Das Beste aus aller Welt

Beruhigend: Auch der heilige Vater versinkt mal im finanziellen Chaos. Im Vatikan entdeckte man jüngst ein paar Hundert Millionen Euro auf verwahrlosten Konten. Jetzt müssen dem Kirchenstaat dafür nur noch ein paar christliche Taten einfallen.

»Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie die Motten und der Rost fressen und da die Diebe nachgraben und stehlen«, liest man im Matthäus-Evangelium, und die meisten von uns halten sich ja auch tapfer daran, schon aus Mangel an Gelegenheit einerseits; andererseits aber auch, weil die Versuchungen irdischen Lebens zu groß sind. So vieles, was bei vernünftiger Handhabung Grundstock eines irdischen Schatzes hätte sein können, ist dieser Tage, wie alle Jahre wieder, in den sogenannten Konsum geflossen, und das mag ja auch richtig so sein. Denn bevor die Motten und der Rost unser Geld fressen, verfressen wir es lieber selbst oder bringen es sonst wie unter die Leute, nicht wahr?

Interessant ist in diesem Zusammenhang nun aber, was kürzlich der australische Kardinal George Pell im Catholic Herald schrieb, einer in London erscheinenden Wochenzeitung. Pell ist seit Anfang dieses Jahres eine Art Finanzminister des Vatikans, eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, denn in der Finanzstruktur des Kirchenstaates scheint nach allem, was man hört, in etwa ein solches Durcheinander zu herrschen wie im Keller meiner Wohnung – und das will etwas heißen. Pell teilte nun mit, es sei ihm wichtig zu betonen, »dass der Vatikan nicht pleite ist«, denn man habe dort – »auf bestimmten Konten versteckt« – mehrere Hundert Millionen Euro entdeckt. (Was nun wieder, auch bei intensivstem Stöbern, in meinem Keller nicht zu erwarten ist.)

Man ist geneigt, dies als eine Art Weihnachtswunder zu betrachten: Wie, um Himmels willen, soll es in einer Welt, die zum einen von Vernunft, zum anderen von Gier gesteuert ist, möglich sein, einige Hundert Millionen Euro zu vergessen, zu verstecken, zu verbummeln? Gab es denn niemanden, der wenigstens zwei, drei dieser Millionen ein kleines bisschen vermisste? Nein, das ist mehr oder weniger undenkbar, und also muss dieses Geld einer Quelle entspringen, die dem Verstande nicht einfach so zugänglich ist. Es muss tatsächlich ein Wunder geschehen sein. Und wo in aller Welt sind denn Wunder auch wahrscheinlicher als im Vatikan?

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Andererseits ist zu bedenken, dass dort in Rom in Gelddingen wirklich ein Zustand zu herrschen scheint, den unübersichtlich zu nennen eine groteske Untertreibung wäre. Allein die vielen schon bekannten Verstrickungen der Vatikanbank mit der Mafia aus vergangenen Jahren hatten ein System geheimer und getarnter Konten zur Folge, und davon abgesehen kennt niemand etwa den Wert des Immobilienvermögens, über das man dort gebietet; außerhalb des Vatikans gehört diesem, so heißt es, allein etwa ein Drittel Roms, von weiteren Werten, unfassbaren Kunstschätzen zum Beispiel, mal abgesehen. Da kann man schon mal den Überblick verlieren, wenn man eigentlich was anderes zu tun hat.

Was den erwähnten Geldfund angeht, sollte man vielleicht auf den der oben erwähnten Matthäus-Stelle folgenden Bibelvers hinweisen, der nämlich lautet: »Sammelt euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost fressen und da die Diebe nicht nachgraben noch stehlen.« Könnte es also sein, dass jemand diesen Satz jeder Transzendenz entkleidet und ihn als Auftrag zum sicheren Vermögenstransfer verstanden hat? Denn im Himmel, wird man glauben dürfen, wäre jeglicher Schatz ja nicht nur sicher vor Motten, Rost und Dieben, sondern auch vor den Lehman Brothers, Doktor Draghi und den Anlageberatern unserer Großbanken. Der Himmel ist, banal gesprochen, ein Tresor, dessen Zugangscode, wenn überhaupt irgendwo, dann nur im Vatikan bekannt sein dürfte.

Nehmen wir also den römischen Geldfund als Zahlung von höchster Stelle, vielleicht weil dort die Bescheidenheit auf Gefallen stößt, mit der Papst Franziskus sein Amt ausübt. »Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz«, heißt der nun folgende Matthäus-Vers, und man möchte hoffen, dass man dort, wo das Herz ist, nun auch angemessen mit diesem Schatz umzugehen versteht.

Illustration: Dirk Schmidt