Edle Tropfen

Um den Geschmack der grünen Ameise zu verkosten, muss man diese nicht einmal umbringen. Man muss sie nur - Verzeihung - am Arsch lecken.

René Redzepi serviert sie lebendig mit Creme fraiche. Frittiert werden sie in Thailand zum knusprigen Snack. Und in Australien ergeben ihre zerriebenen Larven steinzeitliche Proteinshakes gegen Kopf- und Halsweh. Manche sind giftig, aber einige Ameisenarten schmecken sehr gut. Eine davon sind die Smaragdameisen, die Werner Herzogs Film Wo die grünen Ameisen träumen den Namen gaben.

Sie leben auch in Afrika und Asien, doch nur in Nordaustralien sind die Insekten wirklich strahlend smaragdgrün, zumindest ihr pralles Hinterteil. Auf der Suche nach den Nahrungsmitteln australischer Ureinwohner habe ich sie in der Nähe von Cairns auf einem Baum gefunden, dort bauen sie nämlich ihre Nester. Dafür greifen sich mehrere Arbeiterameisen um die Taillen, bilden lange Ketten und schwingen sich von einem Blattrand zum nächsten, um ein Blatt zum anderen zu ziehen. Dann spinnen Ameisenlarven einen Seidenfaden, mit dem die Blattränder verwoben werden. Kinderarbeit im Tierreich sozusagen. Die fertigen Nester bleiben grün, sie sind wasserdicht und elegant.

Die Vorstellung, diese faszinierenden Insekten zu essen, finde ich seltsam, aber normalerweise probiere ich alles. Doch das war gar nicht nötig. Denn den Geschmack grüner Ameisen kann man sogar als Vegetarier kosten: Beherzt und gleichzeitig vorsichtig eine Ameise am Kopf packen. So kann sie einerseits nicht beißen, andererseits wird sie aber auch nicht verletzt. Kurz warten, dann bildet sich ein kleiner Tropfen am Hinterteil. Und den kann man jetzt ablecken. Der Tropfen besteht hauptsächlich aus Ameisensäure, schmeckt aber nicht nur säuerlich, sondern sehr erfrischend. Mit kräftigem Zitronen- oder Limettenduft, leicht herb. Er gibt einen kleinen Energiekick, den australische Ureinwohner schon seit Jahrtausenden zu schätzen wissen.

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Wer nicht erst nach Australien fahren will, um Ameisen zu probieren, kann nach „gelben Schattenameisen“ suchen. Das soll die Art sein, die Redzepi in der Umgebung von Kopenhagen für sein Restaurant sammeln lässt. Schattenameisen leben auch im Rest von Europa, aber wer wie ich höchstens Smaragdameisen von gewöhnliche Gartenameisen unterscheiden kann, sollte davon eher die Finger lassen. Auch Rote Waldameisen sind keine gute Wahl, erstens geschützt, zweitens wirklich ätzend. Bei thailandunique.com kann man aber sogar die echte grüne Ameise bestellen, sie wird dort als Weberameise verkauft, das ist der Gattungsname. Die Auswahl ist groß, neben normalen günen Arbeiterameisen führt der Onlineshop auch Larven, eingelegt oder gefriergetrocknet und Smaragdameisenköniginnen. Selbstverständlich alle selbst gezüchtet und Bio.

Foto: adegsm/getty images