Das Beste aus meinem Leben

Nachdem wir uns vergangene Woche mit dem Vogel des Jahres 2008, dem Kuckuck, und seinen Äußerungsformen beschäftigten, möchte ich mich heute der Sprache aller Vögel zuwenden, sodass wir im Frühjahr, nach langen, zum Sprachstudium geeigneten Wintertagen, alle besser gerüstet sein werden, die Vogelwelt zu verstehen.

Ich habe einige Tage damit verbracht, die beiden Bände über Vögel aus Alfred Brehms Tierleben zu studieren. Brehm hat, wie beim Kuckuck, auch bei allen anderen unserer Gefiederten unglaubliche Mühe darauf verwendet, deren Stimmen zu verschriftlichen, in Khartoum etwa, wo er, unter einem Baum liegend, die Unterhaltung einiger Alektowebervögel protokollierte:
Erster Alektowebervogel: »Ti ti terr terr terr zerr zäh.«
Zweiter Alektowebervogel: »Gai gai zäh.«
Dritter Alektowebervogel: »Guik guik guk guk zäh.«
Vierter Alektowebervogel: »Güh gü gü gü gäh.«

Natürlich ist in den dürren Zeilen nichts von der Musik einer Vogelunterhaltung. Aber liegt nicht darin der Reiz? Dass der Vogelsprache, indem man sie aufschreibt, eine Dimension verliehen wird, die dem Vogel selbst unbekannt ist? Welcher Vogel kann schreiben? Das Libretto seiner eigenen Opern lesen? Der niedergeschriebene Vogelsong bleibt dem Vogel selbst verschlossen. Uns aber öffnet sich eine Sprachwelt.

Meistgelesen diese Woche:

In den Brehm’schen Büchern verteilt finden sich: die monotonen Äußerungen der Hohltaube, die entweder »Huuh, huu, huh, huh, huhhuhhuhhuh« ruft oder »Ure ure ure uru uru uru uru«, ab Ende August aber nur noch »Hu-we huwe huwe huwe huwe huwe huwe huwe huwe«; das dumpf-heulende Rollen der Felsentaube, »Marukuh murukuh marukukuh«; das kurz Angebundene der Riesenraubmöwe, die »Ach ach« spricht sowie beim Angriff ein tiefes »Hoh«; das knappe »Gluck«, mit dem der älteste Truthahn das Signal zum Überqueren eines Flusses gibt.

Schon wenn Brehm sich dem Alpenstrandläufer zuwendet, ahnt man aber, mit welcher Variationsbreite auch einsilbige Vogelworte benutzt werden können. Der Ruf des Alpenstrandläufers ist ein »Trü«, doch Brehm zitiert den Vogelsprachkundler Voigt: »Einmal gelang es mir, einen solchen Schwarm, den die Flut auf trockenen Sand zusammengedrängt hatte, vom hohen Geestufer herab aus nächster Nähe zu belauschen. Dicht beieinanderstehend unterhielten sie sich mit halblautem ›Wiwiwi‹, im Eifer zu längeren Touren übergehend oder auch die ›Wiwiwis‹ mit ›Trüüs‹ untermengend. Ganz anders an den Brutplätzen… Sein ›Trü‹ hört man hier mehr ausgekostet und oft gereiht, im Jagen ›trrrrürürürü… die ü-Stöße fast trillernd dicht, dann im Stehen tiefere ›Rät‹ oder ‹Räh‹ anschließend oder eine halblaute ›Ilililil‹-Tour.«

Noch interessanter: »Krögögögöögrö«, auch »Qenö-göö önö göö«, der Ruf des Alpenschneehuhnes bei starkem Nebel. Beim Anblick eines Raubvogels ruft es jedoch »Gägä gagää«, wobei Brehm anmerkt, diese Laute habe er von dem Ornithologen Schinz, er selbst habe sie nie gehört, »nur ein merkwürdig dumpfes, röchelndes, tief aus der Kehle kommendes ›Aah‹, mit dem sich noch ein Schnarren verbindet. Faber, Holboell und Krüper übersetzten diesen Laut durch ›arrr‹ oder ›orrr‹, ich meine aber, dass man den R-Laut nicht so deutlich vernimmt.«

Hier drei Beispiele, zu welcher Differenziertheit sich ein Vogeltext aufschwingen kann, erstens: die Gebirgsstelze mit ihrem »Zisisisi huit huit sirrrr doit säsäsäsä zuit«. Zweitens »Keiäkek kaiki kliwrä Kjiikgik«, der Warnruf der weiblichen Saatgans. Drittens: »Bückwerwück«, der weit schallende Daktylus der Wachtel, »der von jedem gern vernommen wird und zur Belebung einer Gegend viel beiträgt«. Brehm weiter: »Der Lockton ist ein leises ›Bübibi‹, der Liebesruf ein etwas lauteres ›Prickick‹ oder ›Brübrüb‹, der Ausdruck der Unzufriedenheit ein schwaches ›Gurr gurr‹, der Furcht ein unterdrücktes ›Trülilil trülil’‹, der Angstlaut ein ebenfalls nicht weit vernehmbares ›Trül reck reck reck‹. Dem Paarungsruf des Männchens pflegt ein heiseres ›Wärre wärre‹ vorauszugehen, dem dann das ›Bückwerwück‹ mehrmals nacheinander folgt.«

Mein Lieblingsvogelschrei? »Bülow«, der freundliche Ruf des Pirols, der in Mecklenburg »Vogel Bülow« heißt, auf Französisch »Loriot«. Was empfinden wir, wenn wir ihn hören? »Glück«! So ruft es der Grünspecht mit weittragender Stimme, einem großen Gelächter ähnlich, das manche, wie Brehm, »Glüh glüh glüh glück glück glück-glückglück« hören.

Illustration: Dirk Schmidt