»Josh Brolin, sind sie ein Cowboy?« »Ach, so was gibt es nicht mehr«

Früher musste er als Börsenhändler Geld dazuverdienen, heute lebt der Schauspieler Josh Brolin in Kalifornien auf einer Ranch ohne Pferde und baut Tomaten an. Ein Gespräch über die ewige Suche nach Sicherheit.

»Sicherheit ist eine Täuschung«, sagt Josh Brolin und klingt dabei gar nicht mal paranoid. Was ihm wirklich Angst macht: Liebeskomödien mit Jennifer Aniston.

SZ-Magazin: Sie sind 46. Und zum ersten Mal in Ihrer Filmkarriere kriegen Sie das Mädchen: Adele, gespielt von Kate Winslet, in Labor Day. Ganz schön spät, nicht?
Josh Brolin: Das ist doch super. Ich habe das Mädchen in jungen Jahren nicht bekommen, sondern erst jetzt, als geriatrischer Mann. So ist mein ganzes Leben verlaufen: Alles hat sich in umgekehrter Reihenfolge ereignet.

Möchten Sie damit sagen, dass Sie ein Spätzünder sind?
Das sehen Sie vielleicht so. In meinen Augen bin ich es nicht. Ich arbeite seit
29 Jahren. Die Leute fragen mich ständig, wie es sich anfühlt, endlich gut zu sein, nach jahrzehntelanger Mittelmäßigkeit. Das finde ich unfassbar respektlos. Ich habe immer versucht, gute Arbeit zu leisten. Ich habe in Theaterstücken gespielt, auf die ich extrem stolz war. Es hat nur niemand diese Stücke gesehen. Und ich habe Filme gedreht, die niemand gesehen hat. Jetzt schauen die Leute die Filme an, die ich drehe. Aber sie wissen gar nicht, wie gut oder schlecht ich früher war.

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Hängt es nicht auch ein wenig von der Qualität eines Filmes oder eines Regisseurs ab, wie gut man sein kann?
Irgendwann in diesen Jahren der mittelmäßigen Filme habe ich Flirting with Disaster mit David O. Russell gedreht. Als ich den sah, dachte ich tatsächlich: tolles Gefühl, bei einem guten Film dabei zu sein. Klar hätte ich gern öfter gute Filme gedreht. Aber ich hatte nicht die Wahl. Ich musste die Arbeit nehmen, die man mir anbot. Ich brauchte Geld, schließlich musste ich meinen Kindern was zu essen kaufen.

Sie haben Ihre Kinder mit Anfang zwanzig bekommen. Als die klein waren, haben Sie auch als Broker und Landschaftsgärtner gearbeitet. Haben Sie so wenig verdient?
Auch, ja. Aber vor allem war ich frustriert, weil es so schlecht lief, und musste herausfinden, ob ich wirklich Schauspieler sein wollte. Dazu musste ich auf Distanz zu diesem Job gehen und ökonomisch unabhängig sein. Die ersten sechs Monate fand ich es toll, Landschaftsgärtner zu sein. Endlich harte, körperliche Arbeit. Nach sieben Monaten war ich fix und fertig. Wenn man merkt, das ist jetzt der Alltag, ist es nicht mehr toll, sondern nur noch anstrengend. Ich fing an, das Spielen zu vermissen. Seit der Landschaftsgärtnerei habe ich großen Respekt vor den Jungs, die ein Leben lang körperlich hart arbeiten.

Beim Geldhandel sitzt man nur am Computer. Besser?
Damit habe ich angefangen, als ich die Hauptrolle in einer Serie spielte, die Mister Sterling hieß. Da war das plötzlich mein Leben: diese Rolle. Jeden Tag: diese Rolle. Kein Geld, keine Zeit, totaler Stress, ich wurde von Szene zu Szene gejagt. Da wollte ich alles andere lieber machen als Spielen. Ich hatte nebenher ein bisschen spekuliert. Das hab ich sehr intensiviert, bis No Country for Old Men kam.

Und damit die Erlösung von schlechten Filmen. Waren Sie denn erfolgreich im Spekulieren?

Ich kann mit Zahlen umgehen. Ja, ich war gut im Daytrading. Jeden Morgen um fünf war ich auf, habe die Börsenkurse studiert und wusste immer, was zu tun war. Die anderen Schauspieler haben mich in der Zeit behandelt wie einen, mit dem was nicht stimmt. Und die Broker haben mich als den Typen betrachtet, der keine Ahnung haben kann, weil er ja Schauspieler ist. Aber dieses Geschäft fängt an, einen zu besitzen: Man kann sich auf nichts anderes mehr konzentrieren als auf diese fünf oder sieben Bildschirme um einen herum. Die Kinder haben gesagt: »Daddy, wir müssen in die Schule und haben noch nichts gegessen.« Ich habe gesagt: »Komme sofort.« Sie können sich denken, wie es weiterging.

Ist Ihnen Sicherheit eigentlich wichtig?
Heute würde ich sagen: nein. Aber früher schon. Damals hat es mich verunsichert, dass unser ganzes Leben davon abhing, wer meinem Vater einen Job gab. Wenn er Arbeit hatte, wohnten wir in einem großen, schönen Haus. Wenn nicht, wohnten wir bei anderen Leuten. Das wollte ich nicht für mich und meine Familie.

»Für meine Mutter war ich eine Art Ersatz für ihren Ehemann.«

Josh Brolin mit Kate Winslet in ihrem aktuellen Film »Labour Day«.

Ihr Vater James Brolin ist auch Schauspieler, bekannt aus Serien wir Dr. med. Marcus Welby und Hotel. Er hat später Barbra Streisand geheiratet. Es scheint ihm gut zu gehen.
Heute bin ich auch klüger und weiß, dass es keine Sicherheit gibt. Weiß, dass Sicherheit eine Täuschung ist. Gerade arbeite ich viel und habe trotzdem kein Geld.

Wie kommt’s?
Für meine nächsten beiden Filme werde ich nicht bezahlt. Und ich habe die Ranch meiner Mutter zurückgekauft. Denn ich glaube zwar nicht an Sicherheit, an Land allerdings glaube ich.

Warum haben Sie die Ranch dann erst verkauft?

Ich musste. Das war in der Zeit, in der ich kein Geld hatte. Aber ich konnte
nicht aufhören, daran zu denken. Als ich wieder Geld hatte, bin ich sofort hin, um zu fragen, ob ich sie wiederhaben könnte. Als ich ins Haus kam, sah es genauso aus, wie ich es verlassen hatte. Die Möbel, Wolldecken, alles am alten Platz. Die neuen Besitzer sagten, sie hatten nie das Gefühl, es sei ihr Haus. Das war fast unheimlich. Ich bin sehr glücklich, die Ranch wiederzuhaben. Auch wenn ich kaum da bin.

Wo sind Sie meistens?
Ich habe ein kleines Apartment in Los Angeles, echt klein, ein Schlafzimmer.

Sie sind ungewohnt glatt rasiert heute. Von Fotos kennt man Sie im Cowboy-Look und mit Schnauzer. Was ist passiert?
Ich habe keinen Bartwuchs auf den Wangen, kriege also keinen richtigen Bart. Darum habe ich gern diesen Schnauzer. In meiner Welt haben viele Leute einen Schnauzer und tragen Jeans, schwarzes T-Shirt, Stiefel. Ich auch, immer eigentlich. Ab und zu muss ich den Schnauzer für einen Film abnehmen.

In Ihrer Welt, auf der Ranch, sind Sie da Cowboy?
Ach, so was gibt’s nicht mehr. Ein paar Typen in der Gegend tun noch so, als wären sie Cowboys. Aber wir haben nicht mal mehr Pferde, die Ranch ist eher ein Landhaus geworden. Doch es gibt Arbeit genug. Die Kühe des Nachbarn brechen durch den Zaun, du musst ihn reparieren. Oder die Tomatenernte, da kommt was zusammen.

Wie sah die Ranch früher aus?

Meine Mutter war als Tierschützerin sehr aktiv. Wir hatten alles, Coyoten, Schimpansen, Berglöwen, Tiger. Meine Mutter hat Leute, die wilde Tiere gefangen haben, angezeigt und ihnen die Tiere weggenommen. Die kamen dann zu uns und wir Kinder mussten uns um sie kümmern. Wir waren sehr jung und machten Wolfgehege sauber, solche Dinge. Ich habe Narben am ganzen Körper aus dieser Zeit. Meinem Bruder musste eine Wunde am Bein mit sechzig Stichen genäht werden. Wir fanden es nicht so super. Aber die anderen Kinder an der Schule waren begeistert und wollten uns ständig besuchen.

Die Mutter in Labor Day ist nett, aber so verspult, dass sie darüber ihr Kind fast vergisst. War Ihre Mutter ähnlich?
Im Gegenteil. Es war sicher verantwortungslos von ihr, uns auf die Tiere loszulassen. Aber sie war voll da, total beschäftigt. Allerdings war ich ihr, wie der Junge im Film der Mutter auch, eine Art Ersatz für den Ehemann. Mein Vater war immer weg, ich war der Älteste. Ich bin früh ausgezogen und habe den Kontakt abgebrochen. Viel später erst haben wir uns wieder angenähert, und da begann eine neue, andere, sehr intensive Beziehung zu meiner Mutter. Ich war ihr sehr nah, bevor sie starb. Und fand toll, was für eine starke Frau sie war. Sie fand jeden gut, der die Eier hatte, ihr zu widersprechen.

Können andere Frauen an so eine starke Mutter heranreichen?
Ehrlich gesagt, ist das schwierig. Manchmal frage ich mich deshalb auch, ob ich ein zu guter Vater war.

Echt jetzt?
Na ja, ich habe es geliebt, jeden Morgen aufzustehen und Frühstück zu machen und die Kinder zur Schule zu fahren. Ich wollte nicht, dass sie von Nannys betreut werden – aber es ging mir dabei viel mehr um mich als um meine Kinder.

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Josh Brolin, 46, dümpelte als Schauspieler lange vor sich hin, bis er 2007 in »No Country for Old Men« sein Talent unter Beweis stellen konnte. Seitdem dreht er mit den besten Regisseuren. Brolins Kinder, von deren Mutter er seit 1992 geschieden ist, sind erwachsen. Vor wenigen Monaten gaben er und Schauspielkollegin Diane Lane das Ende ihrer zehnjährigen Beziehung bekannt.

(Fotos: dpa)