Deutschland sucht den Superlehrling

Mit klassischen Stellenausschreibungen kriegt heute keine Firma mehr neue Azubis. Jobangebote müssen jetzt so klingen, als ginge es mindestens um den Sieg bei einer Castingshow.

Vor Kurzem hat der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Alarm geschlagen: In Deutschland herrscht Azubi-Mangel. Manche Firmen locken ihre Lehrlinge schon mit Smartphone und eigenem Dienstwagen. Trotzdem sind in vielen Branchen Tausende Ausbildungsplätze unbesetzt. In ihrer Not sind Werber auf die Idee gekommen, U-Bahnen und Litfaßsäulen mit Plakaten zuzupflastern, die eher an Castingshows als an Stellenanzeigen erinnern. Dort stehen dann Sätze wie: »Ich will hoch hinaus!« (für Schornsteinfeger), »Zeit für neue Helden« (Banklehre), »Rockt mit uns die Zukunft!« (Ausbildung zum Außenhandelskaufmann).

An den oft peinlich anmutenden Coolness-Versuchen lässt sich mehr ablesen als nur die Übertragung einer Deutschland sucht den Superstar-Rhetorik auf das Bäckerhandwerk. Die Slogans sind Ausdruck einer veränderten Arbeitswelt, die Psychologen seit einiger Zeit beschreiben: Ein Job muss heute viel mehr sein als reiner Broterwerb. Die meisten Menschen erwarten von ihrem Beruf auch Selbstverwirklichung, Kreativität, Karriere und persönliche Entfaltung. Für Akademiker gilt das schon länger, nun werden also auch so bodenständige Berufe wie Schaffner oder Klempner zu glamourösen Traumjobs aufgemotzt. Alles Visionäre, Helden, Superstars? Vielleicht wäre ein bisschen Realismus bei den Stellenanzeigen angebracht – schon allein, um den angehenden Lehrlingen die Enttäuschung zu ersparen, während ihrer Ausbildung kein einziges Mal von Heidi Klum ein Foto überreicht zu bekommen.

Illustration: Philipp Dornbierer