Man ahnt und erkennt bald die Mühe, die dahinterstecken muss: Die Idee sollte etwas mit den Produkten der Firma zu tun haben, lustig sein, aber die Leute nicht zu sehr verärgern. Bei Google sieht man einen traurigen Roboter, bei der Online-Videothek Moviepilot steht auf der Fehlerseite die Beschreibung des fiktiven Films »Invasion der Seitenfresser«. Der FC Bayern zeigt einen verwaisten Stadionsitz mit der Sitznummer 404 (so lautet der Fehlercode für unauffindbare Webseiten unter Programmierern) und beim Ketchup-Hersteller Heinz liegt eine leere Flasche im Bild. »Wir haben extra eine Werbeagentur beauftragt, unsere Fehlerseite zu gestalten – als Teil unserer Webseite«, sagt die Pressesprecherin von Heinz, Caroline Vulter, und fügt gleich hinzu: »Aber wir wollen nicht, dass dieses Bild oft erscheint, da es sich um eine Fehlermeldung handelt.«

Irgendwie logisch: Welche Firma will schließlich für ihre Fehler berühmt sein? Eine der populärsten Fehlerseiten wurde deshalb schon abgeschafft: Der »Fail Whale« von Twitter, ein herziger Wal, der von kleinen Vögeln aus dem Wasser gezogen wird. Das Bild war in den Anfangstagen von Twitter so oft zu sehen, dass der Wal einen eigenen Fanclub hatte und auf T-Shirts gedruckt wurde – bis ihn der Technik-Chef diesen Sommer in Rente schickte. Das Bild sei zwar süß, aber eben ein Symbol des Scheiterns – und das passe nicht mehr zu Twitter, einer Firma, die inzwischen an der Börse notiert ist.

Der Programmierer George Plumley sieht das anders. Für ihn lässt eine gute Fehlerseite eine Firma sympathisch erscheinen – ebenso wie eine schön dekorierte Kaffeeküche in der analogen Welt. In seinem Handbuch für Programmierer gibt er Tipps für lustige Fehlerseiten und erklärt: »Besucher können Fehler verzeihen – sie wollen nur nicht allein in der Kälte stehen gelassen werden, ohne zu wissen, wie es weitergeht.« Er empfiehlt, unter den lustigen Bildern einen Link einzubauen, der zurück auf die Startseite führt. Irgendwie passen solche Fehlerseiten gut in eine Zeit, in der viel von Transparenz die Rede ist und öffentliches Scheitern oft nichts Ehrenrühriges mehr ist – solange man zu seinen Fehltritten steht. Und nach kurzer Entschuldigung einfach wieder neu anfängt. Die Moral solcher Fehlerseiten ist also versöhnlich: Fehler sind okay – solange wir dadurch etwas zu lachen haben.

Illustration: Andy Rementer