Gelebte Demokratie

Ob gegen Neonazis oder Atomkraft, für bessere Kinderbetreuung oder mehr Psychatrieplätze: Demos gehören in Deutschland zum Alltag. In unserer Reihe »Neue Fotografie« blickt Christoph Löffler hinter die Kulissen der Proteste - und zeigt auf seinen Bilder die Macht und Ohnmacht von Demonstranten und Polizisten.

Name: Christoph Löffler
Geboren: 23.11.1983
Ausbildung: Fotografiestudium an der Neuen Schule für Fotografie Berlin
Webseite: http://chloephoto.de/

SZ-Magazin: Herr Löffler, wann haben Sie zum ersten Mal an einer Demonstration teilgenommen?
Christoph Löffler: Meine erste Demonstration war die sogenannte Liebknecht-Luxemburg-Demonstration als ich 16 Jahre alt war. Damals musste ich noch meine Mutter um Erlaubnis bitten. Sie hat es mir erstmal verboten, habe dann aber gut argumentiert, dass es nicht gefährlich sei. Dann hat sie es mir doch erlaubt. Seitdem gehe ich jährlich auf mindestens zwei bis zehn Demos – damals als Demonstrant, heute als Fotograf.

Als Fotograf zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten – fällt man da nicht auf?

Natürlich wird man anders wahrgenommen, ebenso nimmt man die Demonstration selbst anders wahr. Man darf hinter Absperrungen und zu den Polizeikräften, also an Orte, an die man sonst nicht gelangt. Ich sympathisiere nicht mit den Inhalten aller Demos, bei denen ich fotografiere und sehe mich dann nur in der Rolle des Fotografen. Die Polizisten sehen das nicht unbedingt so, sie sehen Fotografen als Störenfriede. Häufig wird mir die Kamera zugehalten oder es wird mit körperlicher Gewalt gedroht.

Gab es besonders schreckliche Ereignisse, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?
Ja, da fällt mir eine Sache ein: Ich bin auf einer Demonstration von Neonazis und deren Gegnern in eine ziemlich bedrohliche Situation durch Neonazis gekommen und erhoffte mir die Hilfe eines Polizisten. Anstatt einzuschreiten, hat er nur gemeint, nichts gesehen zu haben. Da habe ich mich entfernt, weil es mir doch zu brenzlig wurde. Es gibt aber auch schöne Situationen: Bei der Blockade einer Neonazi-Demo in Frankfurt an der Oder haben sich Familien mit Kindern, alte und junge Menschen zusammengefunden, beisammen gesessen und gemeinsam gegessen. Eine sehr solidarische Situation, die sich auch mit einsetzendem Regen nicht aufgelöst hat.

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Was fasziniert Sie an Demonstrationen?
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Teilhabe am gesellschaftlichem Leben nur funktioniert, wenn man seine demokratischen Rechte einfordert und auch dafür auf die Straße geht. Ich möchte zeigen, wie Leute für oder gegen etwas einstehen.

Glauben Sie, dass heute weniger demonstriert wird als früher?

Ich glaube nicht. Es ist die Form und die Vehemenz, die sich verändert. In den neunziger Jahren waren die Demos gewaltsamer, heute liegt die Kräfteverteilung zwischen Staatsmacht und Demonstranten eher auf Seite der Polizisten.

Fotos: Christoph Löffler