Geschminkte Wahrheit

Olympische Spiele in Russland - und Wladimir Putin drangsaliert Homosexuelle mit absurden Gesetzen. Ausgerechnet im Austragungsort Sotschi haben sich Schwule und Lesben ein kleines Paradies geschaffen. Aber wie lange geht das gut?

Samstag, früher Abend, goldgelb versinkt die Sonne im Schwarzen Meer. In Sotschi wird es im Dezember erst um 18 Uhr dunkel. Der ehemalige russische Präsident Dimitri Medwedew mochte die Winterzeit nicht, so hat er sie abgeschafft. Wladimir Putin mag Homosexuelle nicht, so gibt es jetzt ein Gesetz, das es Menschen wie Andrej Tanitschew und Roman Kochagow verbietet, sich zu küssen. Ein Kuss unter Männern auf der Straße gilt jetzt als »Propaganda für Homosexualität«. Man kann dafür eine Gefängnisstrafe oder eine Geldbuße bekommen.

Für einen Kuss.

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Andrej, 35, und Roman, 39, lümmeln in ihrem Wohnzimmer auf einem beigefarbenen Designersofa, ihre Siamkatze kommt angeschlichen. »Champagner?«, fragt Andrej in die Runde. Am Esstisch sitzen zwei Freunde aus Moskau, beide sehr beschäftigt mit iPhone und iPad. Ein Korken knallt, Gläser werden gefüllt. Seit neun Jahren betreiben Andrej und Roman den Nachtclub »Majak« im Stadtzentrum von Sotschi. Tagsüber schlafen sie, nachts sortieren sie im Club-Büro Rechnungen und essen Sushi um Mitternacht. Majak heißt »Leuchtturm«. Der Club ist ein Hafen für Homosexuelle, in dem sich auch Heterosexuelle sehr wohl fühlen.

Die Villa ist ein Traum. Drinnen Fußbodenheizung, Kronleuchter, Kamin, draußen Mandarinenbäume und Hasenställe. Zehn Hasen besitzt Roman, denen er keine Namen gibt, »sonst kann ich sie nicht schlachten«. Hinter dem Haus sieht man die schneegepuderten Kaukasus-Berge, von der Terrasse aus Olympia-Stadt und Schwarzes Meer. Seit einem Jahr wohnen Roman und Andrej über den Hügeln von Sotschi. Es gibt keinen größeren Kontrast zwischen ihrem verrauchten Club und
der Einöde. Roman liebt es hier oben. Was genau er liebt? »Hier stört uns niemand.«
Im Juni hat Putin ein Anti-Homosexuellen-Gesetz erlassen. Es stellt »Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen« unter Strafe. Im Westen fordern viele, die Olympischen Winterspiele zu boykottieren. Elton John ist im Dezember in Moskau aufgetreten. Für einen Augenblick hat er sein Konzert unterbrochen und gesagt, das Gesetz mache ihn »sehr traurig«. Das Konzert hat er Wladislaw Tornowoi aus Wolgograd gewidmet. Der 23-Jährige war von Schulfreunden zu Tode getreten worden. Er hatte ihnen gesagt: »Ich bin schwul.«

In Sotschi kann man so einen Satz sagen, ohne um sein Leben fürchten zu müssen. Die Kleinstadt an der Küste ist die weiche Version von Russland: mediterranes Klima, Parks, Palmen, Bars, Straßenkatzen und viele alten Frauen, die Laub zusammenfegen. Vier Millionen Touristen strömen jedes Jahr nach Sotschi, auch Putin hat hier eine Villa, Gewalt wie in Moskau oder St. Petersburg gegen Schwule und Lesben gab es bislang nicht. Vor Kurzem hat ein zweiter Schwulen-Club geöffnet, das »Serkala«. Im Sommer sonnen sich Homosexuelle am Schwulen-Strand, im Lenin-Park gibt es einen Schwulen-Treffpunkt, und am Strand verkaufen Souvenirshops Reisepässe-Kopien, auf denen »Schwulen-Ausweis« steht. »Jeden Sommer«, sagt Andrej, »kommen Väter mit ihren Familien und leben ihre schwulen Seiten nachts bei uns aus.«

Roman und sein Partner Andrej haben in den letzten Wochen Reportern aus aller Welt Interviews gegeben. Der Rummel nervt sie inzwischen. »Viele wollen ihr Bild vom bösen Russland bestätigen«, sagt Andrej. »Dabei ist Sotschi ein Paradies für Homosexuelle.« Das Paradies liegt weit weg vom Kreml, und es gibt einen schon zu Sowjetzeiten bekannten Spruch: »Was in Sotschi passiert, bleibt in Sotschi.«

Dass Lesben und Schwule in Sotschi relativ unbehelligt leben, hat einen simplen Grund: Sie tun es hinter verschlossenen Türen. Roman krault die Siamkatze. Eigentlich wollte er nichts mehr sagen, spricht dann aber doch: »Putins Gesetz interessiert uns nicht. Wir Schwule leben hier eh nicht so wie die Schwulen in Europa.« Nicht aufzufallen, darin sind er und Andrej geübt. In den 13 Jahren, die sie zusammen sind, sind sie nicht einmal auf der Straße Hand in Hand gelaufen. Verstecken ist für ihn normal: »Die russische Gesellschaft ist nicht bereit, so etwas zu sehen. In Abu Dhabi würde ich ja auch nicht mit einer Flasche Bier auf der Straße rumlaufen.« Roman und Andrej halten nichts von Schwulen-Aktivisten. »Die«, sagt Andrej, »fachen mit ihren Demonstrationen nur Hass an.«

Putins neues Gesetz ist sehr populär: 88 Prozent der Russen befürworten es, fast vierzig Prozent halten Homosexualität für eine Krankheit. Bis 1993 konnte man wegen »Geschlechtsverkehr unter Männern« noch bis zu fünf Jahre Lagerhaft bekommen. Dann hob Präsident Boris Jelzin das von Stalin eingeführte Gesetz auf. Zwanzig Jahre später gibt es nun Putins Kussverbot, vor dem selbst internationale Firmen kuschen. Ikea hatte vor Kurzem in seiner Kundenzeitschrift ein Interview mit einem lesbischen Paar abgedruckt. Dasselbe Interview fehlt auf der russischen Internetseite von Ikea. Eine Sprecherin von Ikea Russland sagt: »Wir befolgen einfach das Gesetz in Russland.«

Der »Majak-Club« ist leicht zu übersehen. Eingezwängt zwischen dem unfertigen Neubau eines »Hyatt«-Hotels und dem Promenaden-Garten liegt er: ein goldfarbener Bungalow, dessen Fenster mit Goldfolie zugeklebt sind. Kein Name steht über dem Eingang, nur zwei Sicherheitskameras hängen dort. Drinnen wummert Euro-Pop, auf einer riesigen Videoleinwand flimmern Musikclips. Überall hängen Poster mit halb nackten Männern, einen Darkroom gibt es auch.

Es ist noch früh an diesem Abend, und früh im »Majak« heißt: 22 Uhr. Vor zwei Uhr morgens beginnt hier nie eine Show. Ruslan steht in der zugigen Garderobe vor dem Schminkspiegel und zupft sich die Augenbrauen, die zusammenzuwachsen drohen. Das »Majak« ist sein Wohnzimmer. Er isst und trinkt und flirtet hier. Es ist auch: sein goldener Käfig. Ruslan ist Kellner. Seine Eltern glauben, er arbeite in einer Hotelbar.

Ruslan vertreibt sich die Zeit in der Garderobe mit Andrej Smefanin, 28, und Ilja Usolcev, 29. Langsam verwandeln sie sich in ein Dragqueen-Paar, mit Hilfe von Schminke, die sie online in Deutschland bestellen. Beide stammen aus sibirischen Dörfern. »Da hätten wir nie überlebt«, sagt Andrej. In Russland, sagt er, »darfst du dich als Schwuler nicht umarmen, nicht küssen.« Sie hielten sich daran, sagt er. An seinem Hals hängt ein Jesuskreuz. Die Kette trägt er fast immer. Nur nachts, wenn sich Andrej falsche Brüste umschnallt, legt er den Jesus ab.

Andrej strahlt die Langeweile eines Schauspielers aus, der jeden Abend in dieselbe Rolle schlüpft. An fünf Tagen in der Woche verwandelt er sich in Fantasiefrauen, hundert US-Dollar bekommt er pro Auftritt. »Ich will so viel Geld wie möglich verdienen«, sagt er. Ilja und er wollen nach Amsterdam fliegen – um zu heiraten. Kurz vor Mitternacht: Schicht um Schicht tragen sie Make-up auf, die Füße stecken in weißen Socken und Plastikbadeschlappen. Über sein Coming-out redet Andrej nicht gerne: »Meine Eltern hoffen immer noch, dass ich eines Tages eine Frau heirate und Kinder bekomme.« Was er von Putins Gesetz hält? Andrej klebt falsche Wimpern an und sagt: »Kein Problem für uns. Wir merken hier gar nicht, dass es so ein Gesetz gegen Homosexuelle gibt.« Für Putin hat er sogar Lob übrig: »Putin hat die Renten erhöht.«

Ruslan hat nicht zugehört. Er klickt auf VK.com herum, der russischen Version von Facebook. Das Gesetz? »Politik interessiert mich nicht.« Ruslan lebt in der putinfreien Welt des »Majak«. Keine Nacht endet bei ihm vor acht Uhr morgens. Er sieht müde aus. Gern würde er seinen Eltern sagen, dass er auf Männer steht. »Aber dafür«, sagt er, »ist es noch zu früh.«

Für Wladimir ist es viel zu spät, mit der Wahrheit herauszurücken. Er ist jetzt 55 Jahre alt, und keiner weiß, dass er schwul ist. Nur Leonid. Wladimir wohnt am Stadtrand von Sotschi, weit weg vom Louis-Vuitton-Laden am renovierten Hafen. Zum Interview ist er nur bereit, wenn man seinen Nachnamen nicht nennt und ihn nicht fotografiert. In seiner Wohnung ist es sehr warm, er hat sich mit Parfüm eingesprüht. Wladimir war Kranführer, bis Rückenschmerzen ihn plagten. Jetzt bezieht er Frührente. »Einmal in meinem Leben habe ich gespürt, was Liebe ist«, sagt er und brüht Tee auf. Die Liebe galt Boris, einem Lkw-Fahrer. Doch Boris starb bei einem Unfall.

Beten. Wofür? »Dass Gott mir vergibt, dass ich mit einem Mann schlafe.«

Bedrückende Rechtslage Die Diskriminierung von Homosexuellen ist in Russland seit Juni 2013 Gesetz. Es stellt unter Strafe, wer in der Öffentlichkeit über Homosexualität spricht, sie abbildet, zur Schau stellt. Das gilt auch für Ausländer. Theoretisch könnte Russland lesbische und schwule Sportler ausweisen, die während der Olympischen Spiele am Strand von Sotschi Hand in Hand spazieren gehen. All das soll verhindern, dass sich gleichgeschlechtliche Liebe unter Kindern und Jugendlichen »ausbreitet«. Im Parlament soll demnächst ein neues Gesetzesvorhaben diskutiert werden: Lesben und Schwulen, die Kinder haben, soll das Sorgerecht entzogen werden.

Die Wände in Wladimirs Zimmer sind so dünn, dass er die Musik aufdreht. Erst letzte Woche hat die Nachbarin gefragt, warum er in der Nacht geheult habe. Da muss ich was Schlechtes geträumt haben, hat Wladimir gesagt. In Wahrheit lag er in dieser Nacht mit Leonid auf der Ausziehcouch. Wladimirs Augen leuchten, wenn er von Leonid erzählt. Offen reden, sagt er, »das schaffe ich nicht. Ich bin in der Sowjetunion groß geworden, da gab es keine Schwulen«. Von seinem Doppelleben wüssten selbst die Ex-Frau und der Sohn nicht.

Auf einem Foto sieht man Leonid mit beiden Töchtern an der Hand. Leonid sei bisexuell, sagt Wladimir. Wenn der kommt, trinke man Wodka, dann komme man schnell zur Sache. Wladimir sagt tatsächlich: »Sache«. Sonntags kommt Leonid nie, sonntags geht Wladimir in die Kirche, zum Beten. Wofür? »Dass Gott mir vergibt, dass ich mit einem Mann schlafe.«

Die Sonne scheint, Viktoria macht gerade Mittagspause. Ihr Steuerbüro liegt in einer Gegend mit Lagerfeld-Boutiquen und Feinkostgeschäften, in denen man Veuve Clicquot kaufen kann. Viktoria trägt ihre schwarzen Haare kurz und eine Sonnenbrille. Im Café bestellt sie Latte Macchiato. Im Büro ist sie die einzige Frau unter fünf Männern. Alle wüssten, dass sie lesbisch ist. Das sei »kein Thema«. Im Café behält sie die Sonnenbrille auf. Bis um drei Uhr früh war sie gestern Nacht im »Majak«.

Bevor sie sich über Putin aufregt, lobt sie ihn: »Putin macht eine gute Außenpolitik, keine Frage. Aber innenpolitisch ist sein Homosexuellen-Gesetz eine Katastrophe. Er macht aus allen Homosexuellen Pädophile.« In anderen Ländern, sagt sie, »gibt es schwule Bürgermeister, und wir bekommen ein Gesetz aus dem Mittelalter!« Wenn sie sich mit einer Frau vor einem Kindergarten küsste, »würde ich ins Gefängnis kommen, verrückt!« Es gibt gerade keine Frau in ihrem Leben, aber gestern Nacht habe sie eine kennengelernt, die in einem Hotel in Sotschi arbeitet. Viktoria ist jetzt 36 Jahre alt und will eine Familie gründen. »Zwei Kinder, das wünsche ich mir.« Wie? »Ich habe genug schwule Freunde, die bereit wären, ihren Samen zu spenden.« Sie würde auch ein Kind adoptieren, »aber das dürfen Homosexuelle in Russland nicht.« Ihr Traum sei, mit »der Liebe meines Lebens« Kinder zu bekommen und nach Italien zu ziehen. »Europa«, sagt sie, »ist uns einfach hundert Jahre voraus.«

Stadtbibliothek Sotschi, erster Stock. In einem Lesesaal sitzen 14 Rentnerinnen und arbeitslose Frauen, die Englisch lernen. Im Februar wollen sie Olympiagäste betreuen. Ihr Lehrer hat eine ganz eigene Lern-Methode: Er spielt Dancing Queen von Abba vor, die Frauen singen den auf eine Leinwand projizierten Text. Dann ertönt Que sera, sera von Doris Day. Die Klasse schaukelt zur Musik.

In der Pause bittet der Lehrer, mit den Frauen ja nicht über Homosexualität zu reden. »Das ist tabu!« Doch offenbar kennt er seine Schülerinnen nicht. Ludmilla Schinkowskaja meldet sich zu Wort. Ihr Haar: blond. Ihre Lippen: knallrosa. Ihr Pullover: Leopardenfellimitat. »Ich bin eine Patriotin, ich liebe mein Land, ich liebe Putin.« Dem Monolog folgt eine Ansprache ihres Herzens: »Putins Gesetz ist falsch. Jeder Mensch hat das Recht, so zu leben, wie er von Natur aus ist.« Nach dem Unterricht schält Ludmilla Schinkowskaja eine Mandarine und erzählt, von Gazprom, wo sie als Firmenreporterin angestellt war, von ihrem geschiedenen Mann, von den zwei Söhnen. Sie kommt aus Nowosibirsk, jetzt will sie nirgendwo anders leben als in Sotschi. »Das ist ein anderer Planet hier!« Sie verrät auch, woher ihre Toleranz kommt: »Ein Freund meines jüngsten Sohnes hat sich vor zwei Jahren umgebracht, weil er schwul war.« Seitdem steht für sie fest: »Das sind Menschen wie wir auch!«

In der Villa von Andrej und Roman wird die dritte Flasche Champagner geöffnet. Am Esstisch sitzt Oleg Frolow, ein Grafikdesigner, der mit seinem Partner in Moskau lebt. Oleg ist übers Wochenende nach Sotschi geflogen, Roman und Andrej besuchen. Sotschi, sagt Oleg, »ist wie Urlaub nehmen vom Hass in Moskau«. Vor zwei Wochen, erzählt Oleg, begannen seine Augen in Moskaus größtem Schwulen-Club »Central Station« plötzlich zu brennen, alle husteten. Jemand hatte Reizgas in die Klimaanlage gesprüht. Tage zuvor hatten Unbekannte auf Menschen am Club-Eingang geschossen. »Seit dem Gesetz«, sagt Oleg, »sind wir Schwule Freiwild geworden.«

Am Esstisch sitzt auch Vladim Kasanzewdi. Heute Nacht wird er sich im »Majak« in »Zaza Napoli« verwandeln. Fast jeden Tag steht Vladim auf der Bühne, in Moskau, St. Petersburg, Sotschi, im Fernsehen. Er mag das Wort »Freiwild« nicht. Es kommt zu einem Streit zwischen Oleg und Vladim, es ist ein Konflikt zwischen Gestern und Heute. »Oleg, mein Schatz, ich fahre doch auch nicht im Paillettenkleid und mit High Heels in Moskau U-Bahn. Die Leute verstehen das nicht! Wenn du unbedingt provozieren willst, dann musst du auch mit den Konsequenzen rechnen.«

Oleg schimpft: »Wie redest du bloß? Irgendwann muss die russische Gesellschaft doch akzeptieren, dass es auch Schwule und Lesben gibt. Irgendwer muss doch den Anfang machen!« Vladim, Russlands bekanntester Dragqueen-Darsteller, schüttelt den Kopf: »Unsere Gesellschaft ist noch nicht bereit. Meine Eltern können es nicht hören, dass ich schwul bin. Sie glauben, ich bin Schauspieler. Wir reden nicht darüber, mit wem ich schlafe.« Über seine Shows reden die Eltern allerdings mit ihm. Erst letzte Woche rief Vladims Mutter ihren Sohn nach einem Auftritt an. Sie war empört: »Vladim, du hattest viel zu viel Make-up im Gesicht! Du hast ausgesehen wie eine Hure.« Jetzt muss auch Oleg lachen.

Er zieht sich einen Pullover übers T-Shirt, er geht kurz raus in den Garten, Luft schnappen. Er schaut nach Romans Hasen, streichelt sie an den langen Ohren, füttert sie mit Salatblättern. Roman, sein Lebenspartner, und er haben vor ein paar Tagen einen Entschluss gefasst: »Wir werden Russland verlassen. Wir können hier in unserer Heimat nicht mehr leben.« Im Frühjahr wollen sie ihre Wohnung auflösen, sich von Eltern, Geschwistern und Freunden verabschieden und nach Miami auswandern, Asyl beantragen. Mut macht ihnen ein junger Russe, der kürzlich in Deutschland als schwuler Flüchtling anerkannt wurde.

In Moskau, sagt Oleg mit traurigem Blick, »fühlen wir uns eigentlich nur in unserer Wohnung so richtig frei«. Das Anti-Homosexuellen-Gesetz sei »ein Albtraum. Die Polizei ermittelt auch nicht mehr, wenn Schwule überfallen werden.« Er erzählt von Skinheads, die mit Hilfe falscher Profile auf Dating-Seiten Schwule in Wohnungen lockten und dann zusammenschlügen. Er erzählt vom Fernsehmoderator, der in einer Live-Sendung gesagt hatte, er sei schwul, und am nächsten Tag gefeuert wurde. »Was ist das für ein Land?«

Vor ein paar Monaten waren Oleg und sein Partner in Berlin und haben gesehen, dass es auch anders geht: »Überall laufen Männer Hand in Hand«, sagt Oleg. »Wir haben sogar eine Werbung von einer Krankenkasse mit einem schwulen Paar gesehen!« Wenn er und sein Partner in den USA als Asylsuchende nicht akzeptiert werden, wollen sie es in Deutschland versuchen. »Hauptsache«, sagt Oleg, »wir kommen hier weg.«

Fotos: Alexander Gronsky