121 bis 140

Unsere legendärsten Gipfeltreffen. Ein zerstörtes Kunstwerk. Überraschender Besuch bei Enrique Iglesias. Der glückliche Alt-OB Hans-Jochen Vogel. Und Reportagen aus unbarmherzigen Krisenregionen - dem Irak und dem Oktoberfest.

    Moment 121: 1992

    Gipfeltreffen: Carl Barks und Gottfried Helnwein.

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    Moment 122: 2013

    Gipfeltreffen: Maria Furtwängler und Ursula von der Leyen

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    Moment 123: 1998

    Gipfeltreffen: Dede Mensah und Rosabelle Rexford


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    Moment 124: 1994

    Gipfeltreffen: Der Dalai Lama und Heinrich Harrer


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    Moment 125: 1997

    Gipfeltreffen: Desmond Tutu und Joachim Gauck

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    Moment 126: 1991

    Gipfeltreffen: Walter Matthau und Billy Wilder

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    Moment 127: 1999

    Gipfeltreffen: Albert Darboven und Rolf H. Dittmeyer

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    Moment 128: 2001

    Die Künstler Martin Haake und Olaf Hajek richten deutsche Prominente als Wurstgesichter an, zum Beispiel Boris Becker, Marlene Dietrich und Rainer Werner Fassbinder.

    Es gab im Jahr 2000 einen BSE-Skandal, Fleisch und Wurst waren in Verruf geraten. Zur gleichen Zeit war Boris Becker in allen Medien wegen der Besenkammer-Affäre. So kam Moritz von Uslar auf die Idee, bekannte Deutsche aus Wurst formen zu lassen. Die Schwierigkeit lag in der Wahl der Wurstsorten. Welche Wurst für blonde Haare? Welchen Aufschnitt für Thomas Gottschalks Locken? Die größte Herausforderung war die Ferrari-Mütze von Michael Schumacher. Wir haben alle Wursttheken Berlins abgeklappert, um schließlich im KaDeWe ferrarirote Sülze zu finden. Am Ende haben wir die Porträts auf schöne deutsche Aufschnittunter-lagen gelegt, und der Fotograf Kristian Schuller musste sich mit den Fotos beeilen, da die Wurstporträts nur ein paar Minuten lang appetitlich aussahen. Nach dem Erscheinen hat der Sohn von Uschi Glas (die auch Teil der Serie war) in der Redaktion angerufen, um mitzuteilen, die ganze Familie habe sich sehr über das Porträt gefreut.

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    Moment 129: 2014

    Was läuft schief in einer Gesellschaft, in der schwangere Frauen Angst haben, dem Schönheitsideal nicht zu entsprechen? Lara Fritzsche kritisiert diese Entwicklung in einem wütenden Essay. Zum ersten Mal sorgt das SZ-Magazin für einen Twitter-Hashtag.

    Eine Überraschung für mich: Viele Leserinnen fingen plötzlich an, unter dem Stichwort #alsichschwangerwar über ihre negativen Erlebnisse zu diskutieren. Die Debatte zog sich über Wochen, und ich hatte das Gefühl: Ja, wir bewegen was.

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    Moment 130: 2004
    Der Termin der Termine! Weil alle Frauen der Redaktion begeistert sind, dass der süße Sänger Enrique Iglesias Interviews in Hamburg gibt, beschließen sie: einfach alle gemeinsam hinfahren. Iglesias staunt, als er die Tür öffnet.

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    Moment 131: 2005

    Wünsch dir was: Zu Weihnachten fragt das SZ-Magazin Menschen nach ihren Wünschen, und der Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel äußert einen persönlichen Traum, mit dem niemand gerechnet hatte.

    Meine Antwort war, einmal mit CUS an seinem Rätsel mitzuwirken. Der Wunsch wurde kurz darauf erfüllt: CUS gab die Antworten vor, meine Frau und ich durften uns ein paar Fragen dazu ausdenken. Eine große Ehre!

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    Moment 132: 2012

    Der Fotograf Armin Smailovic war für das SZ-Magazin schon in Krisenregionen und Kriegsgebieten unterwegs. Richtig nervös wird er aber, als er für eine Reportage ins Krokodilbecken steigen soll. Zum Glück kommt alles anders.

    Wir hatten auf dem Flug nach Australien etwas intensiv gefeiert und das halbe Equipment verloren. Mit der normalen Kamera konnte ich nicht unter Wasser. Ich fotografierte durch eine Scheibe - und ins Becken musste die Autorin Kerstin Greiner. Das Krokodil hätte sie bestimmt auch leckerer gefunden als mich.

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    Moment 133: 2011

     Die »Edition 46« ist im Jahr 2011 der US-Künstlerin Barbara Kruger gewidmet - und Bernhart Schwenk, leitender Kurator der Münchner Pinakothek der Moderne, muss mit ansehen, wie begeisterte Besucher ihre Installation zertanzen.

    Kunst ist ein Spiegel unseres Lebens: Selten ließ sich das so direkt erleben wie bei der spektakulären Bodeninstallation von Barbara Kruger. Die wichtigste Konzeptkünstlerin der USA hatte das Werk 2011 für die Pinakothek der Moderne geschaffen, Anlass war die Edition 46. HOW - MUCH?, BUY - SELL, SCHULD - SCHAM. Worte wie diese, in riesigen Lettern und angeordnet in konzentrischen Kreisen, beschworen mantraartig Freiheit und Abhängigkeit der Menschheit in Wirtschaftskreisläufen. Krugers Werk unter der Glaskuppel des Museums entwickelte sich zum Besuchermagnet, war ein attraktives Motiv unzähliger Fotos, sogar ein Brautpaar ließ sich dort fotografieren. Doch die eigentliche Bewährungsprobe erfuhr Krugers Schriftinstallation beim Fest der Museumsfreunde, als Hunderte von Gästen auf ihr tanzten. In einer einzigen Nacht wurde das Kunstwerk von Abendroben poliert und von High Heels perforiert - und ließ so das zu Lesende lebendig werden.
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    Moment 134: 2009

    Das SZ-Magazin zeigt einen ungewöhnlichen Erste-Hilfe-Koffer: die Notfallausrüstung für Borderline-Patienten. Was aus dem Artikel wurde, hat den Fotografen Frederik Busch sehr überrascht.

    Ich hatte einen Borderline-Patienten kennengelernt, der trug im Koffer Dinge bei sich, die helfen, einen Anfall von Selbstverletzung abzuwenden: eine Chilischote zum Draufbeißen, ein Gummiband zum Auf-die-Haut-Schnippen - diese Reize lenken ihn ab. Ich fotografierte den Koffer. Als ich Jahre später einer Bekannten das Bild zeigte, stellte sich heraus, dass die SZ-Doppelseite am Universitätskrankenhaus Eppendorf in der Therapie verwendet wird, als Beispiel. Wie schön, wenn journalistische Inhalte in therapeutische Konzepte einfließen!

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    Moment 135: 1994

    Claudius Seidl, Feuilleton-Chef der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«, schwärmt für einen frühen Text von Moritz von Uslar.

    Das SZ-Magazin und ich, wir hatten unsere schönsten und zugleich schmerzlichsten gemeinsamen Moment schon vor einiger Zeit, vor mehr als zwanzig Jahren, in den frühen Neunzigern, als ich beim Spiegel arbeitete und damit gar nicht unglücklich war. Ich fand damals, dass es sich lohnte, sich dort zu behaupten, das als richtig Erkannte oder Empfundene durchzusetzen in diesem strengen System. Und wenn man es geschafft hatte, wurde man gewissermaßen mit Amtlichkeit belohnt. Aber anstrengend war es schon, und die Anstrengung, fand ich, merkte man den Artikeln auch an, das gab ihnen vielleicht Kraft, nahm ihnen aber die Leichtigkeit - und so war es fast jeden Freitag wieder ein Schock, wie leicht und unangestrengt, wie selbstverständlich frei im Geist die Geschichten aus dem SZ-Magazin klangen. Oft war ich einfach froh darüber, manchmal neidisch, immer wieder lasen wir in Hamburg einander die besten Sätze vor - und immer wieder musste ich direkt Ulf Poschardt anrufen, der dann berichtete, wie schön und leicht und inspirierend das Leben in München sei. Die Mädchen. Die Sonne. Die Sonnenbrillen. Schuhe, die sich in Hamburg niemand anzuziehen traute. Gedanken, die in Hamburg keiner zu denken wagte.

    Der Freitag, an den ich mich am genauesten erinnere, war der, an dem ich erstmals eine große Story von Moritz von Uslar im SZ-Magazin las. Er war in Sydney gewesen, hatte dort mit ein paar Leuten gesprochen, mehr war es nicht. Es war aber so irrsinnig gut, so eine neue, ungehörte Sprache, die, kaum war sie da, sofort goldrichtig klang. Und es war das Gefühl, dass dieser Text in keiner anderen Zeitung möglich gewesen wäre. Redakteure hätten gestöhnt, redigiert, geklagt, dass das zwar schön, aber zu viel - für den normalen Leser sei. Beim SZ-Magazin wurde es gedruckt. Später, als ich in München im Feuilleton der SZ war, schrieb ich eine Kolumne im Magazin. Alle zwei Wochen. Jedes Mal war die Freiheit, die dort herrschte, beim Schreiben die reine Zumutung. Und wenn ich fertig mit dem Schreiben war: das reine Glück.
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    Moment 136: 2008

    Der härteste Job der Welt: Holger Gertz besucht das Oktoberfest. Vom ersten bis zum letzten Tag.

    Ich ging jeden Tag ins selbe Zelt. Ich trank und redete und schwieg und hörte zu, zwei Wochen lang, ständig setzen sich ja neue Menschen zu einem auf die Bank. Ich erfuhr Geheimnisse der Schöllkrippener Feuerwehr, lernte einen Mann kennen, der die Unterhose von Idi Amin ersteigert hatte. Ich wurde beleidigt und verteidigt, eingeladen und als Wirtstier missbraucht, war Tröster und Getrösteter. Ich erfuhr, dass es zum natürlichen Verhalten der Menschen gehört, abends auf den Bänken nicht mehr zu sitzen, sondern zu stehen und »Moskau, Moskau« zu brüllen. Wenn man sitzt, ist man raus. Gerade den Text noch mal gelesen, ein zu langer Riemen, darin ein Satz: »Unter Menschen sein, also nach oben schauen und keine Sterne sehen, sondern nur Nasenlöcher - das ist die Hölle, Hölle, Hölle.« Eine Recherche wie eine Erkenntnis. Ich lernte, dass Menschen dafür geschaffen sind, sich zu versammeln. Der eine mehr, der andere weniger. Ich war seitdem nur noch einmal auf dem Oktoberfest, aber nur kurz.

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    Moment 137: 2007

    Unterwegs durch den Irak: Das Magazin widmet eine ganze Ausgabe einer der schaurigsten Krisenregionen der Welt. Der Politikwissenschaftler Dietmar Herz begibt sich damit auf eine Reise, bei der er gerade noch mit dem Leben davonkommt.

    Irak im Winter 2006, mit US-Soldaten auf Patrouille in der Altstadt von Samarra. Wir gehen in eine breite Straße, links Häuser, rechts eine Mauer. Kinder und Erwachsene auf der Straße, ihre Blicke misstrauisch. Plötzlich höre ich ein Knallen, Kugeln schlagen neben mir in die Mauer ein. Dann kommen die Schüsse auch von vorn. Ein amerikanischer Soldat, nur wenige Meter vor mir, wird ins Gesicht getroffen. Ich ducke mich, knie auf der Straße, versuche, ein möglichst kleines Ziel abzugeben. Das trockene Bellen der Kalaschnikows wird immer lauter, die Kugeln schlagen in die Wand ein - wenige Zentimeter von mir. Irgendwann, so fährt mir durch den Kopf, werde auch ich getroffen werden. Die Amerikaner erwidern das Feuer. Plötzlich, wie er begonnen hat, hört der Beschuss auf. Gepanzerte Fahrzeuge evakuieren uns. Ein Offizier fragt, wie lange ich glaube, dass der Schusswechsel dauerte. Er kam mir unendlich lang vor, vorsichtig sage ich: zwanzig Minuten. Der erfahrene Soldat blickt mich spöttisch an: Weniger als vier Minuten.

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    Moment 138: 2013/14

    Tag für Tag sitzt Annette Ramelsberger im Oberlandesgericht München und protokolliert den NSU-Prozess. Aus den Abschriften werden Sonderhefte und Filme, die in der deutschen Medienlandschaft einmalig sind.

    Mein SZ-Magazin-Moment dauert schon zwei Jahre. Seit dem 6. Mai 2013 gehe ich an jedem Verhandlungstag in den NSU-Prozess, um für das Magazin Protokoll zu führen. Mittlerweile haben mein Kollege Tanjev Schultz und ich den 200. Tag hinter uns. Wir sitzen auf der Pressetribüne, von morgens neun bis mindestens 17 Uhr, mit unseren Laptops auf den Knien, und schreiben mit. Wort für Wort. So schnell es geht. Arbeitsmediziner würden aufstöhnen, aber mein Physiotherapeut freut sich: Bis Prozessende hat er einen sicheren Job. Im Moment bekämpft er eine Sehnenscheidenentzündung. Zwei Protokoll-Hefte sind bis jetzt erschienen, das dritte folgt 2016.

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    Moment 139: 2014

    Jede Woche greift die Rubrik »Gefühlte Wahrheit« Phänomene der Gegenwart mehr oder weniger ernsthaft auf. An manche Diagramme denken die Redakteure, die sich den ganzen Unsinn ausdenken, besonders gern zurück. Zum Beispiel an das hier:

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    Moment 140: 2014

    Die Köchin Sarah Wiener hat eine besondere Beziehung zum SZ-Magazin: Es ist ihr, weit weg am anderen Ende der Welt, Heimat in einem Moment der Einsamkeit.

    Ich war im Herbst und Winter 2014 drei Monate in Südamerika allein unterwegs. Und ich meine allein. Ohne Computer, Fernsehen, Musik, Handy, Auto, Medien, Kontakte zu Familie und Freunden - und ohne dass ich Spanisch spreche. Ein Bekannter hatte mich nach einigen Wochen Herumreisen netterweise mit seinem Auto an einem See im Süden Patagoniens abgeworfen. Ich mietete mir ein Häuschen, starrte auf den See, machte Yoga und dachte über das Leben nach. Ich hatte auch ein E-Book dabei und las darauf alles, was ich immer schon lesen wollte. 1000 Seiten Dostojewski (Brüder Karamasov) und Tausende Seiten Proust (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) - und wusste dann recht genau, warum ich zu Hause nie bis zum Ende durchgehalten hatte. Einmal in der Woche schnappte ich mir meinen Rucksack und wanderte zur entlegenen Busstation, um in die nächste Stadt zu fahren und dort, im einzigen Bioladen südlich von Buenos Aires, einzukaufen. In der Früh war es meist empfindlich kalt. Schattig. Die Sonne hatte noch keine Kraft. Als ich so verklärt und schwebend von Einsamkeit, Yoga und Proust eines Tages zur Busstation kam, sah ich den Bus gerade noch entschwinden.

    Da stand ich nun in der Kälte und hatte drei Stunden hinter mich zu bringen, bis der nächste Bus kam. Am Anfang starrte ich auf die Berge, auf die Bäume, dann auf jedes Insekt und auf die Staubpiste. Schließlich kramte ich in meinem Rucksack, ob ich etwas Essbares finde oder irgendetwas, was mir die Zeit verkürzen könnte. Und da: Zwischen Rücken und Hauptfach blitzte verknüllt und eingerissen ein altes, fleckiges, vergessenes SZ-Magazin, das von meinem Transatlantikflug vor Monaten stammte. Innerer Jubel! Freude! Glückseligkeit! Abwechslung! Kurze und lange lesbare Artikel! Fotos! Und alles auf Deutsch! Heimat! Ich habe mein Lebtag noch nie ein Magazin so genau von vorn bis hinten gelesen und betrachtet, inklusive aller Werbung und allem Kleingedruckten. Ich kann mich absurderweise nicht mehr erinnern, was ich gelesen habe, nicht ein Thema hab ich mir gemerkt. In diesem Moment aber schien mir samt und sonders alles wahnsinnig interessant. Dass das Magazin etwas später nach meiner Seele auch meinen Körper wärmte, weil ich mit dem Heft und dürren Zweigen ein Feuerchen am Rand der Straße entfachte, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

    Fotos: Gottfried Helnwein, Guy Tilim / Vu / laif, Oliver Mark, Albrecht Fuchs, Konrad R. Müller, Ashkan Sahihi, Enver Hirsch; Olaf Hajek, Enver Hirsch, Anna Meyer, Colourbox, All Mauritius; Armin Smailovic; Frederik Busch, Nicole Wilhelms, Bayerische Staatsgemäldesammlungen; Ralf Zimmermann, Thomas Dwor-zak / Magnum Photos / Agentur Focu